Die „Jüdische Allgemeine“ veröffentlichte auf ihrer Homepage einen Artikel über die Sperre. Demnach begründete Twitter die Maßnahme mit dem Hinweis, man habe gegen die Regeln „zum Veröffentlichen von irreführenden Informationen zu Wahlen“ verstoßen. Offenbar war ein Tweet der Anlass, der auf einen Artikel der Zeitung hinwies. Text des Tweets: „Warum Israels Botschafter Jeremy Issacharoff auf Gespräche und Treffen mit der AfD verzichtet.“
Bei der Zeitung herrscht Empörung. Der Online-CvD sagte etwa: „Dass Twitter antisemitische Hasstweets duldet, aber Nachrichten der einzigen jüdischen Wochenzeitung Deutschlands sperrt, ist für uns absolut unverständlich.“ Gegenüber der Süddeutschen Zeitung erklärte Twitter inzwischen, es handle sich um einen Fehler: „"Die Entscheidung wird aufgehoben und das Konto wiederhergestellt“.
„Desinformation mit Algorithmen lösen“?
Doch auch andere zeigten sich empört. So schreibt etwa die Autorin und Frauenrechtlerin Sibel Schick: „Das Problem der Desinformation nur per Algorithmen lösen? Ergebnis: #Twittersperrt die einzig Jüdische Wochenzeitung Deutschlands.“ (sic). Der Grünen-Politiker Cem Özdemir schrieb mit Blick auf die Sperrung, Twitter müsse dringend „seine Abläufe prüfen“, denn: „So erweist es Demokratie und Pressefreiheit einen Bärendienst“.
Sofort Einspruch erhoben
Auch der SPD-Politiker Sven Kohlmeier zeigte sich verständnislos. Doch auch ihn selbst hatte es kurz vorher für einige Stunden getroffen. Er sitzt im Berliner Abgeordnetenhaus und ist dort Sprecher seiner Fraktion für Rechts- und Netzpolitik. Laut „Berliner Morgenpost“ hatte Kohlmeier gegen die Sperre sofort Einspruch erhoben.
Die umstrittenen Regeln bei Twitter sollen eigentlich dafür sorgen, dass vor der Wahl keine falschen Informationen verbreitet und Wählerinnen damit in ihrem Wahlverhalften beeinflusst oder gar davon abgehalten werden, überhaupt abzustimmen.
Die Piratenpartei twitterte, die neuen Regeln für Beschwerden gegen unzulässige Tweets verursachten Probleme. Zitat: „Auch wir sprechen uns gegenüber Twitter für die Deaktivierung der neuen Meldefunktion aus.“
Wer hat wieviel Zeit?
Inzwischen hat der Datenanalyst 15 Fragen an Twitter formuliert und um Aufklärung gebeten. Er möchte wissen, was genau in der zuständigen Richtlinie steht und wieviel Zeit die Content-Moderatorinnen je Entscheidung haben.
Auch gesperrt wurden in den vergangenen Wochen etwa die Berliner Staatsekretärin Chebli nach einem Tweet über den Namen Mohammed. Am Mittwoch befasst sich auch der Bundestag mit dem Thema: Dann tagt der Ausschuss Digitale Agenda – unter anderem zum Tagesordnungspunkt „Zensurvorfälle bei Twitter“.
Deutschlandfunk
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