EU-Haushaltsgipfel endet wohl ohne Einigung

  20 Februar 2020    Gelesen: 937
EU-Haushaltsgipfel endet wohl ohne Einigung

Vor dem EU-Sondergipfel zum Haushalt der nächsten sieben Jahre gibt es keine Anzeichen für einen schnellen Durchbruch - zu gegensätzlich sind die Positionen der Mitgliedstaaten. Kanzlerin Merkel erwartet "sehr harte Verhandlungen". Auch ihre Verhandlungsposition steht in der Kritik.

Im Streit über die EU-Finanzen der nächsten sieben Jahre haben sich die Fronten vor dem europäischen Sondergipfel noch einmal verhärtet. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich skeptisch, ob die 27 Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu einer Einigung kommen. "Wir finden, dass unsere Belange an vielen Stellen noch nicht ausreichend berücksichtigt sind, und so sehe ich sehr harte und schwierige Verhandlungen vor uns", sagte Merkel in Berlin. Die Beratungen beginnen an diesem Donnerstag, das Ende ist offen.


Aus den Mitgliedsländern kamen völlig unterschiedliche Signale dazu, welche Wünsche der Vorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel für den Haushalt der Jahre 2021 bis 2027 erfüllen soll. Michel erklärte, Warten mache die Dinge nicht einfacher. "Unser Wohlstand, unsere Lebensqualität und die Zukunft unserer nächsten Generationen stehen auf dem Spiel", twitterte er.

Frankreich verlangt höhere Ausgaben für die Landwirtschaft und die Verteidigung. Beitragsrabatte für einzelne Länder müssten komplett abgeschafft werden. Die Niederlande bestehen hingegen auf Rabatten und wollen das EU-Budget insgesamt auf 1,0 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung begrenzen. Michel hatte am Freitag 1,074 Prozent vorgeschlagen. Luxemburg ist das zu wenig. Das Europäische Parlament, das über den Haushalt mitbestimmt, bekräftigte seine Forderung nach 1,3 Prozent. Anders seien Europas Ziele nicht zu erreichen.

Oettinger kritisiert deutsche Verhandlungsposition

Merkel sagte, Deutschland habe ein Interesse an einer Einigung noch vor der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr. "Ich denke, dass es die Sache wert ist, den Versuch zu unternehmen", sagte die Kanzlerin. "Trotzdem muss die Finanzbilanz stimmen." Die Kanzlerin rechnete vor, dass wegen des Austritts Großbritanniens aus der EU selbst 1,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die EU-Kasse für Deutschland Mehrausgaben von 10 Milliarden Euro auf dann 38 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten würde.

Der frühere EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger kritisierte die deutsche Verhandlungsposition. 1,0 Prozent sei "schlichtweg zu wenig", um die durch den Brexit entstandene Haushaltslücke zu schließen und gleichzeitig Zukunftsaufgaben wie den Klimaschutz zu bewältigen. "Ich rechne nicht damit, dass es beim Gipfel am Donnerstag und Freitag zu einem Durchbruch kommen wird", sagte Oettinger dem "Tagesspiegel". Die Ausgangspositionen zwischen den EU-Staaten seien "immer noch sehr weit voneinander entfernt".

Die Niederlande und Dänemark gehen mit engen Vorgaben in die Verhandlungen: Ihre Ministerpräsidenten Mark Rutte und Mette Frederiksen dürfen nach dem Willen beider Parlamente keinem Kompromiss zustimmen, der einen Beitrag von mehr als 1,0 Prozent der Wirtschaftsleistung vorsieht. Zudem soll Frederiksen mit einem Veto für den gesamten Haushalt drohen, wenn der dänische Rabatt von einer Milliarde Kronen (134 Millionen Euro) angetastet wird.

"Komplexer und schwieriger Gipfel"

Frankreich reichen die 329,3 Milliarden Euro nicht, die Michels Vorschlag für die Landwirtschaft vorsieht. Eine größere Zahl ärmerer Länder findet vorgesehene Kürzungen in der Kohäsionspolitik, die wirtschaftlich schwächeren Regionen helfen soll, inakzeptabel. Die Niederlande wollen unter anderem auf diesen beiden Gebieten, den größten im EU-Haushalt, weitere 70 bis 80 Millionen Euro kürzen.

Italiens Premierminister Giuseppe Conte richtete sich wie Merkel auf einen "komplexen und schwierigen" Gipfel ein. Conte sagte Streit auch über bestimmte Aspekte der geplanten Verteidigungsausgaben voraus. Michel sieht eine Steigerung dieser Mittel um mehr als 600 Prozent auf gut 14 Milliarden Euro vor. Frankreich ist dieser Zuwachs zu wenig - die EU brauche mehr Geld, wenn sie Synergien etwa bei der Beschaffung neuer Waffensysteme schaffen wolle. Michels Vorschlag soll die EU-Kasse für die neue Finanzperiode mit 1,0948 Billionen Euro füllen.

Das reicht nach Auffassung des Parlaments aber nicht für alle europäischen Zukunftspläne aus. Die Mitgliedstaaten wollten Forschung, Solidarität, Hilfe für die ärmsten Regionen, Erasmus-Programme, Grenzschutz und ein geopolitisches Europa - "das gibt es nicht mit diesem Budget", sagte der Abgeordnete José Manuel Fernandes für den Haushaltsausschuss des Parlaments, das dem Budget am Ende zustimmen muss.

ntv


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