Die "stärkste Liga" verzwergt sich selbst

  16 Februar 2020    Gelesen: 599
  Die "stärkste Liga" verzwergt sich selbst

Bis 2020 wollte die Basketball-Bundesliga die "stärkste Liga Europas" werden. Nun aber übergeht sie eigene Vorgaben, um ihr Pokalfinale in Berlin auszutragen. Das Theater um Spielort und die späte Startzeit ist nicht der einzige Grund, dass die große Vision weiter Wunschdenken bleibt.

Zwar lässt sich aus einem Ausschnitt selten auf das ganze Bild schließen. Aber dass die Basketball-Bundesliga vor ihrem Pokalfinale das Heimrecht einer Mannschaft zulost, die am Tag des Endspiels ohne eine Halle dasteht - das ist bestenfalls eine lustige Anekdote und schlimmstenfalls besorgniserregend. Dabei hatte die BBL, die sowohl Ligabetrieb als auch Pokalwettbewerb verantwortet, eine klare Vorgabe gemacht. "Alle vier Halbfinalisten waren aufgefordert, der Liga eine Heimspiel-Lösung zu präsentieren. Drei Klubs haben das getan, Berlin sucht noch nach einer Lösung." So ließ sich Hermann Schüller, geschäftsführender Gesellschafter der EWE Baskets Oldenburg, zitieren. In einer klubeigenen Mitteilung, nachdem feststand, dass Alba Berlin das Endspiel gegen Oldenburg ausrichten würde.

Mitte Januar stand die Paarung und das Heimrecht zwar fest. Doch es war offen, wo und wann eben dieses Endspiel ausgetragen würde. Was zu einer Lösung führte, bei der die BBL ihre eigenen Regeln missachtete. Denn nun ist zwar fix, dass Alba Berlin und die EWE Baskets Oldenburg an diesem Sonntag ab 20.30 Uhr (live im Stream bei Magentasport) den Pokalsieger ermitteln. Weil nur dann die Heimstätte der Berliner zur Verfügung steht. Damit weicht die BBL von ihrem eigentlichen Termin am Sonntagnachmittag ab: Seit 2011 wurde Endspiel immer frühestens um 14 Uhr und nie später als 16.45 Uhr angepfiffen.

BBL-Geschäftsführer Dr. Stefan Holz sagte deshalb selbstkritisch, "dass das Auslosen des Heimrechts fünf Wochen vor dem Finale nicht der Weisheit letzter Schluss ist". Es ist nur ein Ausschnitt, aber der lässt eben ein Gesamtbild vermuten. Und das wird der BBL-eigenen Vision, im Jahr 2020 die "stärkste Liga in Europa" zu sein, nicht gerecht. Zumal der Termin nur dank des kurzfristigen Entgegenkommens der Deutschen Eishockey Liga möglich wurde, die das Spitzenspiel zwischen den Eisbären Berlin und Adler Mannheim in der Mercedes-Benz-Arena nach vorne verlegte. Das bedeutet für die Mitarbeiter der Halle Schwerstarbeit: Statt wie gewohnt über Nacht die Spielfläche, Tribünen und Funktionsräume von Eishockey auf Basketball umzubauen, bleiben dafür diesmal nur wenige Stunden.

Aus dem Protest entsteht eine große Reisegruppe

Auch für Auswärtsfans ist der Spielbeginn so kurz vor Wochenend-Ende eine wenig attraktive Zeit. Oder wie Schüller sagte: "Diese Entscheidung ist ein Schlag ins Gesicht unserer Fans." Weshalb die Oldenburger zunächst protestierten und schließlich mithilfe ihrer Sponsoren einen finanziellen Zuschuss für die Finaltickets beschlossen und auch eine kostenfreie Hin- und Rückreise möglich machten. Denn die Gäste befürchteten, dass sich angesichts der widrigen Umstände deutlich weniger Fans auf die rund 450 Kilometer lange Reise in die Hauptstadt machen, als es bei einem Spielbeginn am Nachmittag der Fall gewesen wäre. Dabei geht es für die Niedersachsen nach der Meisterschaft 2009 und dem Pokalsieg 2015 um den dritten großen Titel der Klubgeschichte. Mit beiden Erfolgen eng verknüpft ist der Name Rickey Paulding, der mittlerweile 37-Jährige spielt seine 13. Saison  für die Donnervögel und hat seinen Platz in der Historie der BBL längst sicher.

