Die Europawahl wird einer Studie zufolge vor allem die Anhänger links- und rechtspopulistischer Parteien mobilisieren. Zwar wächst das Interesse an dem Votum grundsätzlich: Zwei Drittel (68 Prozent) aller für eine Bertelsmann-Studie befragten Europäer wollen an der Wahl teilnehmen. In Deutschland sind es sogar 73 Prozent. 2014 lag die Wahlbeteiligung europaweit bei knapp 43 Prozent. In Deutschland lag sie knapp darüber, bei 47,9 Prozent.
Besonders hoch ist das Interesse laut Studie jedoch vor allem an den politischen Rändern. So würden sich nur 5,4 Prozent aller Befragten als "extrem links" bezeichnen und nur 6,1 Prozent als extrem rechts. Doch besonders an den äußersten Rändern des politischen Spektrums beobachteten die Autoren eine sehr hohe Absicht, an der Wahl teilzunehmen - von jeweils über 80 Prozent. Zur politischen Mitte hin nimmt dieser Wert ab. Rund jeder Fünfte (22 Prozent) verortet sich selbst in der "Mitte". Die Wahrscheinlichkeit dieser Gruppe, an der Wahl teilzunehmen, liegt jedoch nur bei knapp über 70 Prozent. "Europa braucht arbeitsfähige Mehrheiten im neuen europäischen Parlament. Die Mobilisierung der überwiegend proeuropäischen Mitte ist dafür eine wichtige Voraussetzung", sagt Bertelsmann-Chef Aart De Geus, zu den Ergebnissen.
Weiter geht aus der Studie, für die 23.725 Personen in zwölf EU-Staaten befragt wurden, hervor, dass sich viele Menschen bei der Wahlentscheidung vor allem davon leiten lassen, dass sie gegen etwas sind: gegen bestimmte Parteien oder gegen die EU allgemein. "Viele Bürger entscheiden sich nicht mehr für eine Partei, sondern wählen gegen solche Parteien, die sie am stärksten ablehnen", sagt Robert Vehrkamp, Demokratieexperte der Stiftung. Im Durchschnitt aller Parteien identifizieren sich nur etwa 6 von 100 Wahlberechtigten (6,3 Prozent) mit einer Partei. Dagegen hat fast jeder Zweite (rund 49 Prozent) eine negative Parteiidentität, lehnt also eine oder sogar mehrere Parteien vollständig ab.
Bezüglich Zustimmung und Ablehnung einzelner Parteien zeigt sich an den politischen Rändern ein besonders differenziertes Bild. Einerseits kassieren die extremen und populistischen Parteien mit rund 52 Prozent die höchsten Ablehnungswerte. Gleichzeitig haben die Rechtspopulisten mit rund 10 Prozent die höchsten und auch die Linkspopulisten mit rund sechs Prozent relativ hohe Werte bei den positiven Parteiidentifikationen. "Die populistischen Parteien haben es in relativ kurzer Zeit geschafft, sich eine stabile Stammwählerbasis zu schaffen. Ihre gleichzeitig hohen Ablehnungswerte zeigen aber auch, wie gefährlich es für andere Parteien wäre, die populistischen Parteien nachzuahmen", so Vehrkamp.
Die Studie zeigt aber auch, wie zerstritten populistische Parteien in Europa sind - Einigkeit besteht demnach nur bei der Ablehnung von Europa. In Sachfragen zeigen sich die Wähler der Links- und Rechtspopulisten noch stärker gespalten als die Wähler der etablierten Parteien. Für das neue EU-Parlament bedeutet das: Konsensentscheidungen und positive Mehrheiten erfordern noch größere Koalitionen der etablierten Parteien als bisher. "Je stärker die populistisch-extremen Ränder werden, umso stärker zwingt es die etablierten Parteien zum Konsens. Gelingt den etablierten Parteien dieser Brückenschlag nicht, können negative Mehrheiten zu Selbstblockade und Stillstand führen", so Vehrkamp.
n-tv
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