Umfrage zeigt das Demokraten-Dilemma

  06 November 2019    Gelesen: 718
Umfrage zeigt das Demokraten-Dilemma

Biden, Warren, Sanders - sie alle wollen bei den US-Präsidentschaftswahlen für die Demokraten ins Rennen gegen Trump gehen. Eine Umfrage zeigt nun, wer in den entscheidenden Staaten die besten Chancen hätte. Das Ergebnis ist keine gute Nachricht für die bisherige Favoritin.

Erst in einem Jahr wählen die Amerikaner ihren nächsten Präsidenten, doch schon längst ist das Land im Wahlkampfmodus. Bei den Demokraten drängelten sich zeitweise 27 Bewerber auf dem Podium potenzieller Kandidaten, von vielen hatten die meisten Wähler noch nie etwas gehört. Mittlerweile hat sich das Feld etwas ausgedünnt, doch noch immer hoffen 17 Männer und Frauen, am 3. November 2020 Amtsinhaber Donald Trump aus dem Weißen Haus jagen zu können. Diese Ballung spricht vor allem für eines: Siegesgewissheit.

Doch am Wahlabend könnte wie schon vor drei Jahren wieder alles ganz anders aussehen. Darauf deutet eine neue Umfrage der "New York Times" hin, die den Demokraten eine Warnung sein dürfte. Die Erhebung zeigt, wie Trump derzeit in den am heftigsten umkämpften Bundesstaaten gegen drei aussichtsreiche Bewerber der Demokraten abschneiden würde. Die Ergebnisse sind schlechte Nachrichten für die Kandidatin Elizabeth Warren, die derzeit in Iowa in Führung liegt, wo Anfang Februar die erste Vorwahlentscheidung ansteht. Zugleich liefern sie Argumente für die Kandidaten Bernie Sanders und Joe Biden.

Sanders würde demnach Trump in drei der sechs Staaten (Michigan, Pennsylvania, Wisconsin) knapp besiegen, in den anderen drei (Florida, Arizona und North Carolina) knapp unterliegen. Das entspricht einem Kopf-an-Kopf-Rennen, da es in solchen Umfragen immer eine gewisse Fehlertoleranz gibt. Warren dagegen würde Trump nur in Arizona schlagen, in allen anderen Staaten liegt sie zum Teil deutlich zurück - in Michigan sogar mit sechs Prozentpunkten.

Vor allem aber bläst die Umfrage Wind in die derzeit eher schlaffen Segel von Ex-Vizepräsident Joe Biden. Der führt zwar noch im Durchschnitt landesweiter Umfragen, gewählt wird aber in jedem Bundesstaat einzeln. Und in Iowa hinkt er Warren, Sanders und sogar einem jungen Bürgermeister aus Indiana, Pete Buttigieg, hinterher - verliert Biden gleich zu Beginn, droht ihm eine Abwärtsspirale, die ihm die Kandidatur kosten könnte. Im direkten Vergleich mit Trump steht aber ausgerechnet der einstige Vizepräsident am besten da. In vier der sechs umkämpften Staaten ("swing states") liegt er vor Trump, in Arizona sogar mit fünf Prozentpunkten. Nur in Michigan gibt es einen Umfrage-Gleichstand, in North Carolina liegt der Amtsinhaber knapp in Führung.

Für Biden sieht es gut aus - aber auch für Trump

Doch auch dieser relativ guten Werte für Biden dürften im Lager der Demokraten eher für Stirnrunzeln sorgen. Denn die Umfrage zeigt vor allem, dass Trump in diesen sechs entscheidenden Staaten keineswegs abgeschlagen hinterherhechelt. Sie zeigt vielmehr, dass noch gar nichts entschieden ist. Es bleibt dabei: So groß die Ablehnung des Präsidenten auch ist, im Süden, im Mittleren Westen und anderen Landesteilen der USA hat er weiterhin viele Anhänger.

