Wie teuer wird die Pflegeversicherung?

  21 November 2019    Gelesen: 1008
Wie teuer wird die Pflegeversicherung?

Bis 2050 werden Prognosen zufolge mehr als fünf Millionen auf Pflegeleistungen angewiesen sein. Die Kosten explodieren. Unvermeidbar ist eine höhere Belastung für jeden. Die Bertelsmann Stiftung hat nun untersucht, wie die Versicherung auf gesunde Füße gestellt werden kann.

Sie ist die jüngste Säule der Sozialversicherungen und weist neben der Rentenversicherung den größten Reformbedarf auf. Denn auch wenn eigentlich niemand auf sie angewiesen sein möchte, geht die Zahl derer, die dies direkt oder indirekt doch sind, in die Millionen. Und sie steigt jährlich. Die Rede ist von der Pflegeversicherung, die vor gut zwei Jahren mit der Einführung der Pflegegrade ihre bislang letzte große Reform erlebt hat. Dadurch stieg der Kreis derer, die Anspruch auf Leistungen haben, erheblich und mit ihm die Kosten. Nun geht es darum, die Finanzierung der Pflegeversicherung auf neue Füße zu stellen. Nach der DAK legt nun die Bertelsmann Stiftung eine Modellrechnung vor.

"Wir brauchen bei der Pflege einen neuen Generationenausgleich innerhalb des solidarischen Umlagesystems", sagt Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. "Denn auch an der Vorsorge müssen alle nach ihrer Leistungsfähigkeit beteiligt werden."

Ende vergangenen Jahres erhielten laut Pflegekassen beinahe 3,7 Millionen Menschen Leistungen aus der Versicherung. Die Ausgaben summierten sich zu diesem Zeitpunkt auf mehr als 41 Milliarden Euro. Sie überstiegen die Einnahmen um mehr als 3,5 Milliarden Euro. Seit ihrer Einführung hat sich die Zahl der Leistungsempfänger mehr als verdreifacht. Die Ausgaben haben sich allein in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten mehr als verdoppelt und sind schneller gestiegen als die Einnahmen - inzwischen übersteigen sie diese.

Und durch die älter werdende Bevölkerung sowie den medizinischen Fortschritt werden die Anforderungen an die Versicherungen nicht geringer. "Der Wechsel der geburtenstarken Jahrgänge von der Gruppe der Beitragszahler in die der Empfänger von Pflegeleistungen wird die Situation zusätzlich verschärfen", heißt es in der Bertelsmann-Studie. Diese geht davon aus, dass die Zahl der Leistungsempfänger bis 2050 auf 5,2 Millionen steigen wird. Die Kosten werden im selben Zeitraum auf mehr als 181 Milliarden Euro zulegen. Um dies zu finanzieren, müsste der Beitragssatz regelmäßig steigen auf bis zu 4,6 Prozent.

Experten des Gesundheitsministeriums gehen davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen im nächsten Jahr auf vier Millionen steigen wird. Pro Jahrzehnt kommen laut Prognosen des Gesundheitsministeriums rund 600.000 hinzu, so dass es 2050 bereits knapp sechs Millionen Menschen sein werden, die auf Pflege angewiesen sind.

Beitrag, Steuern, Fonds

Bei der Frage der Finanzierung hat die Bertelsmann Stiftung vier Modelle durchrechnen lassen.

Bundeszuschuss: Einführung eines Bundeszuschusses, der von 2020 bis 2050 von 2 Milliarden auf 5,8 Milliarden Euro steigt. Gleichzeitig erhöht sich der Beitragssatz auf bis zu 4,6 Prozent.

Pflegevorsorgefonds 3,5 Prozent: Zusätzlich zum Zuschuss aus Steuermitteln von zwei Milliarden erhöht sich der Beitrag umgehend auf 3,5 Prozent. Die dabei anfangs entstehenden Überschüsse fließen in den Vorsorgefonds. So bleibt der Beitragssatz bis 2040 stabil.

Pflegevorsorgefonds 4,0 Prozent: Zusätzlich zum Zuschuss aus Steuermitteln von zwei Milliarden erhöht sich der Beitrag umgehend auf 4,0 Prozent. Die dabei anfangs entstehenden Überschüsse fließen in den Vorsorgefonds. So bleibt der Beitragssatz sogar bis 2050 stabil.

Pflegevorsorgefonds 3,5 Prozent / BZ+: Aus Steuermitteln fließen bereits im kommenden Jahr 9,6 Milliarden Euro die bis 2050 auf 24,5 Milliarden Euro steigen. Gleichzeitig steigt der Beitragssatz auf 3,5 Prozent und wird bis 2050 eingefroren.
Die Bertelsmann Studie favorisiert in ihren Berechnungen das vierte Szenario eines bis 2050 festen Beitrages zur Pflegeversicherung von 3,5 Prozent. Zusätzlich schießt der Bund eine jährlich steigende Summe aus Steuermitteln zu. Ein Überschuss - gerade in der Anfangszeit - soll dem bereits existierenden Pflegevorsorgefonds zugeführt werden.

Ein Zuschuss aus Steuermitteln hätte nach Ansicht der Bertelsmann Studie zudem den Charme, dass nicht nur die Beitragszahler entlastet, sondern auch Besserverdienende oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze mit herangezogen würden. "Unabhängig davon müssen wir uns bei der Pflege- wie bei der Krankenversicherung fragen, ob die Aufspaltung in ein gesetzliches und privates Versicherungssystem noch zeitgemäß ist", sagt Mohn.

Das favorisierte Modell bietet den Angaben zufolge zudem eine deutliche und vor allem anhaltende Entlastung der jüngeren Generationen. Über die komplette Zeit der Beitragszahlung ergibt sich eine Ersparnis von rund 2500 Euro im Vergleich zur ersten Variante mit einem Bundeszuschuss und langsam steigenden Beiträgen.

DAK will Eigenbeiträge begrenzen

Ein anderes Modell hatte vor gut einem Monat die DAK präsentiert. Sie hatte sich nicht mit den Beiträgen, sondern mit den Zuzahlungen im Fall der Pflegebedürftigkeit befasst. Der DAK-Plan sieht vor, zu Beginn den Anteil, den Pflegebedürftige selbst aufbringen müssen, bei durchschnittlich 450 Euro im Monat zu deckeln. Derzeit schwankt dieser sogenannte Eigenanteil je nach Bundesland erheblich. Eine Kommission soll die künftigen Eigenbeiträge für jedes Bundesland einzeln festlegen. Doch auch hier soll sich der Staat an der Finanzierung der Leistungen mit einem Steuerzuschuss beteiligen. Angefangen mit 1 Milliarde Euro würde dieser bis 2045 den Berechnungen zufolge auf 18,3 Milliarden Euro steigen.

Derzeit finanziert sich die Pflegeversicherung allein aus Beitragseinnahmen. Seit Jahresbeginn liegt der Beitrag bei 3,05 sowie bei 3,3 Prozent für Kinderlose. Diesen teilen sich in den meisten Fällen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Als fünfte Säule der Sozialversicherungen ist die Pflegeversicherung bei den Krankenkassen angedockt und gehört seit 1995 zu den Pflichtversicherungen. Die Leistungen aus der Versicherung richten sich nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit, der Dauer der Pflege sowie der Wahl der Pflegeart.

Ende 2018 waren nach Angaben des Gesundheitsministeriums 72,8 Millionen Menschen in der Pflegeversicherung versichert. Hinzu kamen mehr als 9,2 Millionen Menschen bei privaten Pflegeversicherungen.

Quelle: n-tv.de


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