Polizei droht Demonstranten mit tödlicher Gewalt

  18 November 2019    Gelesen: 866
Polizei droht Demonstranten mit tödlicher Gewalt

In Hongkong scheint sich eine weitere Eskalation der Proteste anzubahnen: Nachdem wütende Demonstranten Molotowcocktails, Pfeile und Steinschleudern eingesetzt haben, will die Polizei erstmals auf scharfe Munition zurückgreifen.

Seit Monaten demonstrieren Zehntausende Menschen in Hongkong gegen die Regierung - nun zeichnet sich ab, dass es in der chinesischen Sonderverwaltungszone zu einer weiteren Eskalation kommen könnte. Die Polizei drohte mit dem Einsatz tödlicher Gewalt gegen Aufständische.

Die Sicherheitskräfte teilten in einer Serie von Stellungnahmen mit, dass sich die Lage im Laufe des Sonntags deutlich zugespitzt habe. Demnach hatten radikale Demonstranten unter anderem mit selbstgebauten Benzinbomben Polizisten attackiert.

"Wenn sie mit solchen gefährlichen Aktionen fortfahren, haben wir keine andere Wahl als ein Mindestmaß an Gewalt anzuwenden, darunter scharfe Munition, um zurückzuschießen", sagte Polizeisprecher Louis Lau in einem auf Facebook veröffentlichten Video: "Ich warne die Aufrührer davor, Brandbomben, Pfeile, Autos oder andere tödliche Waffen für Angriffe auf Polizeibeamte zu nutzen."

Wie groß der Anteil gewaltbereiter Radikaler unter den Tausenden Demonstranten ist, lässt sich nicht sagen - die Lage ist unübersichtlich. "Die Demonstranten haben auf die Polizei reagiert", sagte ein 23-jähriger Demonstrant der Agentur Reuters. "Ich bin bereit, ins Gefängnis zu gehen. Wir kämpfen hier für Hongkong."

Die Proteste hatten sich zuletzt erheblich zugespitzt und werden zunehmend von gewaltsamen Auseinandersetzungen überschattet. Am Sonntag setzten die Sicherheitskräfte Tränengas, Gummigeschosse und einen Wasserwerfer ein.

Ein für Medienarbeit zuständiger Polizist wurde von einem Pfeil getroffen. Auf Fotos von dem Vorfall war zu sehen, wie das Geschoss im Bein des Polizisten steckte. Auch bauten einige Demonstranten Katapulte, mit denen sie Brandsätze abfeuerten. Andere zündeten Bäume an.

Für zusätzliche Unruhe sorgte ein Auftritt chinesischer Soldaten am Samstag in den Straßen der Metropole: Zum ersten Mal seit Beginn der Proteste im Juni verließen die Soldaten ihre Kaserne. Bilder zeigten, wie sie unter anderem Steine von einer Straße räumten. Die Aktion fand große Beachtung, weil es Befürchtungen gibt, China könnte die Proteste vom Militär niederschlagen lassen.

Schulen und Kindergärten bleiben geschlossen

Die kommunistische Führung in Peking hatte zuletzt angedeutet, die Gangart in dem Konflikt zu verschärfen. Eine militärische Niederschlagung der Proteste halten die meisten Beobachter dennoch für unwahrscheinlich, weil China dann mit internationaler Ächtung rechnen müsste.

Die Ausschreitungen konzentrierten sich am Sonntag vor allem auf die Gegend um die Polytechnische Universität, die von Demonstranten besetzt wurde. Die Hochschulen in Hongkong hat sich zu einem Brennpunkt der Proteste entwickelt. Mehrere Universitäten haben inzwischen angekündigt, das Semester vorzeitig zu beenden. Die Schulen und Kindergärten der Stadt sollen am Montag geschlossen bleiben.

Die Proteste richten sich gegen die Regierung. Auslöser war der Streit um ein geplantes Gesetz, das erstmals Auslieferungen nach Festlandchina ermöglicht hätte. Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hat es zwar nach langem Zögern zurückgezogen. Doch inzwischen verlangen die Demonstranten auch Lams Rücktritt, freie Wahlen, eine unabhängige Untersuchung von Polizeigewalt sowie Straffreiheit für die inzwischen mehr als 4000 Festgenommenen.

spiegel


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