Das Coronavirus „trifft die deutsche Wirtschaft zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, denn die deutsche Wirtschaft lahmt schon“, sagte der DIW-Präsident Marcel Fratzscher dem TV-Sender „n-tv“ am Mittwoch. „Börsen schmieren ab, Gold erzielt Kursrekorde“, meldete die österreichische Zeitung „Der Standard“ vor wenigen Tagen. Die Börsennachrichten der ARD meldeten jüngst: „Der Goldpreis nimmt Kurs auf die 1700 Dollar“. Dies bedeute den höchsten Stand seit sieben Jahren.
Aktuell steht Gold je Feinunze bei über 1650 US-Dollar. Gold sei „der Rettungsanker“, so die „Wirtschaftswoche (WiWo)“: „Angesichts der drastischen Verluste am Aktienmarkt wegen des Coronavirus zeigt sich, wie wichtig das Edelmetall für ein Portfolio im Ernstfall ist.“ Der Virus „lässt Märkte dramatisch fallen“, so weitere Meldungen. Allein der deutsche Aktienindex DAX „sackte zu Wochenbeginn massiv ab“.
„Wahrer Grund für Gold-Hoch: Völlig überschuldete Staaten“ – Experte
Sputnik hat daher bei zwei erfahrenen Goldmarkt-Experten nachgehakt, ob das aktuell grassierende Virus tatsächlich für das momentane Preishoch beim Gold verantwortlich ist und ob Corona bzw. Covid-19 der Weltwirtschaft nachhaltig schaden kann. Genau das vermuten manche Wirtschaftsfachleute. Schließlich wütet der Erreger vor allem in der neuen Wirtschaftsmacht China, die als Zulieferer – auch für viele deutsche Firmen – wirtschaftlich von strategischer Bedeutung ist. Lieferketten und Zulieferer könnten vom Virus langfristig schwer getroffen werden, so Warnungen.
„Die Weltwirtschaft befindet sich in einer ziemlich eklatanten Überschuldungsphase“, stellte Goldmarkt-Experte Dimitri Speck zu Beginn im Sputnik-Interview klar. Die Überschuldung, vor allem der Staaten und Zentralbanken, sei bereits seit vielen Jahren auf einem äußerst beunruhigenden Stand, warnte der Markt-Analytiker bereits in vielen früheren Sputnik-Gesprächen. Nun sei das weltweit grassierende Coronavirus nur ein weiterer negativer Faktor für die taumelnde Wirtschaft der Welt.
Werden Aktien- und Immobilien-Blasen jetzt „angestochen“?
„Die Überschuldung hängt mit den Staatskrediten zusammen“, betonte der Edelmetall-Fachmann. „Das ist meines Erachtens der Hauptgrund. Das sorgt nicht nur für die Ausweitung der Spanne zwischen Arm und Reich, sondern grundsätzlich auch dafür, dass der Staat die höchste Bonität hat. Und so wird das Schuldenniveau immer weiter angehoben.“
„Meine These ist“, so Gold-Insider Speck: „Alles, was damit zusammenhängt – also die Blasen an den Finanz-, Aktien- und Immobilienmärkten – wird dann ‚angestochen‘ (angegriffen, Anm. d. Red.), wenn es zu einer Rezession (einem Rückgang der Wirtschaftsleistung, Anm. d. Red.) kommt. Das ist der Klassiker. Eine Rezession reduziert die Gewinne der Unternehmen, gefährdet die Bank-Guthaben und Steuereinnahmen. Und jetzt kommt das Coronavirus erst in Spiel. Dieses Virus könnte genau diese Blase jetzt anstechen, es sieht danach aus.“ Da ohnehin zuvor aufgrund der fragilen Wirtschaftslage „eine Rezession sowohl in Asien als auch in Deutschland im Anmarsch war“, habe das Coronavirus diesen Prozess nun nur noch beschleunigt.
Das „isolierte China“ und mögliche Wirtschaftseinbrüche
„Der Hintergrund ist ganz einfach: Das Virus ist ein bisschen fies“, konstatierte der Finanz-Experte. „Es hat objektiv gesehen noch nicht so viele Menschenleben gefordert.“ Das Gefährliche an der Virus-Erkrankung sei jedoch die schnelle Ansteckungsgefahr und das erst relativ späte augenscheinliche Eintreten der Symptome bei Infizierten. Diese Krankheit könne „nur durch strikte Isolation eingedämmt werden. Das ist in China aktuell in einigen Provinzen gut sichtbar.“
Die Isolation auch wirtschaftlich wichtiger chinesischer Regionen „bedeutet, dass die Wirtschaft nur mit 30 bis 50 Prozent der Leistung fährt. Das ist natürlich eine knüppelharte Rezession, wenn das einige Monate andauern sollte.“ Falls sich das Virus massenhaft auch in Japan, Korea oder Italien ausbreiten sollte, würde das die dortigen Wirtschaftsstandorte massiv treffen, warnte der Goldmarkt-Analytiker.
