Die meisten deutschen Unternehmen versagen beim Klimaschutz

  20 Januar 2020    Gelesen: 785
Die meisten deutschen Unternehmen versagen beim Klimaschutz

Auch Großinvestoren interessieren sich zunehmend für Klimaschutz. Ein weltweites Ranking zeigt: Deutsche Unternehmen schneiden eher schlecht ab. Ändern könnte das die Politik.

Klimaschutz wird zunehmend zum Wettbewerbsvorteil: Unternehmen, Investmentfonds und Vermögensverwalter betonen immer häufiger ihre Klimafreundlichkeit - nicht nur um Kunden zu überzeugen, sondern auch Investoren. Die deutsche Industrie ist dabei im internationalen Vergleich eher schwach, nur neun Firmen bekommen die Bestnote der britischen Nichtregierungsorganisation CDP.

Die Organisation trägt Daten zu Transparenz und Klimaschutzmaßnahmen von weltweit mehr als 8000 Unternehmen zusammen und vergibt dafür eine Note zwischen A und D-. Die Gesamtliste veröffentlicht CDP bewusst am Tag vor Beginn des Weltwirtschaftsforums in Davos, dessen Agenda 2020 ebenfalls von der Klimakrise dominiert wird.

Die neun deutschen Firmen auf der A-Liste von CDP zeigen: Klimafreundliche Geschäftsmodelle sind nicht das einzige Kriterium. Die Topnote haben die Deutsche Bahn und die Telekom erreicht, aber auch Unternehmen, die viel CO2 ausstoßen, wie HeidelbergCement, Thyssenkrupp und TUI oder Chemiefirmen wie Lanxess und Bayer.

Der Grund dafür: Die Note setzt sich zusammen aus größtmöglicher Transparenz bei den veröffentlichten Daten und Klimaschutzmaßnahmen auch im Verhältnis zu den Konkurrenten. "Best in class" heißt der Ansatz, der Beste einer Branche gewinnt sozusagen. So verbrauchen beispielsweise Zementhersteller viel Energie und produzieren enorme Mengen CO2. CDP honoriert aber, wenn sich einer davon erreichbare, wissenschaftlich fundierte Ziele setzt, auf erneuerbare Energien umstellt und seine Lieferanten zur Reduktion von Emissionen bewegt.

Japanische Firmen stehen am besten da
Weltweit haben es nur 179 von mehr als 8000 untersuchten Unternehmen auf die A-Liste geschafft, darunter so bekannte Namen wie Microsoft, Nestlé, Sony, Unilever, Walmart, Danone, Lego, H&M oder L’Oréal. Sie verteilen sich auf insgesamt 22 Länder, die meisten mit A bewerteten Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Japan (38 Firmen), in den USA (35) und Frankreich (22). In Lateinamerika bekamen nur zwei brasilianische Unternehmen die Note A, in ganz Afrika war es ein einziges. Deutschland liegt in Europa als Standort mit neun Firmen hinter Frankreich und Großbritannien (mit zehn A-Liste-Unternehmen) auf dem dritten Platz.

Das schlechte Abschneiden des vermeintlichen Klimamusterschülers Deutschland hat nach Meinung von Steven Tebbe, Europa-Geschäftsführer von CDP, zwei Gründe. Im Gespräch mit dem SPIEGEL sagt er: "In Deutschland wird noch vergleichsweise viel produziert, in Großbritannien ist der Dienstleistungssektor größer", der unter anderem weniger CO2 ausstoße. Wichtiger aber sei staatliche Regulierung: "Frankreich verpflichtet Investoren per Gesetz dazu, über die Klimarisiken ihrer Geschäfte zu berichten". In Japan gelten Tebbe zufolge ähnlich strenge Leitlinien, in den meisten Ländern fehlten die aber - auch in Deutschland.

Investoren fordern besseren Klimaschutz
Dabei sind es gerade die Investoren, die Transparenz verlangen und auf Klimaschutz setzen, sagt Tebbe: "Mehr als 525 institutionelle Investoren haben CDP ein Mandat gegeben, diese Daten zusammenzutragen, sie verwalten einen Vermögenswert von 96 Billionen Dollar". Und die Nachfrage steigt, erst in der vergangenen Woche hat der Chef der mächtigen Investmentfirma Blackrock einen Brandbrief an weltweit führende Konzerne geschrieben und mehr Klimaschutz verlangt.

Ein Unternehmen, das seine Daten nicht herausgibt, wird von CDP mit einem F, wie "fail" oder "ungenügend" bewertet – mit schwerwiegenden Folgen. Pensionskassen und andere Großinvestoren wie Amundi in Frankreich schätzen so eine Firma dann als Risiko ein und ziehen möglicherweise ihre Gelder ab. Klimaschädliches Wirtschaften wird gerade für Konzerne auch deshalb immer mehr auch zu einem finanziellen Risiko.

Umgekehrt stehen die von CDP als gut bewerteten Firmen an der Börse gut da – sie schnitten um 5,5 Prozent pro Jahr besser ab als der Durchschnitt vergleichbarer Unternehmen. Kein Wunder, sagt Tebbe, denn den vorbildlichen Firmen gehöre die Zukunft: "In der heutigen Wirtschaft sorgt eine führende Stellung beim Klimaschutz für gutes Geschäft – in der Wirtschaft von morgen wird sie ausschlaggebend für das Geschäft sein."

Tebbe räumt ein, dass es keinen eindeutigen Zusammenhang von Klimaschutz und Aktienkurs gibt, sagt aber: "Die A-Firmen sind einfach besser geführt, sie verstehen ihre Risiken besser, kennen ihre Lieferketten und die Veränderungen der Rahmenbedingungen, deshalb sind sie auch erfolgreicher."

Insgesamt aber, auch das zeigt die Veröffentlichung, ist noch viel zu tun. Die Durchschnittsbewertung im CDP-Ranking ist D.

spiegel


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