Abermals Ärger mit Amerika
Ob die YPG zuvor türkische Positionen attackierte, wie dies einige Quellen suggerieren, ist unklar. Vergangene Woche hatten kurdische Verbände den Militärflughafen Menagh unweit der Stadt Azaz unter ihre Kontrolle gebracht. Anscheinend lieferte die russische Luftwaffe Rückendeckung. Der Stützpunkt liegt zwischen Kilis und der heftig umkämpften Metropole Aleppo , lediglich 20 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt und somit an der Nachschublinie für Rebellen, die Ankara unterstützt.
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu verlangt von der YPG, sich aus der Gegend zurückzuziehen. Ankara betrachtet die mit der bewaffneten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) liierte YPG als Terrororganisation. Ein Spitzenfunktionär des politischen Arms der YPG, die sich im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) profiliert und mit Amerika kooperiert, wies die Forderung Davutoglus zurück. Man wolle den Stützpunkt weder der islamistischen Nusra-Front noch dem syrischen Regime überlassen.
Während Damaskus die Militäraktion der Türken erwartungsgemäss scharf verurteilte, sahen sich auch Paris und Washington veranlasst , ihren Allianzpartner daran zu erinnern, dass der gemeinsame Feind eigentlich IS heissen müsse. Gleichwohl rief das State Department die YPG auf, davon abzusehen, zusätzliches Territorium zu erobern. Der Militärflughafen Menagh befand sich zuvor in den Händen der Freien Syrischen Armee, die Ankara nahesteht. Aus Optik der Türken hat das Verhindern eines kurdischen De-facto-Staats vor der eigenen Haustür offenkundig Vorrang. Die hartnäckige Weigerung Amerikas, die YPG mit dem Terror-Label zu ächten, stachelte Präsident Recep Tayyip Erdogan zu zornigen Tiraden gegen die westliche Grossmacht an.
Saudi verlegen Kampfjets
Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu nährte zudem die Spekulationen über einen möglichen Einsatz von Bodentruppen. Fall es eine gemeinsame Strategie gegen den IS gebe, könnten die Türkei und Saudiarabien eine Offensive lancieren, sagte der Minister den regierungsnahen Zeitungen «Yeni Safkak» und «Haber». Präsident Erdogan soll laut lokalen Presseberichten einem Einmarsch nicht abgeneigt sein. Im Gegensatz dazu werden auf anonymer Basis hochrangige Militärs zitiert, die ein solches Unterfangen wegen der unkalkulierbaren Risiken ablehnen.
Nicht ins Reich der Spekulation gehört indes das stärkere militärische Engagement Saudiarabiens. Das Königreich verlegte laut dem Sender al-Arabiya Kampfjets auf die türkische Basis Incirlik. Noch am Samstag hatte der türkische Aussenminister Cavusoglu bloss gesagt, es würden Vorbereitungen für eine Entsendung getroffen. Saudische Kampfflugzeuge waren schon bisher an Missionen gegen IS-Ziele beteiligt. Angesichts der jüngsten Gefechte würde es erstaunen, wenn innerhalb einer Woche eine Feuerpause erreicht würde. Am Freitag hatten der amerikanische Aussenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergei Lawrow versprochen, sich dafür einzusetzen.
Ein Indiz für die unablässig steigende Opferzahl unter der Zivilbevölkerung sind die Ambulanzen, die am syrisch-türkischen Grenzübergang bei Kilis aus dem Kriegsgebiet eintreffen. Nur Verletzten wird die Einreise in die Türkei erlaubt. Gegen 100 000 Vertriebene stecken im Grenzstreifen fest. Und selbst für die Verwundeten könnte die Lage bald kritisch werden. Hilfsorganisationen in Kilis warnen vor Engpässen in türkischen Spitälern.
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