Monster-Paranoia mit Mulder und Scully

  26 Januar 2016    Gelesen: 686
Monster-Paranoia mit Mulder und Scully
Wir sind die neuen Aliens: Für die Neuauflage der Kultserie "Akte X" jagen unsere liebsten FBI-Agenten Mulder und Scully keine grauen Männchen mehr. Stattdessen heften sie sich an die Fersen einer Verschwörergruppe von Menschen für Menschen. Oder so.
Das Gruseligste zuerst: Mulders und Scullys Sohn ist mittlerweile 15 Jahre alt. Nicht gelogen. Schock Nummer zwei: Die ewige Skeptikerin findet die neue Theorie ihres fiebrig gläubigen Partners "dämlich" und an Landesverrat grenzend. Leider hält sie diese Überzeugung in der Premiere nur wenige Sendeminuten durch. Dabei ist die Verschwörung, die uns die Kultserie "Akte X" heute auftischt, im Vergleich zu den früheren Alien-Theorien ganz schön harter Tobak. Apropos: Rauchen per Luftröhren-Ventil ist irgendwie noch ekliger als 2002.

14 Jahre nach dem Ende der Serie und acht Jahre nach dem letzten Kinofilm ist "Akte X" also wieder da. Und tatsächlich: Als beim Auftakt der sechsteiligen Miniserie am späten Sonntagabend US-Zeit die unvergleichliche Titelmelodie ertönt, läuft es einem immer noch angenehm kalt den Rücken runter. Unsere Jäger der Wahrheit sind endgültig in der Jetzt-Zeit angekommen.

Verpasst haben wir trotzdem nichts: Die Medizinerin sitzt unerklärlicherweise immer noch in diesem gruseligen, katholischen Krankenhaus fest, während Mulder sein Einsiedlerdasein pflegt. Der begeisterte Zeitungsartikel-Ausschneider hält mittlerweile per Laptop Kontakt zur Welt, hat aber selbstredend die Webcam abgeklebt - was andere Menschen spätestens seit der angsteinflößenden "Criminal Minds"-Folge mit "Dawson`s Creek"-Darsteller James Van Der Beek als Serienmörder-Hacker getan haben.

Traumpaar mit mythologischem Überbau

Die lange Zeit platonische Liebesbeziehung zwischen Scully und Mulder und die Chemie zwischen den Hauptdarstellern Gillian Anderson und David Duchovny war einer der Gründe, warum "Akte X" in den 90er Jahren zur Kultserie aufstieg. Die immer komplizierter werdende Mythologie der Serie von Chris Carter hingegen stieß auf allerlei Kritik und wurde im Serienfinale am 19. Mai 2002 nicht mal ansatzweise aufgelöst - ein Ausmaß an Frust, das fast auf den Tag genau acht Jahre später Fans von "Lost" gut nachvollziehen konnten.

Und so lautete damals Mulders über neun Staffeln konstruierte Theorie: Vor langer Zeit gelangte ein außerirdischer Virus auf die Erde. Diese Alien-Intelligenz will die Menschheit auslöschen; eine allmächtige US-Schattenregierung arbeitet mit den Außerirdischen bei der Kolonialisierung der Erde zusammen. Frauen werden als Leihmütter für Alien-Babys missbraucht. Dazu gehörte auch Scully, deren Sohn als Baby übersinnliche Fähigkeiten bewies. Um das Kind zu schützen und während der leibliche Vater Mulder spurlos verschwunden war, gab Scully ihren Sohn William zur Adoption frei.

"Es ergibt alles Sinn." Nicht.

Gute, alte Zeiten im Vergleich zur neuen Theorie. Den Ball ins Rollen bringt der erzkonservative Talkshowmoderator Tad O`Malley (Joel McHale, "Community"), der nicht nur namentlich an das Hassobjekt der US-Linken, Bill O`Reilly vom "X-Files"-Muttersender Fox, erinnert. Der aalglatte und steinreiche Spin Doctor verspricht Mulder und uns "die vielleicht böseste Verschwörung, die es je gab". Um die aufzudecken, braucht O`Malley aber die Hilfe der alten Recken. Wozu genau, wird in der Premiere noch nicht richtig klar, denn immerzu ist es der Neuling, der die neue Weltordnung erklärt. O`Malley zeigt Mulder ein Flugzeug, das sich dank außerirdischer Technologie unsichtbar machen lässt. "Element Warp Drive", kommentiert der Ex-Agent eloquent und irgendwo lacht sich William Shatner ins Fäustchen.

Ein Besuch bei der mehrmals entführten Sveta (Annet Mahendru) und Mulder ist bereit für eine neue Wahrheit. "Was, wenn es keine Alien-Verschwörung gibt?", fragt er Scully. "Es ergibt alles Sinn. Wir wurden all die Jahre über getäuscht. Es ist eine Verschwörung von Menschen." Es folgt ein Monster-Paranoia-Sammelsorium, in dem Kriege, Naturkatastrophen und Fettleibigkeit vom berüchtigten militärisch-industriellen Komplex (oder so) mithilfe von Alien-Technik gezielt eingesetzt werden, um die USA (oder die Welt) zu übernehmen. An dieser Stelle beneidet der Zuschauer vorübergehend die Kinder ohne Ohren, die Scully in ihrem "American Horror Story"-Krankenhaus behandelt.

"Mulder and Scully Meet the Were-Monster"

Thematisch wie atmosphärisch ist nach der Premiere ungeheuer viel Luft nach oben. Atemlos hetzen die Figuren von einem abzuhakenden Punkt zum nächsten und die ständigen Ortswechsel machen einen ganz wuschig. Für schöne Sätze bleibt da keine Zeit, Mulder und Scully hauen sich ihre vertrauten Standpunkte um die Ohren. Und fast könnte man meinen, Anderson habe aus Rache für ihre im Vergleich zu Duchovny ursprünglich nur halb so hohe Gage beschlossen, die ganze Staffelpremiere über nur zu flüstern.

Der Schweinsgalopp ist natürlich der kurzen Laufzeit des Comebacks geschuldet. Neben Geschichten zur neuen Mythologie wird es wie gewohnt auch alleinstehende Folgen geben. Besonders dürfen sich Fans auf Episode drei freuen. Die knüpft nämlich an die großartige satirische Tradition von "Akte X" an. "Mulder and Scully Meet the Were-Monster" wurde von Darin Morgan geschrieben. Der war auch für die Kultfolge "Jose Chung`s From Outer Space" (1996) mit Mulders unvergesslichem Mädchenschrei und dem rauchenden Alien verantwortlich.

Tags:


Newsticker