Die "Volksstimme" schreibt den Erfolg der Linken hauptsächlich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow zu. "Sachorientiert, undogmatisch, für einen Roten ziemlich bürgerlich. Dennoch reicht es nicht für die Fortführung der bisherigen Koalition mit SPD und Grünen", kommentiert die Zeitung aus Magdeburg. "Am solidesten unter den machbaren Optionen wäre sicher die Zusammenarbeit mit der CDU. Dafür müssen jedoch auf beiden Seiten massive Vorbehalte aus dem Weg geräumt werden." Das Wahlergebnis der Sozialdemokraten wertet die "Volksstimme" als "sehr ernsthaftes Alarmsignal in Richtung Bundes-SPD". Besonders drastisch illustrierten das die Zahlen zur Wählerwanderung: "17.000 Ex-SPD-Wähler stimmten diesmal für die Linke, 7000 wanderten zur AfD ab. Erschreckend: Deren Erfolg verschafft ausgerechnet Björn Höckes rechtsextremem Flügel Oberwasser in der Bundespartei."
Erschreckend und alarmierend – so sehen auch die "Nürnberger Nachrichten" das Wahlergebnis der AfD. "Eine Partei steuert immer unverhohlener ins Radikale - und selbst das bremst ihren Aufstieg nicht. Ein Alarmzeichen, das alle Demokraten zum Nachdenken zwingen muss. Und auch zu ungewohnten Experimenten. Thüringen wird so zum Labor für eine Parteiendemokratie im dramatischen Wandel. Es geht auch darum, wie freiheitlich, offen, bunt und pluralistisch dieses Land sein und bleiben will."
Die "Frankfurter Rundschau" lässt keine Ausreden von AfD-Wählern gelten. "Jeder wusste, dass Björn Höcke mit seinem ultrarechten 'Flügel' versucht, ein System mit faschistischem Vorbild aufzubauen. Es gab keine Ausrede: Wer AfD wählt, wählt nicht Protest, sondern rechtsextrem." Die Zeitung betont auch, fast vier Fünftel der Wähler hätten "den Gesellschaftsvertrag mit der Demokratie aber nicht gekündigt". Zudem habe es in Thüringen einen ernstzunehmenden Zweikampf akzeptabler Kandidaten gegeben. "Sowohl der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow als auch der CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring haben sich klar und unmissverständlich gegen rechts abgegrenzt. Gewonnen hat die Demokratie, weil erkennbare Persönlichkeiten für erkennbare Alternativen einstanden." Man dürfe aber nicht glauben, dass "die braune Gefahr am Schwinden ist", kommentiert die Zeitung.
Die anderen Parteien scheinen kein Rezept gegen die AfD zu finden, schreibt das "Handelsblatt". AfD-Wähler seien längst nicht nur ehemalige NPD-Wähler und einige Menschen aus prekären Verhältnissen, die sich abgehängt fühlen, heißt es im Kommentar. "Inzwischen frisst sich die AfD trotz völkischer Parolen in die politische Mitte. Selbstständige und Handwerker, die früher ihre politische Heimat bei CDU und FDP hatten, machen ihr Kreuz genauso bei der AfD wie die Arbeiter, die eigentlich zur SPD und Linkspartei neigen." Die etablierten Parteien hätten es offensichtlich versäumt, "sich um diejenigen zu kümmern, die sich nicht als Gewinner der Globalisierung fühlen", bilanziert die Zeitung.
Die Regierungsbildung in Thüringen dürfte schwierig werden. Das Wahlergebnis sollte aber nicht nur deshalb zu denken geben, kommentiert die "Mittelbayerische Zeitung" aus Regensburg: "Der Thüringer Souverän hat den Parteien mit dem Wahlergebnis eine äußerst harte Nuss zu knacken aufgegeben. Zwar war mit einem Wahlsieg der Linken des populären Landesvaters Bodo Ramelow und den satten Zugewinnen der Höcke-AfD gerechnet worden. Doch dass es ohne die Parteien von ganz Links und ganz Rechts keine mehrheitsfähige Regierungskoalition zu geben scheint, ist nicht nur für den Osten, sondern bundesweit ein Novum. Im Land zwischen Harz und Thüringer Wald ist das, was man gemeinhin 'bürgerliche Mitte' nennt, zu einer Minderheit zusammengeschmolzen. Das muss in Erfurt, aber auch in der Berliner GroKo zu denken geben."
Um einen Denkanstoß geht es auch im Kommentar der "Mitteldeutschen Zeitung" aus Halle: "Die bisherige Regierung ist abgewählt worden, eine neue Konstellation muss her. Der amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow könnte im Amt bleiben, wenn ihn ein neuer Partner wie die CDU unterstützt. Das scheint aber noch völlig aussichtslos. Obwohl, die Thüringen-Wahl mit dem Ergebnis, dass die 'Parteien der Mitte' keine komfortable Mehrheit mehr haben, zwingt die CDU, jetzt über ihr Verhältnis zu einer pragmatisch agierenden Linkspartei wie in Thüringen neu nachzudenken."
Ein Bündnis zwischen Linke und CDU sollte in Betracht gezogen werden, heißt es im "Mannheimer Morgen". "Eine Minderheitsregierung kann der Linke-Regierungschef nicht auf Dauer verteidigen. Bliebe eine Option, die verrückt erscheint, aber eine stabile Mehrheit hätte: Ein Linke-CDU-Bündnis. Bei aller bereits vorgetragenen Ausschließeritis: Die Unterschiede zwischen demokratischen Parteien dürfen nicht mit dem Etikett 'unüberbrückbar' versehen werden, wenn der Preis zu hoch ist. Niemand hat ein Interesse an der Unregierbarkeit eines Landes oder einer Neuwahl, die die AfD weiter stärkt. Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen."
Anders sieht das die "Nordwest-Zeitung" aus Oldenburg: "Sollte vor allem die CDU der Versuchung nachgeben, mit der Linkspartei in irgendeiner Weise zusammenzuarbeiten, wäre das unverzeihlich. Unterstützung der Linkspartei als Juniorpartner in einer formellen Koalition oder per Tolerierung würde an DDR-Zeiten erinnern, in denen eine CDU schon einmal als Blockflöte der SED unterwegs war."
Quelle: n-tv.de
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