In der SPD wachsen angesichts der dramatischen Lage der eigenen Partei die Zweifel an der Großen Koalition. "Wir müssen Trophäen einfahren, oder wir werden Konsequenzen ziehen müssen", sagte der ehemalige Fraktionschef Thomas Oppermann nach SPIEGEL-Informationen in der jüngsten Fraktionssitzung am Mittwoch. "Das heißt, wir stehen vor der Frage: Gibt es die GroKo Weihnachten noch?"
Für die SPD laufe es in dem schwarz-roten Bündnis nicht gut, sagte der Bundestagsvizepräsident. "Erfolge werden uns nicht zugeordnet", beklagte Oppermann demnach. "Uns werden alle Misserfolge zugerechnet."
Oppermann, der Anfang 2018 zu den entschiedensten Befürwortern einer Neuauflage der Großen Koalition gehörte, wandte sich gegen eine rasche Ablösung seiner Nachfolgerin, der schwer angeschlagenen Fraktionsvorsitzenden Andrea Nahles. In den nächsten Monaten müsse man hart mit der Union verhandeln - und noch niemand habe behauptet, dass Nahles schlecht verhandeln würde, sagte der Niedersachse. In einer solchen Situation sei es "keine schlaue Idee, die Führung auszuwechseln".
Oppermann warnte, dass sich bei einer Ablösung von Nahles durch eine Abstimmung am kommenden Dienstag als Fraktionschefin automatisch auch die Frage nach dem Parteivorsitz stelle.
Nahles steht intern massiv unter Druck. Am Mittwoch wurde die Fraktionssitzung zu einem Scherbengericht über die Vorsitzende. Nahles hatte entgegen der ursprünglichen Absprache mit führenden Sozialdemokraten Anfang der Woche im Alleingang beschlossen, die Wahl über den Fraktionsvorsitz auf nächste Woche vorzuziehen.
Ihr Kalkül war, die Machtfrage zu klären und die im Hintergrund auf ihre Ablösung hoffenden Kritiker auszubremsen. Doch ihr Manöver droht nach hinten loszugehen. Wie die Wahl am Dienstag ausgeht, scheint völlig offen. Hinter den Kulissen suchen Nahles' Kritiker nach einem geeigneten Gegenkandidaten für den Chefposten in der Fraktion.
Die Sozialdemokraten hatten bei der Europawahl mit einem Ergebnis von 15,8 Prozent historisch schlecht abgeschnitten und waren nur auf Platz drei hinter den Grünen gelandet. Zugleich büßten sie in Bremen nach 73 Jahren erstmals ihren Spitzenplatz ein.
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