Bei Twitter schreibt Trump nach Veröffentlichung des Berichts: "Ich hatte das Recht, die ganze Hexenjagd zu beenden, wenn ich gewollt hätte. Ich hätte jeden feuern können, wenn ich gewollt hätte, einschließlich Mueller. Ich habe mich entschlossen, es nicht zu tun."
Laut Bericht stellte sich die Situation in Wahrheit allerdings anders dar. Als der damalige Justizminister Jeff Sessions ihn im Mai 2017 von den Untersuchungen unterrichtete, soll Trump wütend reagiert haben. In gewohnt ruppiger Art habe er "Ich bin am Arsch" gesagt und um seine Präsidentschaft gefürchtet. "Dies ist das schlimmste, was mir je passiert ist", erklärte er gegenüber Sessions. Im Nachgang habe Trump dann versucht, Sonderermittler Mueller aus dem Amt entfernen zu lassen, heißt es in dem Bericht. Seinen damaligen Rechtsberater im Weißen Haus, Don McGahn, habe er so im Juni 2017 angewiesen, bei Sessions die Entlassung Muellers zu erwirken. McGahn sei dieser Aufforderung aber nicht nachgekommen. Stattdessen habe McGahn dem Präsidenten seinen Rücktritt angeboten. Auch zwei weitere Berater im Weißen Haus weigerten sich, den Auftrag auszuführen. Das nährt den Verdacht, dass Trump sich zumindest dem Versuch der Justizbehinderung schuldig gemacht haben könnte.
Weiterhin deckt der Bericht ein Geflecht aus Falschaussagen auf. Im Laufe der zweijährigen Ermittlungen soll Trump regelmäßig Personen in seinem Umfeld zum Lügen angestiftet haben. In dem Bericht werden reihenweise Beispiele genannt. So räumte Weißes-Haus-Sprecherin Sarah Huckabee Sanders ein, "im Eifer des Gefechts" faktenwidrige Erklärungen an die Medien abgegeben zu haben. Als Medienvertreter von Trumps Versuch, Mueller zu entlassen, erfuhren, soll der US-Präsident McGahn gebeten haben, dies abzustreiten. Doch McGahn – den Mueller in dem Bericht als "glaubwürdig" einstuft – kam der Aufforderung nicht nach. Auch Vize-Justizminister Rod J. Rosenstein sei durch das Weiße Haus aufgefordert worden zu lügen, heißt es in dem Bericht. Demnach habe Trump darauf hingewirkt, dass Rosenstein wahrheitswidrig öffentlich erkläre, die Entlassung von FBI-Chef James Comey sei seine Idee gewesen. Doch auch der Vize-Minister verweigerte ein solches Vorgehen. Dieser Vorfall erscheint insofern besonders brisant, da sich der Vorwurf der Justizbehinderung unter anderem auch aus Trumps Vorgehen gegen Comey speist.
Darüber hinaus revidierten eine Vielzahl von weiteren Personen ihre ursprünglich gemachten Aussagen später. Das erlaubt den Schluss darauf, dass auch an anderer Stelle zu Falschaussagen angestiftet wurde. Wie viele Lügen überhaupt nicht aufgedeckt werden konnten, lässt sich nur erahnen. Und auch die Antwort auf die Frage, warum so viel gelogen wurde, bleibt der Bericht schuldig.
Seit Beginn seiner Präsidentschaft wittert Donald Trump eine Verschwörung von Medienvertretern, um ihn aus dem Amt zu treiben. So twitterte er prompt nach Veröffentlichung des Berichts, Reporter hätten bewusst bezüglich der Russland-Vorwürfe und "so viel mehr" gelogen. Dies erscheint nicht nur angesichts dessen, dass der US-Präsident nachweislich selbst andere zum Lügen animieren wollte, paradox (s.o.). Der Mueller-Bericht enthüllt ebenfalls, dass viele der vom US-Präsidenten in der Vergangenheit als "Lügen" bezeichneten Medienberichte nicht nur in der Tat wahr sind, sondern bewusst und wider besseren Wissens von Seiten des Weißen Hauses diskreditiert wurden. Beispielsweise berichtete die New York Times im Mai 2017, dass Trump den damaligen FBI-Chef Comey nach dessen Darstellung gebeten habe, die Untersuchungen gegen seinen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn einzustellen. Daraufhin twitterte der US-Präsident: "Ich habe Comey nie aufgefordert, die Ermittlungen gegen Flynn zu beenden. Alles "Fake News", um eine weitere Comey-Lüge zu verdecken!" Mueller schreibt dazu: "Trotz dieser Leugnung gibt es substantielle Beweise, die Comeys Darstellung bekräftigen.
"Während Mueller zahlreiche Menschen aus Trumps Umfeld befragen konnte, hatte der US-Präsident selbst seine Fragen nur schriftlich beantwortet. Die Antworten wertet der Sonderermittler als unzureichend. Laut Bericht war Trump jedoch nicht abgeneigt, sich von Mueller auch mündlich befragen zu lassen. Seine Anwälte hätten dies aber als eine "schreckliche Idee" abgetan. Grund dafür war, dass Mueller den Präsidenten mit einer großen Zahl an unbeantworteten Fragen sowie widersprüchlichen Erklärungen und Handlungen konfrontieren wollte. Da dies Trump vor erhebliche Probleme gestellt hätte, sei die Aussage schließlich auf Drängen der Anwälte verweigert worden. So habe man sich auch dagegen entschieden, Trump unter Strafandrohung zu einer mündlichen Aussage zu zwingen, weil das wohl einen langen Rechtsstreit bedeutet hätte.
Kurz nachdem er den Bericht erhalten hatte, erklärte Justizminister Barr das vermeintliche Ergebnis der Untersuchung: Trump sei von den Vorwürfen der Geheimabsprache mit Russland und der Justizbehinderung entlastet. Auch der US-Präsident selbst ließ es sich nicht nehmen, die Botschaft auf Twitter zu verkünden. Doch der Fall scheint nicht so eindeutig.
Kollaboration mit Russland: Der Bericht macht deutlich, dass Mueller davon ausgeht, dass Russland die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2016 manipuliert hat. Ob Trump und sein Team involviert waren, kann jedoch nicht abschließend geklärt werden. Zwar identifizierte Mueller "zahlreiche" Kontakte zwischen Trumps Wahlkampflager und Vertretern Russlands in den Monaten vor und nach der Wahl. Darunter waren demnach Geschäftskontakte, Treffen politischer Natur und eine Begegnung, bei der es darum ging, kompromittierendes Material über Trumps demokratische Konkurrentin Hillary Clinton zu bekommen. Aber die Beweise reichten nicht für den Nachweis einer Straftat aus.
Behinderung der Justiz: Wie oben bereits erwähnt, listet Muellers Team diverse Einflussversuche Trumps mit Blick auf die Russland-Untersuchungen auf. "Die Versuche des Präsidenten, die Ermittlungen zu beeinflussen, waren überwiegend erfolglos, vor allem weil Personen aus dem Umfeld des Präsidenten sich weigerten, Anweisungen auszuführen oder seinen Aufforderungen zu folgen", heißt es in dem Bericht. In einer sorgfältig gewählten Formulierung resümiert Mueller schließlich: "Die problematische Amtsführung des Präsidenten verhindert einen endgültigen Schluss dahingehend, dass keine kriminellen Handlungsweisen vorgenommen wurden." Damit wird Trump zwar kein konkreter Vorwurf gemacht, eine endgültige Entlastung bedeutet der Bericht aber keineswegs.
n-tv
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