Österreich streitet über Flüchtlings-Rollenspiel

  25 Januar 2020    Gelesen: 810
Österreich streitet über Flüchtlings-Rollenspiel

Für ein Schulprojekt sollten Kinder und Jugendliche in Wien die Erfahrungen von Geflüchteten nacherleben. Das Bildungsministerium stoppten die Übung - die Macher können die Kritik nicht nachvollziehen.

Ein Flüchtlings-Rollenspiel an einer Wiener Schule hat in Österreich landesweit für Schlagzeilen gesorgt. Das Bildungsministerium in Österreich hat das Projekt "mit sofortiger Wirkung" gestoppt und eine Untersuchung eingeleitet. Die Schüler seien "verängstigt" worden, sagte Bildungsminister Heinz Faßmann. Der Bildungspolitiker ist parteilos, sitzt aber für die konservative ÖVP im Kabinett von Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Bei dem Rollenspiel anlässlich des Projekttages "Migration erleben" wurden am Dienstag rund 450 Schülerinnen und Schüler wie Flüchtlinge behandelt, um sich mit dem Thema Migration auseinanderzusetzen. Nur die ersten Klassen waren nicht beteiligt.

Zum Workshop gehörten "Grenzkontrollen, Warteschlangen, Befragungen durch Grenzbeamte, Willkür und absurde Tests", heißt es auf der Webseite des Theaters. "Wir wollten den Schülern und Schülerinnen spielerisch zeigen, was Flüchtlinge bei der Asylsuche erwarten müssen und was es heißt, in ein fremdes Land zu kommen, ohne die Sprache zu sprechen und die Gewohnheiten zu kennen", sagte Flo Staffelmayr vom Theaterverein "Ansicht", der das Projekt betreute, dem SPIEGEL.

Staffelmayr zufolge erhielten die Kinder und Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren am Eingang ihrer Schule einen vorübergehenden Pass für ein frei erfundenes Land sowie eine "Spielanleitung". Anschließend mussten sie mehrere Stationen durchlaufen: Sie sollten ein Quiz lösen, den ausgedachten Nationaltanz des Landes lernen, den frei erfundenen Nationalsport ausüben oder die eigens für den Workshop gedichtete Nationalhymne singen, die mit den Worten: "Wir preisen das Waffeleisen" begann.

Von Schülern konzipiert
Die Übungen seien von 26 Schülerinnen und Schülern über einen Zeitraum von drei Monaten konzipiert worden, sagt Theatermann Staffelmayr. Der Rest der Schülerschaft sei nicht eingeweiht gewesen, um den Überraschungseffekt zu vergrößern. "Wir wollten den Schülern und Schülerinnen spielerisch zeigen, was Flüchtlinge bei der Asylsuche erwarten müssen und was es heißt, in ein fremdes Land zu kommen, ohne die Sprache zu sprechen und die Gewohnheiten zu kennen", so Staffelmayr.
Am Ende des Projekttages hätten alle Schüler und Schülerinnen gemeinsam die erfundene Hymne gesungen und den erdachten Tanz getanzt - und anschließend ein bis zwei Stunden in ihren Klassen darüber geredet, wie es ihnen während des Workshops ergangen sei. Rund 30 Pädagogen und Pädagoginnen seien den ganzen Tag anwesend gewesen, sagte Staffelmayr. Die Schüler und Schülerinnen hätten jederzeit aussteigen können. Kindern mit Fluchterfahrung habe man bereits im Vorhinein freigestellt, ob sie an diesem Tag in die Schule kommen möchten.

"Grenze überschritten"
Bildungsminister Heinz Faßmann zeigte dafür wenig Verständnis: "Hier scheint eine Grenze überschritten worden zu sein", wurde er in einer Pressemitteilung zitiert. „Schüler und Schülerinnen zu verängstigen ist kein pädagogisches Konzept". Die Wiener Bildungsdirektion kritisierte, dass die Eltern nicht ausreichend über die Übung informiert worden seien. Außerdem halte man das Projekt bei Unterstufenschülern für "pädagogisch problematisch" - vor allem, weil sie nicht darauf vorbereitet gewesen seien.

Projektleiter Staffelmayr kann die Kritik nicht nachvollziehen: "Die Kinder und Jugendlichen waren voller Begeisterung, auch von Lehrern und Eltern habe ich viele positive Rückmeldungen erhalten. Den Tadel aus dem Ministerium tat er als "politisch motiviert" ab. Auch einer der Schüler, der die Übungen konzipiert hatte, sagte dem österreichischen "Standard", er habe in seiner Schule große Zustimmung für das Projekt wahrgenommen. Schülervertreter verteidigten die Übungen ebenfalls und gaben an, dass das Wohlergehen der Schüler an dem Tag an oberster Stelle gestanden habe.

  spiegel


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