Wer bestimmt über den neuen Vorsitz?

  24 Juni 2019    Gelesen: 784
Wer bestimmt über den neuen Vorsitz?

Der SPD-Vorstand entscheidet im Laufe des Tages, wie bei der Neubesetzung des Parteivorsitzes verfahren wird. Klar ist, dass die Basis beteiligt werden soll. Wie genau, darüber gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Der frühere SPD-Fraktionsvorsitzende Oppermann möchte auch Nicht-Mitglieder in die Entscheidung einbeziehen.

Oppermann schlug im Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vor, interessierten Bürgern gegen Zahlung von fünf Euro die Möglichkeit zu geben, sich registrieren zu lassen und über mögliche Kandidaten abzustimmen. Das würde Offenheit signalisieren und könnte die SPD wieder zu einem gesellschaftlichen Projekt machen, meinte der Vizepräsident des Bundestags. Es komme darauf an, Politiker auszuwählen, „die nicht nur in der Partei, sondern auch in der Bevölkerung gut ankommen.“ Unter anderem in Frankreich haben Parteien Nicht-Mitgliedern die Teilnahme an Vorwahlen ermöglicht.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD im nordrhein-westfälischen Landtag, Philipp, sagte im Deutschlandfunk (Audiolink), sie habe „Bauchschmerzen“ mit einer solchen Öffnung. Die Mitgliedschaft in der Partei könnte dadurch abgewertet werden. Kritisch äußerte sich auch SPD-Generalsekretär Klingbeil. Denkbar ist dies seiner Meinung nach eher bei Auswahlprozessen für ein öffentliches Amt wie eine Kanzlerkandidatur, sagte Klingbeil. Da sei die Idee spannend. 

Der SPD-Vorsitz ist derzeit vakant, nachdem die bisherige Parteichefin Nahles vor drei Wochen zurückgetreten war. Der Parteivorstand will am Nachmittag in Berlin bekanntgeben, wie bei der Neubesetzung verfahren wird. Insgesamt sind laut SPD-Generalsekretär Klingbeil 23.000 Ideen und Vorschläge in der Parteizentrale eingegangen.

Wird es eine Doppelspitze?

In der Diskussion ist auch eine Doppelspitze aus einer Frau und einem Mann. Dafür sprach sich etwa die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen aus. Eine solche Doppelspitze haben die Grünen bereits seit der Parteigründung, bei den Linken ist dies seit 2010 der Fall. Die SPD selbst hatte im März vergangenen Jahres eine Richtlinie beschlossen, nach der einem Ortsvereinsvorstand zwei gleichberechtigte Vorsitzende angehören können – und zwar je eine Frau und ein Mann. Dieses „Modellprojekt“ soll zunächst vier Jahre lang getestet werden. 

Auf Bundesebene müsste eine Spitze aus mehreren Personen erst durch eine Änderung der Parteistatuten durch den Parteitag ermöglicht werden. Laut dem SPD-Organ "Vorwärts" könnte der Vorstand einen solchen Satzungsänderungsantrag auf den Weg bringen und dem Parteitag dann vorlegen, der bisher für Dezember geplant ist. Es gibt bereits Forderungen nach einem früheren Treffen. Allerdings werden für die Organisation einer Wahl zur neuen Spitze drei Monate Vorbereitungszeit veranschlagt.

Laut Parteiengesetz der Bundesrepublik wählt der Parteitag die Vorsitzende oder den Vorsitzenden. Damit ist eine Urwahl laut „Vorwärts“ kategorisch ausgeschlossen. Eine Mitgliederbefragung im Vorfeld sei aber möglich. Diese Befragungen seien zwar für die Delegierten auf dem Parteitag nicht bindend, in der Vergangenheit habe man sich aber daran gehalten. 

Erfahrungen machte die SPD mit solch einer Mitgliederbefragung vor dem Eintritt in die Große Koalition 2018. Damals wurden die Mitglieder per Post zur Abstimmung aufgerufen. Auch ein Parteichef wurde bereits auf diesem Weg bestimmt: Rudolf Scharping im Jahr 1993.

Wer könnte ins Rennen gehen?

Bislang hat niemand eine Kandidatur angekündigt. Der SPD-Ostbeauftragte Dulig rief die Kommunalpolitikerinnen und -politiker seiner Partei auf, sich für den Bundesvorsitz zu bewerben. Dulig sagte der Zeitung "Die Welt„, er würde sich freuen, wenn etwa einer der erfolgreichen SPD-Oberbürgermeister die Herausforderung annähme. Die kenne man zwar in Berlin vielleicht noch nicht, aber das ließe sich ändern. Der sächsische SPD-Landesvorsitzende fügte hinzu, beim derzeitigen Spitzenpersonal sei die Partei etwas ausgebrannt.

Bereits ausgeschlossen haben eine Kandidatur die jetzigen kommissarischen Chefs Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz, Arbeitsminister Heil und der niedersächsische Ministerpräsident Weil haben kein Interesse. Selbst ins Spiel gebracht hat sich der Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen, Kutschaty, dem wenig Chancen eingeräumt werden. Im Rennen sieht das "Handelsblatt" noch Familienministerin Giffey, die sich jedoch mit Plagiatsvorwürfen zu ihrer Doktorarbeit konfrontiert sieht, Generalsekretär Lars Klingbeil sowie Außenminister Heiko Maas. Der Zeitung zufolge könnte es auch ein gänzlich unbekannter Kandidat werden. Es ist also alles offen.

 

Deutschlandfunk


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