Der libanesische Präsident Michel Aoun hat den israelischen Drohnenangriff auf die Hauptstadt Beirut vom Wochenende als "Kriegserklärung" bezeichnet. Die Attacke rechtfertige eine militärische Reaktion "zur Verteidigung unserer Souveränität", sagte Aoun bei einem Treffen mit dem UN-Koordinator für den Libanon, Jan Kubis. Ob der Libanon konkrete Schritte für einen etwaigen Vergeltungsschlag vorbereite, ließ Aoun offen.
"Was geschehen ist, ist eine Kriegserklärung", sagte der libanesische Präsident bei seinem Treffen mit Kubis wörtlich. "Dies erlaubt uns, von unserem Recht zur Verteidigung unserer Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität Gebrauch zu machen."
"Dann töte ihn zuerst"
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erklärte, angesichts der Bedrohung durch den Iran werde sich sein Land weiterhin mit allen Mitteln verteidigen. Zu Wochenbeginn wandte er sich in einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit, die offenbar dazu dienen sollte, das militärische Vorgehen in den nördlich und östlich von Israel gelegenen Nachbarstaaten zu rechtfertigen.
Sein Land werde "an mehreren Fronten" vom Iran bedroht, sagte Netanjahu. Israel werde seine Sicherheit weiterhin unter dem Einsatz "aller notwendigen Mittel" verteidigen. Der Iran betreibe umfangreiche Vorbereitungen, um "mörderische Angriffe" gegen Israel zu starten, hatte Netanjahu zuvor bereits betont. Die israelischen Streitkräfte gingen demnach "in jedem Bereich" gegen die "iranische Aggression" vor. "Wenn jemand aufsteht, um dich zu töten", fasste Netanjahu die Lage zusammen, "dann töte ihn zuerst".
Was Netanjahu damit meint, lässt sich Beobachtern zufolge anhand verschiedener Berichte über teils ungeklärte Luftangriffe in der Region ablesen. Am Sonntag hatte das israelische Militär zudem in einem seltenen Schritt der Offenheit Luftschläge gegen Ziele in Syrien eingeräumt. Diese jüngsten Angriffe galten demnach einer Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden, die bei dem Ort Aqraba nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus einen Stützpunkt errichtet hätten. Mit dem Luftschlag in Syrien sei ein geplanter iranischer Drohnenangriff auf Israel vereitelt worden, hieß es.
Luftschläge in Syrien, Libanon und Irak
Außerdem gab es am Sonntag auch auf dem Staatsgebiet des Irak einen bislang ungeklärten Drohnenangriff auf die proiranische Hasched-al-Schaabi-Miliz im Irak, bei dem mindestens ein Mitglied der Miliz getötet wurde. Die Kämpfer machten Israel für den Angriff verantwortlich. Die irakische Armee leitete eine Untersuchung ein. Nach Darstellung israelischer Medien ereignete sich der Luftschlag nahe der irakischen Grenzstadt al-Qa'im. In der Luftlinie liegt der Ort gut 500 Kilometer von Israel entfernt.
Am gleichen Tag kam es im Großraum der libanesischen Hauptstadt Beirut zu einem ähnlichen Angriff aus der Luft. Laut der libanesischen Armee drangen zwei israelische Drohnen in den libanesischen Luftraum ein. Die vom Iran unterstütze islamistische Hisbollah-Bewegung teilte mit, eine der beiden Fluggeräte habe ihr Medienzentrum im Süden von Beirut beschädigt. Von israelischer Seite gab es dazu keine näheren Angaben. Eine der beiden Drohnen sei über einem Vorort abgestürzt, hieß es von libanesischer Seite. Die andere Drohne sei explodiert. Bilder aus Beirut zeigen zersplitterte Fensterscheiben an einem Bürogebäude.
"Feindliche Aktion"
Im Libanon wird der Vorfall dennoch als klarer Angriff Israels gewertet. Der Hisbollah-Führer Hasan Nasrallah sagte, es sei die erste derartige "feindliche Aktion" seit dem Krieg 2006, bei dem im Libanon 1200 Menschen getötet worden waren. Auch in Israel hatte es 160 Tote gegeben. In der Nacht zu Montag griff die israelische Luftwaffe zudem Stützpunkte der radikalen Palästinensergruppe PFLP-GC in Kusaja (auch: Qousaya) im Osten des Libanon an.
Nach Darstellung von Libanons Staatschef Aoun verstießen die Angriffe in Beirut und Kusaja gegen eine UN-Resolution, mit dem der Krieg 2006 beendet worden war. Er habe Beschwerde gegen Israel beim UN-Sicherheitsrat eingelegt, sagte der libanesische Präsident, der von der Hisbollah-Bewegung unterstützt wird.
Die Spannungen im Nahen Osten rufen auf internationale Ebene Besorgnis aus. Die Vereinten Nationen riefen alle Seiten zur Deeskalation auf. UN-Sprecher Stephane Dujarric mahnte eine "äußerste Zurückhaltung sowohl im Handeln als auch in der Rhetorik" an. Netanjahu wiederum forderte die internationale Gemeinschaft dazu auf, den Iran von weiteren Angriffen auf Israel abzuhalten.
Quelle: n-tv.de
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