Jahrelang galt Mogadischu als gefährlichster Ort der Welt. Langsam erholt sich die Stadt, baut sich aus Ruinen wieder auf, versucht, wieder normal zu sein. Dass Mogadischu heute die am zweitschnellsten wachsende Stadt der Welt ist, liegt auch an Ahmed Jama. Er kam aus dem Ausland zurück, um mit seinen Restaurants Inseln der Normalität zu schaffen. "Wo man essen gehen kann, kann nicht mehr alles schlecht sein", sagt er.
Jama inspiziert die Meeresfrüchte in den groben Jutesäcken, er nickt müde, aber zufrieden und schultert die tropfenden Hummer. Seine Linguine mit Hummer an Knoblauch-Basilikum-Soße sind eine Legende in Mogadischu. Nur selbst kaufen kann er den Hummer nicht. Der Fischmarkt liegt am alten Hafen, zwischen Ruinen, die wie faulige, schwarze Zähne von Kugeln zersiebt, die Straßen säumen. Der Weg dorthin ist noch immer zu gefährlich.
Gerade haben die wenigen Botschaften, die es im Land gibt, die Gefahrenwarnstufe in der Stadt angehoben. Jama weiß davon nichts, aber er hat ein Gespür entwickelt, ist lange genug hier. Wenn er durch die Stadt fährt, nimmt er nie zweimal nacheinander die gleiche Strecke. "Aber Rom, so sagen sie, wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Auch da hat jemand angefangen", sagt er.
Er trägt den Fisch zur offenen Küche am Nordende des sonnigen Hofs, auf dem vier Tische unter Sonnenschirmen stehen. An den Tischen sitzen drei Parlamentssekretäre, Berater von Ministern, eine Frau, die einen Pizzalieferservice betreibt, sowie ein paar Soldaten. In großen, rußigen Eisentöpfen köchelt Brühe vor sich hin, unter einem Sonnenschirm sitzen zwei Offiziere mit dem Wappen Burundis auf dem Ärmel. Jama geht schnellen Schrittes durch den Laden, das Mittagsgeschäft rückt näher, hier und in seinen zwei anderen Filialen.
Seit 25 Jahren herrscht Bürgerkrieg in Somalia. 1991 stürzten Rebellen den Diktator Siad Barre. Seitdem gibt es keine funktionierende Regierung mehr, die das Land kontrollieren könnte. Die großen Clans kämpften gegeneinander und verwandelten Mogadischu in eine Ruinenstadt. Mehr als zweieinhalb Millionen Somalier wurden aus ihren Häusern vertrieben, eine Million floh ins Ausland, eine weitere Million, die meisten davon Zivilisten, kam um.
Schon lange ist der Staat zersplittert. Im Norden haben sich Somaliland und die ehemalige Piratenhochburg Puntland abgespalten. Seit dem 1. August 2012 sollen diese autonomen Teilstaaten nun Mitglieder der neuen Bundesrepublik Somalia sein – zumindest auf dem Papier. Doch außer in Somaliland flammen überall im Land immer wieder Gefechte auf. Der Süden wird zu großen Teilen von Al-Shabaab kontrolliert, einer mit Al-Kaida verbündeten Terrororganisation, die zusammen mit der kenianischen Armee den Kohle- und Zuckerschmuggel kontrolliert.
Während Jama an diesem Morgen seinen Fisch begutachtet und die Kamelbrühe abschmeckt, tagen Gesandte aus allen Teilen des Landes in Mogadischu, um über die in diesem Jahr bevorstehenden Wahlen zu sprechen. Sie wollen sich auf ein Wahlsystem einigen – auch wenn bis heute ungewiss ist, ob die Wahl überhaupt stattfinden wird. Der Präsident sprach sich unlängst für eine Verlängerung seines Mandats aus, die Gesandten Somalilands, der stabilsten und friedlichsten Region des Landes, wollen gar nicht zu Somalia gehören. Al-Shabaab sitzt gar nicht erst am Verhandlungstisch. Ahmed Jama soll für die Abschlussveranstaltung der Gesandten kochen. Wahrscheinlich wird er sein langsam gegartes Zicklein kredenzen.
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