Russland reaktiviert legendäre Garde-Panzerarmee

  10 Februar 2016    Gelesen: 1142
Russland reaktiviert legendäre Garde-Panzerarmee
Die 1. Garde-Panzerarmee wurde im Zweiten Weltkrieg gegründet, fuhr bis Berlin, war in der DDR stationiert und 1998 aufgelöst worden. Jetzt entstand sie nahe Moskau neu, zur Sicherung nach Westen.
Wenn das kein Wiedersehen mit der Geschichte ist: Wie das russische Verteidigungsministerium in Moskau bekanntgab sei die Reaktivierung der 1. Garde-Panzerarmee im Westlichen Militärdistrikt (WMD) des Landes abgeschlossen. Dies wurde dieser Tage bei einer Besprechung von Offizieren mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu bekannt, bei der auch erwähnt wurde, diese Armee sei Teil der neuen schnellen Reaktionskräfte.

Der gepanzerte Großverband war nach dem Zweiten Weltkrieg als Teileinheit der sowjetischen Truppen in Ostdeutschland stationiert gewesen. Nach dem Ende der UdSSR wurde er zurück nach Westrussland verlegt und 1998 aufgelöst. 2014 hatte die Neuaufstellung begonnen.

Einige der besten Verbände

Bisher wurden nicht alle Details bekannt. Das Hauptquartier der Garde-Panzerarmee befinde sich in Odinzowo an der westlichen Stadtgrenze Moskaus. Unterstellt sind im Kern die 4. Garde-Panzerdivision "Kantemirowskaja" (Hauptquartier: Naro-Fominsk nahe Moskau), die 2. motorisierte Garde-Schützendivision "Tamanskaja" (HQ: Moskau) und je eine Panzer- und Infanteriebrigade; dazu armeeunmittelbare Truppen etwa der Artillerie, Luftabwehr, Pioniere und Aufklärer.

Die beiden Divisionen gehören zu den besten Verbänden der russischen Armee. Laut Verteidigungsministerium bestehen ihre Panzerverbände im wesentlichen aus T-80 und T-72B3; Letztere sind seit 2010 hergestellte, wesentlich im Kampfwert gesteigerte Varianten des an sich etwas angejahrten T-72.

Konkrete Material- und Mannschaftszahlen wurden auch nicht genannt. Eine russische Panzerarmee zählt laut Militärexperten aber etwa 500 Kampfpanzer - bzw. zählte: Der neue Großverband ist nämlich seit langer Zeit der erste, der "Panzer" im Titel führt, die übrigen zehn Armeen der russischen Landstreitkräfte tun das nicht.

Die Kantemirowskaja-Panzerdivision zählte gegen 2010 allein etwa 300 Panzer, 300 Schützenpanzer der BMP-Serie, 140 Panzerhaubitzen und Raketenwerfer sowie etwa 13.000 Mann; sie war seither zwischenzeitlich ebenfalls aufgelöst und auf Brigaden verteilt. Zählt man die als Schützendivision anders struktierte Tamanskaja sowie die Brigaden hinzu und rundet mit Unterstützungseinheiten auf, wird man wohl auf 500 bis 600 Kampfpanzer, 600 bis 800 Schützenpanzer, 300 bis 400 Stück Feldartillerie/Werfer und 35.000 bis 50.000 Mann kommen.

"Mittel zur Abschreckung" gegen Westen

Im Westlichen Militärdistrikt, der von den Grenzen zur Ukraine, Weißrussland, den baltischen Staaten, Finnland und Norwegen Richtung Nordosten bis zum Ural und Arktischen Meer reicht, stehen aktuell zwei weitere Armeen (6. Armee, 20. Garde) mit Hauptquartieren nördlich von Sankt Petersburg und bei Woronesch in Südrussland, ferner drei Luftlande- bzw. Luftsturmdivisionen und mindestens ein Dutzend Brigaden bzw. Regimenter Spezialtruppen und Unterstützungseinheiten. Dazu kommen Einheiten der Ostseeflotte, Küstenverteidigung, Marineinfanterie, Luftverteidigung und Luftwaffe.

Schon im Vorjahr hatte ein russischer Militärexperte, der pensionierte Generalleutnant Juri Netkatschew, darauf hingewiesen, dass laut der aktuellen Militärdoktrin viele militärische Bedrohungen vom Westen ausgingen und es bis vor kurzem in der Richtung nicht genug russische Truppen gegeben habe. Der Westen solle die neue Armee nicht fürchten, sie sei "als Mittel zur Abschreckung nötig".

Und: "Wenn es in der Ukraine zu irreversiblen Vorgängen und möglicherweise ihrem Zerfall kommt, könnte ein Nato-Truppeneinmarsch in die Ukraine uns kalt erwischen." Daher brauche Russland diesen neuen Großverband.

Er ist übrigens nicht der einzige Neue: Nahe Woronesch (WMD) sowie in Tscheljabinsk im Ural nahe Kasachstan (Zentraler Militärdistrikt) sollen heuer zwei ganz neue Panzerdivisionen gegründet werden. In Letzterer werden, so hört man, die allerneuesten Kampfpanzer T-14 "Armata" eingeführt, die erst 2015 öffentlich vorgestellt worden waren. Moskau behauptet, sie seien jedem westlichen Modell überlegen; umgekehrt haben mehrere Nato-Länder wie Frankreich und Großbritannien tatsächlich bereits Kampfwertsteigerungen ihrer eigenen Panzer (Leclerc und Challenger 2) veranlasst oder in Planung.

Gründungsjahr 1942

Die 1. Garde-Panzerarmee setzt eine Tradition aus dem Zweiten Weltkrieg fort: Als "1. Panzerarmee" wurde sie im Sommer 1942 in Südrussland gegründet, aber von deutschen und mit diesen verbündeten Truppen zunächst weitgehend zerschlagen. Im Jänner 1943 entstand sie aus anderen Divisionen und Brigaden neu, nahm unter anderem an der gewaltigen Schlacht von Kursk (Sommer 1943) teil und wurde im Frühjahr 1944 mit dem Titel "Garde" geehrt.

Aufgefrischt brachte sie in der Regel 500 bis 800 Kampfpanzer und Sturmgeschütze ins Feld. 1944/1945 rückte sie über Polen bis Berlin vor und nahm dort an der Endschlacht gegen das Deutsche Reich teil.

Als Garnison in der DDR bestand sie letztlich in den 1980ern im Kern aus zwei Panzer- und einer motorisierten Schützendivision und mindestens acht unabhängigen Regimentern. Hauptquartier war Dresden, sie nahm 1968 an der Invasion in der Tschechoslowakei teil.

Die Sowjet-Streitkräfte in der DDR zählten 1991 noch etwa 340.000 Mann in fünf Armeen und einer Fliegerarmee, mit 4200 Panzern, 8200 gepanzerten Fahrzeugen, 3600 Geschützen, 690 Kampfflugzeugen und etwa gleich vielen Hubschraubern aller Art.

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