Russland und Türkei ignorieren Feuerpause
Damit solle sichergestellt werden, dass die jüngste Abmachung auch umgesetzt wird, hiess es nach russischen Angaben. Allerdings rückten am Wochenende syrische Regierungstruppen mit russischer Luftunterstützung weiter auf die teils von Rebellen gehaltene nordsyrische Metropole Aleppo vor.
Moderate Opposition ausschalten
Der Westen wirft der Regierung in Moskau vor, unter dem Deckmantel des Kampfes gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vor allem die moderate Opposition in Syrien auszuschalten. Damit solle die Führung in Damaskus stabilisiert und dem Westen nur noch die Wahl zwischen Machthaber Baschar al-Assad und den sunnitischen Mörderbanden vom sogenannten Islamischen Staat gelassen werden.
Parallel zum Machtkampf zwischen Regierung und Rebellen hat der IS weite Teile Syriens erobert. Die USA führen eine Koalition an, die mit Luftangriffen gegen das IS-Terrorregime vorgeht.
US-Aussenminister John Kerry verlangte von Russland, Luftangriffe auf die gemässigte Opposition einzustellen. Ähnlich äusserte sich der französische Ministerpräsident Manuel Valls.
Lawrow zweifelt an Vereinbarung
Doch Russland signalisierte, weiter auch die gemässigte Opposition ins Visier nehmen zu wollen. Das Moskauer Präsidialamt erklärte nach dem Gespräch Putins mit Obama, Russland werde seine Luftangriffe gegen den IS sowie «andere terroristische Organisationen» fortsetzen. Damit wird auf moderatere Rebellen Bezug genommen.
Der russische Aussenminister Sergej Lawrow hatte zuvor schon offen Zweifel an der Münchner Vereinbarung geäussert, an der er mitgearbeitet hatte.
«Ich bin jetzt nicht mehr so ganz sicher, ob dieses Treffen hier in München wirklich so erfolgreich war - insbesondere, was dieses Dokument zur Waffenruhe angeht», sagte er. Offensichtlich gehe es hauptsächlich darum, die russischen Luftangriffe zu beenden.
Aleppo vor Einnahme
Nach Darstellung der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte flogen russische Kampfjets auch am Wochenende Angriffe auf Rebellen-Orte rund um Aleppo, während Assads Soldaten nach eigenen Angaben weiter auf die Millionenstadt im Norden vorrückten.
Eine Einnahme ganz Aleppos durch das syrische Regime wäre ein schwerer Rückschlag für die Aufständischen. Oppositionschef Rijad Hidschab forderte die USA daher zur Militärhilfe beim Sturz von Assad auf.
Am Wochenende trieben syrische Regierungstruppen auch ihre Rückeroberungsoffensive gegen die IS-Hochburg Rakka voran.
Türkei bombardiert Kurden in Nordsyrien
Am Sonntag beschoss die türkische Armee den zweiten Tag in Folge Stellungen einer Kurden-Miliz im Norden Syriens. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu forderte, die Kurden-Miliz YPG solle sich aus dem Gebiet zurückziehen, das sie kürzlich erobert habe. Es liegt in einem von Rebellen kontrollierten Korridor, der von Aleppo bis zur türkischen Grenze reicht.
Trotz internationaler Appelle will die Türkei ihre Angriffe fortsetzen. Das kündigte Davutoglu in einem Telefongespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Demnach sagte er, die Türkei werde es nicht zulassen, dass die kurdische Partei Demokratische Union (PYD) aggressiv vorgehe.
Davutoglu warnte Merkel vor einer neuen «neuen Welle hunderttausender Flüchtlinge» aus Syrien aufgrund des Vormarsches kurdischer Kämpfer. «Unsere Sicherheitskräfte haben die notwendige Antwort gegeben und werden dies weiter tun», sagte Davutoglu demnach zu Merkel.
Kurdische Kämpfer seien vorgerückt
Die USA und Frankreich haben die Türkei aufgerufen, die Angriffe auf kurdische Stellungen in Nordsyrien zu beenden. Die PYD und ihr bewaffneter Arm, die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), kontrollieren grosse Teile der kurdischen Siedlungsgebiete im Norden Syriens.
Für Ankara ist die YPG ein Ableger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die in der Türkei gegen den Staat und für mehr Autonomierechte der Kurden kämpft. Für die westlichen Staaten hingegen sind die kurdischen Milizen in Syrien wichtige Verbündete im Kampf gegen die Dschihadisten-Miliz Islamischer Staat (IS). Washington unterstützt die PYD und die YPG militärisch.
Davutoglu sagte nun zu Merkel, dass die kurdischen Kämpfer in Syrien mit russischer Unterstützung vorgerückt seien. Ziel sei es, «hunderttausende syrischer Zivilisten» in der Grenzregion in die Flucht zu treiben und eine «neue humanitäre Krise» auszulösen, die nicht nur die Türkei, sondern auch die EU betreffen würde.