Der Journalist Billy Six ist in Libyen, als das Land im Chaos versank. Er campte auf dem Maidan-Platz in Kiew, als dort bei Protesten gegen die Regierung die Gewalt ausbricht. Kurz nach dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien trampt er an die Grenze des Landes, lässt sich hineinschmuggeln und berichtet von dem Konflikt. Seit 2017 arbeitet er in Venezuela und schreibt über den wirtschaftlichen Niedergang des Landes, über die gewaltsamen Proteste, das unnachgiebige Regime von Präsident Nicolas Maduro und die Flucht von Millionen Venezolanern ins Nachbarland Kolumbien. Bis am 17. November dieses Jahres 15 Soldaten in das Hotel des 32-Jährigen rund 500 Kilometer von der Hauptstadt Caracas entfernt eindringen und ihn festnehmen. Seither sitzt der Berliner Journalist, der vor allem für die rechtskonservative Wochenzeitung "Junge Freiheit" berichtet, in Haft.
Six sitzt nicht das erste Mal in einem Krisenstaat in Gefangenschaft. Schon 2012 wurde er in Syrien von Islamisten verschleppt, landete schließlich in einem Geheimdienstgefängnis des Regimes in Damaskus und kam nach rund drei Monaten frei. In Venezuela trifft den Deutschen offenbar die volle Härte des Regimes. Am Tag nach seiner Festnahme, so die Menschenrechtsorganisation "Espacio Publico", sei er vor ein Militärgericht gestellt worden. Die Vorwürfe: Spionage, Rebellion, Verletzung von Sicherheitszonen. Laut venezolanischen Medien drohen ihm bis zu 28 Jahre Haft.
Der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) zufolge, die sich weltweit für Pressefreiheit einsetzt, wird dem deutschen Journalisten sowohl jeglicher Kontakt zur Außenwelt als auch ein ziviler Anwalt verwehrt. "Die hanebüchenen Vorwürfe sind ein deutliches Zeichen dafür, dass Billy Six aufgrund seiner journalistischen Tätigkeit in Haft sitzt", sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Zudem gibt es keine Grundlage dafür, ihn als Zivilisten vor ein Militärgericht zu stellen."
Auch die Botschaft darf ihn nicht besuchen
Billys Vater Edward Six, der derzeit durch Indien reist, berichtet n-tv.de, sein Sohn sei vor seiner Verhaftung an Dengue-Fieber erkrankt. Die Medikamente seien ihm im Gefängnis weggenommen worden, er habe nur einen Teil zurückbekommen. Über einen "geheimen Draht" ins Gefängnis erhalte er hin und wieder Neuigkeiten. Direkt nach der Verhaftung habe er sich an die deutsche Botschaft in Caracas gewandt. "Ich erwarte eine klare Botschaft an die Regierung in Venezuela." Bislang verschicke das Konsulat eine Verbalnote wöchentlich. Dabei handelt es sich um eine Art Brief. Für Vater Six viel zu wenig, denn die Zeit läuft. "45 Tage hat die Staatsanwaltschaft Zeit, eine Anklage vorzulegen", sagt er. Oder eben zu "konstruieren". Am 2. Januar läuft diese Zeit ab.
In Berlin gibt es nur wenige Informationen zu dem Fall. Die deutsche Botschaft in Caracas betreue Six seit Anfang Dezember konsularisch, sagt Sprecher des Auswärtigen Amtes n-tv.de. "Wir stehen mit den venezolanischen Behörden in hochrangigem Kontakt. Wir schöpfen die Möglichkeiten aus." Ein Mitarbeiter der Botschaft habe mit Six telefoniert. "Wir werden weiterhin alles tun, was in unserer Macht steht, um darauf hinzuwirken, dass wir konsularischen Zugang bekommen", sagt der Sprecher, denn den gab es bisher noch nicht. Ein Haftbesuch durch die deutsche Botschaft fand noch nicht statt, bestätigt das Auswärtige Amt. Informationen zu Six' Gesundheitszustand, den Vorwürfen, die ihm gemacht werden und der Frage, warum er offenbar keinen Anwalt bekommt, will der Sprecher mit "Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte" nicht geben.
"Die Zustände dort sind katastrophal"
Six sitzt in El Helicoide ein, einem ehemaligen Einkaufszentrum in Caracas, das inzwischen zum Sitz der Geheimpolizei Sebin umfunktioniert wurde und eine der berüchtigsten Haftanstalten des Landes ist. Sein Gesundheitszustand ist offenbar schlecht. Carlos Correa, der Direktor von "Espacio Publico" sagte der "Welt", Six sei zwischenzeitlich in den Hungerstreik getreten. In dem Gefängnis in Caracas seien in den vergangenen zwei Monaten zwei Häftlinge gestorben. "Die Zustände dort sind katastrophal."
Auf der Facebook-Seite "Free Billy Six" kritisiert der Vater, die Vorwürfe der Regierung entbehrten "jeglicher Grundlage". Ihm würden Fotos von öffentlichen Militärparaden als Spionage zur Last gelegt. Die habe er jedoch aus einem öffentlichen Bereich gemacht, von dem aus jeder hätte Fotos machen können. Der Anklagepunkt "Rebellion" basiere auf einem Treffen mit Rebellen der Farc-Organsiation, das jedoch im Rahmen einer Recherche für eine Reportage stattgefunden habe.
Außerdem soll Six Sicherheitszonen verletzt haben, als er Präsident Maduro bei einer Kundgebung fotografiert hatte. Auch diese Anschuldigung sei "falsch", so sein Vater. Six habe sich auch bei dieser Aufnahme in einem für jedermann zugänglichen Bereich aufgehalten. Er hält die Vorwürfe wie auch ROG-Chef Mihr für vorgeschoben und vermutet, dass Maduros Regierung versuche, einen kritischen Journalisten mundtot zu machen. "Ich gehe davon aus, dass Venezuela nicht begeistert war über die Berichterstattung."
In den vergangenen Jahren hat Six viel für die rechtskonservative Wochenzeitung "Junge Freiheit" geschrieben. Solidarität bekommt er jedoch auch vom anderen Ende des politischen Spektrums. Deniz Yücel, der viele Jahre für die linke "Taz" geschrieben hat, teilweise als journalistisches Feindbild rechtskonservativer Kreise gilt und lange in türkischer Haft saß, schrieb bei Twitter: "Die Freiheit des Wortes gilt oder gilt nicht. Sie ist unteilbar. Darum selbstverständlich: #FreeBilly."
Quelle: n-tv.de
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