Die Trophäe des Pokalsiegers erhielt Paulding vor knapp fünf Jahren übrigens aus den Händen von Jan Pommer. Der hatte als Geschäftsführer der BBL das höchst ambitionierte Ziel "Stärkste Liga Europas" bereits im November 2011 formuliert. Höchst ambitioniert deshalb, weil es bedeutete, zu den Ligen in Spanien, Russland, Griechenland und der Türkei mindestens aufschließen zu wollen, diese großen Vier vielleicht sogar zu überholen. 2015 trat der nicht unumstrittene Pommer überraschend zurück, inzwischen ist er Geschäftsführer beim "Direktorium für Vollblutzucht und Rennen", also im Pferdesport aktiv. Damals wie heute wechselten die besten Spieler, die es nicht in die NBA schaffen, bevorzugt nach Moskau, nach Madrid oder Barcelona, nach Istanbul, Piräus oder Athen.

Moskau und Madrid statt München und Berlin

Nicht nach Berlin, auch nicht zum FC Bayern München, dem Meister der beiden Vorjahre. Auch nicht nach Bamberg, das von 2010 bis 2017 sieben von acht BBL-Titeln holte. Und so spielen die deutschen Klubs in der Euroleague, dem wichtigsten europäischen Wettbewerb, in den entscheidenden Phasen keine Rolle. Dort dominieren die großen Vier: Seit 2006 setzte sich nur ein einziges Mal ein Team durch, das nicht aus Spanien, Russland, Griechenland oder der Türkei stammt: Maccabi Tel Aviv in der Saison 2013/2014. Ein deutscher Klub ist in der Siegerliste nicht zu finden.

Dabei wäre ein solcher Eintrag die logische Folge, zumindest mittelfristig. Wer zu den stärksten Ligen Europas gehören möchte, sollte auch im Kampf um den prestigeträchtigsten Titel mitreden. Doch im Kampf um die Euroleague-Playoffs sind sowohl der deutsche Meister FC Bayern als auch Vizemeister Alba Berlin chancenlos. Die Münchner hatten vor Saisonbeginn mit der Verpflichtung von Ex-NBA-Profi Greg Monroe zwar ihr finanzielles Potenzial gezeigt, sind jedoch nach rund zwei Dritteln der Saison mit nur sieben Siegen aus 24 Spielen Letzter. Die weniger finanzkräftigen Berliner haben zwar nur einen Erfolg mehr eingefahren, sind als 16. aber auch weit von den acht Playoff-Rängen entfernt.

Wie groß der Abstand zur europäischen Spitze auch 2020 noch ist, verdeutlichte vor wenigen Tagen Zoran Dragic. Der war bis dahin mit 19,9 Punkten pro Spiel bester Scorer der Bundesliga, entschied sich dann aber, seinen Klub Ratiopharm Ulm zu verlassen. Weil ihn das spanische Euroleague-Team Kirolbet Baskonia Vitoria-Gasteiz lockte. Dragics Abgang ist jedoch kein Einzelfall. Zahlreiche BBL-Profis lassen sich Optionen zusichern, bei Angeboten aus der Euroleague wechseln zu dürfen. Dass ein Top-Spieler den umgekehrten Weg geht, ist derzeit nahezu undenkbar. Was auch dafür spricht, dass das Label "stärkste Liga Europas" noch außer Reichweite ist. Für die europäischen Ambitionen der BBL spielt der Pokal aber ohnehin eine unbedeutende Rolle - anders als im Fußball erhält der Pokalsieger kein internationales Startrecht.

Quelle: ntv.de


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