Neben den beinharten Trump-Fans gibt es darunter auch die traditionelleren Konservativen, die zwar seinen Politikstil nicht gutheißen, ihm aber manch einen Erfolg zugute halten, etwa eine umfangreiche Steuersenkung und die Besetzung freier Sitze am höchsten Gericht, dem Supreme Court, mit den konservativen Richtern Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh. Dass die Wirtschaft brummt, schadet ebenfalls nicht. Hinzu kommt das an Propaganda erinnernde Trommelfeuer konservativer Kommentatoren beim TV-Sender Fox News und anderswo, die die Basis immer wieder auf Trump einschwören.

Dass Trump landesweit nur schwache Beliebtheitswerte um die 40 Prozent vorweisen kann, stört da nicht weiter. Denn anders als in Deutschland und vielen anderen Ländern, gibt es in den USA nicht die eine große Wahl, sondern eben fünfzig Wahlen in den Bundesstaaten. Es kommt einzig und allein darauf an, die Mehrheit der Bundesstaaten zu gewinnen, die dann Wahlmänner ins Wahl-Kollegium ("Electoral College") entsenden. Ob man dabei die Mehrheit der Wähler in den USA hinter sich hat, ist egal - wie Hillary Clinton beim letzten Mal hinnehmen musste. Sie hatte zwar knapp drei Millionen Stimmen mehr als Trump, aber eben nicht die Mehrheit der Wahlmänner und verlor somit.

Die Umfrage der "New York Times" facht nun eine Debatte neu an, mit der sich die Demokraten schon seit Monaten quälen. Will man den Kandidaten ins Rennen schicken, den man selbst am besten findet, oder einen, der die besten Chancen gegen Trump hat? Warren spricht mit ihrer Fundamental-Kritik an den gegenwärtigen Zuständen vielen Demokraten aus den Herzen - sie wettert gegen ihrer Meinung nach übermächtigen Lobbyismus in Washington, verspricht kostenlose Kitas und Universitäten und will die Krankenversicherung weitgehend verstaatlichen.

Das gleiche Drama wie 2016?


Was in Europa vielerorts längst verwirklicht ist, wirkt auf viele Amerikaner in der Mitte der Gesellschaft aber radikal. Gerade viele Republikaner hegen ein tiefverwurzeltes Misstrauen gegen den Staat, halten die Regierung in Washington für übergriffig und ineffizient. Umfrangreiche neue Staatsprogramme, wie sie Warren vorschweben, wirken da wie eine Horrorvision. Doch auch manch ein gemäßigter Demokrat kann mit ihren Forderungen wenig anfangen. Kandidiert sie, droht das gleiche Drama wie schon 2016, nach dem Motto: Trump ist zwar furchtbar, aber diese Kandidatin kann ich auch nicht wählen.

Und da kommt Joe Biden ins Spiel. Der 76-Jährige Demokrat wirbt mit weitaus moderaterem Programm für sich. So will er das Gesundheitssystem nicht weitgehend verstaatlichen, sondern dem bisherigen System lediglich eine staatliche Option hinzufügen. Seine große Botschaft ist, dass er die Würde des Präsidentenamtes wiederherstellen will. Er ist also der Mann für jene, die vor allem Trump loswerden wollen, aber ansonsten keine radikalen Reformen herbeisehnen. Damit wäre er auch für unzufriedene Republikaner wählbar. Nach einem starken Start hat der oft fahrig wirkende Ex-Vizepräsident aber spürbar an Schwung verloren und erntete Spott für seine vielen Versprecher. Er wäre der Vernunftkandidat, der zwar nicht alle begeistert, aber eben dennoch wohl die besseren Chancen gegen Trump hätte.

Das weiß auch der Präsident - denn das ist der Grund, warum in Washington gerade so viel über die Ukraine geredet wird, wie selten zuvor. Trump erbat von dessen Präsidenten telefonisch, gegen Biden zu ermitteln und dies öffentlich zu machen. Das sollte ihm wertvolle Wahlkampfmunition gegen den offenbar aus seiner Sicht gefährlichsten Gegner - Biden - liefern. Geht Warren gegen ihn in den Ring, kann er wieder Wahlkampf wie vor drei Jahren gegen Hillary Clinton machen. Und wieder wären seine Aussichten alles andere als schlecht.


Quelle: n-tv.de


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