Neuwahlen im April? Kühnert (SPD): „Schwarz-Grün wäre neue GroKo“

  16 Oktober 2019    Gelesen: 1131
Neuwahlen im April? Kühnert (SPD): „Schwarz-Grün wäre neue GroKo“

Die SPD-Mitglieder sind aktuell dazu aufgerufen, online oder per Brief für eine neue Führungsspitze zu stimmen. Zwischen den sechs Kandidatenpaaren dürfte es eng werden, auch eine Stichwahl wird erwartet. Juso-Chef Kevin Kühnert hat eine klare Präferenz: Raus aus der GroKo. Damit könnte es bereits im April 2020 Neuwahlen geben. Doch was dann?

Die älteste Partei Deutschlands steckt tief in der Krise. Die Zeiten von Currywurst und Kumpelei sind vorbei, die Genossen haben Existenzangst. Die Baustellen sind zahlreich, allen voran die Frage nach einer neuen Parteiführung. Die sechs verbliebenen Kandidaten-Duos für die SPD-Spitze haben dabei teils ganz unterschiedliche Ideen, wie die deutsche Sozialdemokratie noch zu retten sein könnte.

Der Bundesvorsitzende der Jusos, Kevin Kühnert, hat sich am Dienstag in Berlin den Fragen der ausländischen Presse gestellt. Dabei machte er kein Geheimnis daraus, warum er seine Unterstützung für bestimmte Kandidaten schon früh signalisiert hat:

„Ich und die Jusos haben uns für Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken stark gemacht. Die haben auch die Unterstützung vom größten Landesverband in NRW. Wichtig ist, dass auch ein linkes Team in einen möglichen zweiten Wahlgang kommt, damit wir ein paar strittige und offene Fragen in der SPD klären können.“
Ein wichtiger Punkt dabei: Steht die SPD weiterhin zur schwarzen Null, wie Bundesfinanzminister Olaf Scholz, oder will man zu Gunsten von Investitionen auf Neuverschuldung setzen? So oder so, am Ende entscheiden die Mitglieder in einer Urwahl.

Generell stuft Kühnert alle Kandidaten-Paare links der in Deutschland vorherrschenden politischen Mitte ein. Die Regionalkonferenzen, bei denen sich alle Bewerber der Basis präsentieren konnten, bewertet der Juso-Chef zwiegespalten: Einerseits habe man an vielen Punkten nicht tief genug in die Materie einsteigen können, einige Themenkomplexe blieben sogar unberührt. Andererseits habe man ein gutes Bild davon gewinnen können, was den SPD-Mitgliedern wichtig erscheine, zum Beispiel die Klimapolitik:

„Natürlich muss Olaf Scholz den Kompromiss im Grundsatz verteidigen, der in der Bundesregierung gefunden wurde. Dieser ist ja mit seiner Zustimmung zustande gekommen. Andere Teams betonen stärker den Aspekt, wir müssten viel mehr investieren: Erst muss der Staat das Bahnnetz ausbauen, erst muss er das Wohnen bezahlbar machen, bevor wir dann über Preiserhöhungen reden können.“
Zwar habe Olaf Scholz unter allen Kandidaten die größte Bekanntheit in Deutschland, damit sei die Wahl zum Parteivorsitz aber noch nicht automatisch gewonnen, so Kühnert. Die SPD-Basis habe in den vergangenen 10 bis 15 Jahren praktisch nur Verluste hinnehmen müssen, das sei nicht spurlos an den Mitgliedern vorbeigegangen. Was es da brauche, seien Motivation und Aufbruchsstimmung:

„Es geht eben nicht nur um solides Regierungshandeln. Eine Partei ist eben immer auch ein Ort, an dem die Leute ihre Freizeit verbringen, das darf man nicht vergessen. Wenn wir wollen, dass unsere über 400.000 Mitglieder für uns im Alltag kommunizieren, wenn sie gegenüber ihren Kollegen, der Familie oder der Nachbarschaft sagen sollen: „Ich bin Sozi“, dann muss es einen Stolz geben.“  
Und diese Aufbruchsstimmung, die es zuletzt vor einigen Jahren bei Kanzlerkandidat Martin Schulz gegeben hatte, wäre laut Kühnert mit Scholz an der Parteispitze nicht zu vermitteln.