„In der Tat ist es realwirtschaftlich gesehen so, dass China der Zulieferer (für die Weltwirtschaft, Anm. d. Red.) ist. Sehr stark im asiatischen Raum vertreten, auch für die USA, geringer auch für Europa. Nichtsdestotrotz wird diese Situation jetzt die Wirtschaft schädigen.“ Sein Fazit: „Eine gesunde und nicht überschuldete Volkswirtschaft kann einen Rückgang der Produktion um 50 Prozent knallhart über drei Monate problemlos überstehen. Aber eine überschuldete Volkswirtschaft bekommt dann eben große Probleme. Meines Erachtens triggert (löst aus, Anm. d. Red.) das Virus nur einen Prozess, der längst im Raum steht.“
„Neues Hoch beim Goldpreis hat nichts mit Corona-Virus zu tun“
Der natürliche Gegenspieler der „überschuldeten Währungen“ – Stichwort: Überschuldung – ist seit jeher das Edelmetall Gold. Dass der Goldpreis aktuell weiter steige, liege nicht am Coronavirus, betonte Speck.
„Dass der Goldpreis steigt, sehen wir bereits. Diese Bewegung – vor allem das Preishoch in Dollar – ist recht eigenständig. Die hat mit dem Coronavirus nichts zu tun. Das heißt: Das Virus ist hier ein kleiner Verstärker – aber bei weitem nicht der Hauptgrund für den Anstieg des Goldpreises.“ Aus seiner Sicht werde der Goldpreis mittel- und langfristig „noch weiter steigen“.
Den aktuell sehr gut stehenden Goldpreis würden vor allem die „schleichenden Sparer-Enteignungen“ – Stichwort: Null- und Negativ-Zins – und die völlig überschuldete Weltwirtschaft hervorbringen. „Darum gibt es eben eine Umschichtung in den einzig liquiden Sachwert, den es gibt: Das ist Gold.“ Mit Einschränkungen gehöre auch Silber dazu. Mitte 2018 habe erneut ein Prozess der kollektiven „Flucht ins Gold“ eingesetzt. „Diese Entwicklung wird noch anhalten. Privatanleger in Deutschland haben schon relativ viel ins Gold investiert. Aber es gibt noch Vermögensverwalter und Zentralbanken, die erst am Beginn dieses Prozesses sind.“
Die Gefahr eines Einbruchs beim Goldmarkt aufgrund der Virus-Welle sieht der Experte nicht. Aktuelle Gold- und Silber-Anleger sollten ihm zufolge ihr Edelmetall halten.
Ist globale Sorge um Corona nur „ein Hype“?
„Eine Krankheitswelle mit etwa 80.000 Infizierten sollte keine zu großen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben“, gab Goldmarkt- und Finanz-Experte Martin Siegel gegenüber Sputnik eine andere Einschätzung der Lage. „Der Hype, der um das Coronavirus gemacht wird, ist jetzt nur so groß geworden“, so der Geschäftsführer der Fondsgesellschaft „Stabilitas Fonds“ in Nordrhein-Westfalen.
„Wenn der Hype so weitergeht, dann gibt es natürlich schon Auswirkungen. Aber es hat sich bei früheren Epidemien wie dem SARS-Virus gezeigt, dass die chinesische Wirtschaft in der Lage ist, die Ausfälle innerhalb weniger Wochen wieder zu kompensieren.“ Die Frage sei jetzt, wie lange der aktuelle Coronavirus noch weltweit wüte und wie lange der „Hype“ darum gehen werde. Es gebe in den Medien „drastische Bilder“ von Corona-Erkrankten, die durchaus negativ auf die Psyche der Menschen wirken würden und sich „negativ in die Köpfe einprägen. Das löst natürlich auch – wie jetzt in Italien – Reaktionen bei Behörden, Firmen und Zuständigen aus. Es ist alles ein wenig undurchsichtig, warum ausgerechnet jetzt bei dieser Krankheit solch ein Hype gemacht wird.“
Er zog einen historischen Vergleich: „Auch heute noch gibt es wie damals den Rinderwahnsinn BSE als Krankheit: Aber niemand redet darüber. Und eben weil aktuell viel über das Coronavirus geredet wird, wird die Bevölkerung in einen Panik-Modus versetzt.“
sputniknews
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