Zu den Eigenarten des politischen Geschäfts zählt, dass sich nach Wahlen oft alle Seiten zu Gewinnern erklären. So ist es auch jetzt in den USA, nachdem in Kentucky, Virginia, Mississippi und einigen anderen Staaten eine Reihe von regionalen und lokalen Urnengängen interessante Ergebnisse hervorgebracht haben, die einige Rückschlüsse auf die politische Stimmung in bestimmten Landesteilen zulassen.
Der Generalsekretär der Demokraten, Tom Perez, verkündete stolz, die großartigen Siege seiner Partei seien der Beweis, "dass die Demokraten überall gewinnen können". Aber auch US-Präsident Donald Trump tönte stolz: "Ganz viele Siege in Kentucky. Schaut euch nur die Zahlen an."
Im Prinzip haben beide recht. Und auch wieder nicht.
Tatsächlich bietet der Erfolg ihres Gouverneurskandidaten Andy Beshear in der alten Republikaner-Hochburg Kentucky und die Eroberung der Mehrheit im Regional-Parlament des Bundestaates Virginia für die Demokraten zunächst einmal einigen Grund zu Optimismus. Beide Wahlen zeigen, dass ihre Anhängerschaft extrem engagiert ist und begeistert zur Wahlurne marschiert, um für demokratische Kandidaten das Kreuz zu machen. Von Wahl- oder Politikermüdigkeit gibt es keine Spur.
Wie schon bei den Midterm-Wahlen im vergangenen Jahr können die Demokraten in bestimmten Gegenden punkten, weil dort offenbar Wechselwähler und auch frustrierte Republikaner zu ihnen überlaufen. Es handelt sich dabei vor allem um die klassischen Großstadt-Vororte mit einer gebildeten und besserverdienenden Klientel. Diesmal waren dies zum Beispiel Wahlkreise in der Nähe von Cincinnati an der Grenze zwischen Ohio und Kentucky oder auch die sogenannten Suburbs bei Richmond in Virginia.
Besonders bemerkenswert: Auch bei einigen lokalen Wahlen rund um die Metropole Philadelphia in Pennsylvania konnten die Demokraten in Wahlbezirken punkten, die lange Zeit in republikanischer Hand waren. Das ist besonders wichtig für sie, denn in Pennsylvania müssen sie genau diese Bezirke bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr gewinnen, wenn sie den Staat von Trump zurückerobern wollen. Pennsylvania zählt 2020 zu den wichtigen Schlüsselstaaten im Rennen um das Weiße Haus.
Revolte in den Suburbs
Das alles kann den Schluss zulassen, dass die Demokraten mit ihren Untersuchungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump die richtige Strategie verfolgen. Offenbar mobilisieren sie so nicht nur ihre eigenen Leute, sondern sorgen auch dafür, dass Trump zunehmend an Rückhalt in bestimmten Wählergruppen verliert, die bislang eher zu den Republikanern tendierten. Von einem "Aufstand der Vororte" gegen Trump sprechen die demokratischen Strategen freudig erregt. Und die "Washington Post" ruft leicht ironisch bereits die "Cheesecake Factory Revolte" aus, eine Anspielung auf eine Restaurantkette, die in den Einkaufszentren der besseren amerikanischen Vororte beliebt ist.
Zu euphorisch sollten die Demokraten und ihre Anhänger dennoch nicht sein, denn auch aus republikanischer Sicht gibt es einige positive Aspekte bei diesen Wahlen. In Mississippi hat der republikanische Gouverneurskandidat souverän gewonnen. Das bestätigt, dass die konservative Wählerschaft in den Südstaaten weiterhin klar zu den Republikanern hält - und damit auch zu Trump.
Das Ergebnis bei der Gouverneurswahl in Kentucky ist zudem nicht unbedingt repräsentativ für die Stimmung in der alten republikanischen Hochburg. Es ist wohl eher als Anomalie zu sehen. Der unterlegene Gouverneurs-Kandidat der Republikaner, Mark Bevin, galt wegen einiger Fehlentscheidungen auf regionaler Ebene schon vor der Wahl als extrem unpopulär. Unter anderem hatte er sich mit den Lehrern im Land angelegt und wichtige Teile der Gesundheitsversorgung gekappt. Mit Bevins möglicher Niederlage war gerechnet worden. Trump hin oder her.
Der Präsident selbst ist in Kentucky laut Umfragen weiterhin populär - und auch die Republikaner stehen sonst insgesamt gut da. Ein Zeichen dafür ist, dass die republikanischen Kandidaten in fünf anderen regionalen Abstimmungen in Kentucky am Dienstag mit den üblichen hohen Ergebnissen gewinnen konnten.
Zum Beispiel erzielte der Republikaner Daniel Cameron im Rennen um den Posten des Generalstaatsanwalts stolze 57 Prozent. Andere Kandidaten kamen sogar auf über 60 Prozent. Auch Trump wird den Staat bei der Wahl 2020 nach Lage der Dinge wieder locker gewinnen. 2016 lag er hier fast 30 Prozentpunkte vor Hillary Clinton.
So dürften die Wahlergebnisse dieser Woche in Kentucky und andernorts - zumindest vorerst - auch wenig an der Unterstützung für Trump bei den Republikanern im Kongress verändern: Im drohenden Amtsenthebungsverfahren hält die überwältigende Mehrheit der Abgeordneten weiter zu Trump. Der Anführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, erklärte gerade erst, wenn der Senat jetzt über Trump abstimmen müsste, würde dies ganz sicher nicht zu einer Verurteilung des Präsidenten führen.
uch die immer neuen Details, die über die Ukraineaffäre ans Licht kommen, scheinen die meisten Republikaner nicht von dieser Haltung abzubringen. Einmal mehr zeigt sich, dass die beiden großen Parteien in Washington in zwei unterschiedlichen Welten leben: Während die Demokraten fast täglich handfeste Belege dafür zu Tage fördern, dass Trump die Ukraine massiv unter Druck gesetzt hat, um seinem politischen Rivalen Joe Biden zu schaden, tun die Republikaner so, als sei gar nichts Schlimmes geschehen.
Selbst die schriftlichen Aussagen von wichtigen Zeugen wie den Diplomaten Bill Taylor oder Gordon Sondland, die nun öffentlichen werden, scheinen auf sie wenig Eindruck zu machen. Er lese das alles gar nicht mehr, sagt der republikanische Senator Lindsey Graham. Die ganze Untersuchung der Demokraten in der Sache sei doch sowieso ein einziger "Betrug".
spiegel
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