Bundesparteitag der Grünen: Dunkle Wolken am Horizont?

  14 November 2019    Gelesen: 965
 Bundesparteitag der Grünen: Dunkle Wolken am Horizont?

Am kommenden Wochenende findet der Bundesparteitag der Grünen in Bielefeld statt. Im Mittelpunkt sollte dabei eigentlich die Wiederwahl der Parteivorsitzenden Baerbock und Habeck stehen. Doch ein Antrag zum Thema Homöopathie dürfte zum Streitthema zwischen den Delegierten werden. Beim Thema Klimapolitik gibt es dagegen schon konkrete Pläne.

Es ist ein schlechtes Omen: Vor 20 Jahren hat schon einmal ein Parteitag der Grünen in Bielefeld stattgefunden. Damals erlebte die Partei eine Zerreißprobe, denn unter grüner Regierungsbeteiligung kämpften deutsche Soldaten für die Nato im Kosovo-Krieg. Den Unmut bekam der grüne Außenminister Joschka Fischer auf dem Parteitag unmittelbar zu spüren, als ein Delegierter den Politiker mit einem Farbbeutel am Ohr traf und damit sein Trommelfell zerstörte.

Willkommen in der Realität…

Doch die Zeiten haben sich geändert, von der einstigen Friedensbewegung innerhalb der Partei ist nichts mehr übrig geblieben, auf Friedensdemonstrationen sind grüne Spitzenpolitiker selten willkommen. In vielen Bundesländern betreibt die Partei Realpolitik, die nur noch in Akzenten an die früheren Ziele der einstigen Öko-Partei erinnert. Im Bundestag erfreuen sich die oppositionellen Grünen an historischen Umfragewerten und liebäugeln mit einer Regierungsbeteiligung – notfalls mit der konservativen Union und der neoliberalen FDP.

An der Spitze der Partei stehen unangefochten Annalena Bearbock und Robert Habeck, die sich an diesem Wochenende auf dem Bundesparteitag wiederwählen lassen wollen. Die Chancen dafür stehen mehr als gut: Seit 2017 ist die Zahl der Parteimitglieder von 75.000 auf derzeit 94.000 angewachsen, die Stimmung an der Basis ist entsprechend gut. Mit Spannung wird allerdings erwartet, wer von den beiden das bessere Ergebnis bei der Wahl zum Vorsitz einfährt. Das könnte Auswirkungen auf eine mögliche Kanzlerkandidatur haben, falls sich die Grünen dazu entscheiden sollten.

Handfester Streit ist dagegen bei einem anderen Programmpunkt vorprogrammiert: Es geht um einen Antrag, den ein grünes Basismitglied aus dem Landesverband Berlin unter dem Tagesordnungspunkt Verschiedenes eingereicht hat. Dieser lautet „Bevorteilung der Homöopathie beenden“. Der Antragsteller fordert darin unter anderem, die Erstattung homöopathischer Behandlungsmethoden durch die gesetzlichen Krankenkassen zu beenden und begründet das mit „fehlender Wirksamkeit“ dieser Verfahren „über den Placebo-Effekt hinaus“.

Mehr als 250 Grünen-Mitglieder haben den Antrag in den vergangenen Tagen unterschrieben – eine ungewöhnlich hohe Zahl. Doch Naturheilverfahren und Homöopathie haben bei vielen Grünen traditionell Befürworter. Ein Gegenantrag wirbt deshalb für „therapeutische Vielfalt“: Es gehe nicht um „relevante Ausgaben“ des Gesundheitssystems, sondern gerade einmal um 0,05 Prozent der Arzneimittelkosten der gesetzlichen Krankenkassen, die übernommen würden - jährlich rund 20 Millionen von insgesamt 40 Milliarden Euro.

Der Vorstand greift ein…

Damit der Parteitag nicht von diesem Thema überschattet wird, hat der Bundesvorstand nun als Kompromiss ein „gemeinsames Fachgespräch“ vorgeschlagen. Dabei sollen die Antragsteller, also Befürworter ebenso wie Gegner von Homöopathie, zusammen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Gesundheit und den zuständigen Fachabgeordneten nach einer gemeinsamen Positionierung suchen. Ob sich die zerstrittenen Seiten dazu überreden lassen, ist bislang allerdings noch offen.

Bei anderen zur Diskussion stehenden Themen ist die Richtung bereits vor dem Parteitag recht klar: Im Kampf gegen die “Mietenkrise” schlägt der Vorstand der Grünen ein Recht auf Wohnen im Grundgesetz vor. Mieter sollten zudem das Recht auf Tausch ihres Mietvertrages haben. In der Arbeitsmarktpolitik fordern die Grünen eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro.

Bei dem großen Themenkomplex Klimaschutz verlangt die Partei laut Anträgen weitergehende Maßnahmen, als sie die Bundesregierung plant. Bei der CO2-Bepreisung sollte es demnach einen Einstiegspreis von 40 Euro pro Tonne geben, der 2021 auf 60 Euro und danach weiter moderat ansteigen soll. Die Bundesregierung plant dagegen einen Einstieg bei nur zehn Euro. Die Einnahmen daraus sollten in ein “Energiegeld” von zunächst 100 Euro pro Bürger fließen, heißt es im Leitantrag des Grünen-Vorstandes für den Parteitag weiter.

Das alles muss natürlich noch diskutiert und von den Delegierten abgestimmt werden. Ebenso wie Ideen für ein Kohleausstiegsgesetz, mit dem laut der Partei eine Stilllegung von mindestens einem Viertel der Braunkohle- und einem Drittel der Steinkohlekapazitäten in den kommenden drei Jahren erreicht werden soll. Mögliche Änderungen am Leitantrag der Grünen-Spitze dürften dabei allerdings überschaubar bleiben. Störende Aktionen, wie einst 1999, wird es wohl nicht geben. Die Grünen gehören mittlerweile schon lange zu den „etablierten Parteien“, Flügel-Streitigkeiten würden da potentielle Wähler abschrecken. Und solange die Partei nicht wieder Teil einer Bundesregierung ist, bleibt ihr Einfluss auf die Bundespolitik ohnehin beschränkt – vorerst.

sputniknews


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