Auf dem kommenden SPD-Parteitag Ende des Jahres soll nicht nur eine neue Führungsspitze im Amt bestätigt werden, sondern die Delegierten sollen auch über den Verbleib in der GroKo abstimmen. Der Juso-Vorsitzende hält es für eher unwahrscheinlich, dass ein Pro-GroKo-Team gewählt, dann aber für den Regierungsaustritt gestimmt werde. Auf Sputnik-Nachfrage erklärt Kühnert, dass er mit einer möglichen Wahl von Olaf Scholz deshalb ganz konkret einen Verbleib in der Regierung befürchtet. Dämonisieren wolle er den SPD-Finanzminister aber nicht:

„Warum bin ich denn mal als Mitglied in eine Partei eingetreten, wenn ich einer einzelnen Person die Kraft zumesse, eine über 150 Jahre alte Partei kaputtmachen zu können? Ich glaube, dass die Wahl in die eine oder andere Richtung auf Wahlergebnisse Auswirkung haben wird. Aber ich warne vor diesen apokalyptischen Szenarien, in denen gedacht wird.“
Ebenso müsse man auf der anderen Seite auch davon geheilt sein, dass irgendwann der Messias kommen und die Partei retten werde. Das erwartet Kühnert auch nicht von seinem Favoriten-Paar aus Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Aber er hält beide schlicht für am Glaubwürdigsten.

Doch was, wenn der Wunsch der Jusos in Erfüllung geht und sich die Parteimitglieder für ein Ausscheiden der SPD aus der Bundesregierung aussprechen? Laut Kühnert hat seine Partei dafür bereits konkrete Pläne:

„Man müsste die SPD-Minister aus dem Kabinett abziehen. Man kann der Union dann auch die Tolerierung einer Minderheitsregierung anbieten. Aber wir nehmen uns dann auch die Freiheit, Fragen von Steuergerechtigkeit oder Gesellschaftspolitik mit eigenen Mehrheiten zu bestreiten, vielleicht mit Grünen und Linken zusammen.“
Die Frage nach einem erneuten Urnengang könne aber maßgeblich nur die Union beantworten. Dieser Neuwahltermin könnte dann, unter Berücksichtigung aller gesetzlichen Fristen, im April oder Mai des kommenden Jahres stattfinden. Dabei haben Bundespräsident und Kanzlerin ebenfalls einen gewissen Entscheidungsanteil.

Spannend dürfte dann die Suche nach möglichen Regierungskoalitionen werden. Eine Neuauflage von Schwarz-Rot werde es definitiv nicht geben, so Kühnert - auch weil dafür aller Voraussicht nach die Mehrheiten fehlen. Eine Jamaika-Koalition hält der Juso-Chef wegen Streit zwischen FDP und Grünen ebenso für wenig wahrscheinlich. Kühnert will für ein rot-rot-grünes Bündnis kämpfen - trotz großer Hürden:

„Rot-Rot-Grün wird nicht an Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik scheitern und wahrscheinlich auch nicht an Verkehrs- oder Gesellschaftspolitik. Sondern es wird bei den großen Fragen zu Bundeswehr oder Nato zur Sache gehen. Aber jede Koalition hat solche Sachen, wo es schwierig ist.“  
Dabei ginge es nicht zuletzt auch um die Positionierung der Grünen. Bei der aktuellen Umfragestärke werde die Partei nach Meinung Kühnerts keinen Lagerwahlkampf betreiben, sondern sich erst nach der Wahl für einen Koalitionspartner entscheiden. Der Juso-Chef warnt jedoch vehement vor einer Annäherung zwischen Grünen und der Union:

„Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz ist die neue GroKo. Das sind dann wieder die beiden größten Parteien, die miteinander die letzte verbliebene Zweierkoalition eingehen würden. Wer glaubt, dass aus dieser Koalition etwas großartig anderes herauskommen würde, als was die bisherige GroKo gebracht hat, gibt sich einer Illusion hin.“  

Deutschland habe seit 2005 fast durchgängig eine große Koalition gehabt, ohne eine klare Politik in die eine oder andere Richtung. Das haben die Menschen laut Kühnert satt.

Damit dürfte der Juso-Vorsitzende wohl Recht haben. In welche Richtung die SPD-Mitglieder künftig gehen wollen, wird sich dann vom 6. bis 8. Dezember auf dem Bundesparteitag der Sozialdemokraten klären. Und damit auch, welchen politischen Weg Deutschland einschlagen wird. Geht es nach Kühnert, ist dieser links der Mitte. In seiner Partei wird darüber noch gestritten.

sputniknews


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