Wie effektiv bekämpft Deutschland und ganz Europa Covid-19 –Expertenmeinungen aus Russland

  06 März 2020    Gelesen: 993
  Wie effektiv bekämpft Deutschland und ganz Europa Covid-19 –Expertenmeinungen aus Russland

Negative Folgen der weltweiten Verbreitung des Coronavirus für die Wirtschaft und seine Bekämpfung erörterten russische Experten in der Nachrichtenagentur „Rossiya Segodnya“. Als einen negativen Faktor nannten sie die zu starke Abhängigkeit vieler Branchen von Importen aus China.

Trotzdem seien die Maßnahmen, die gegenwärtig in Deutschland getroffen werden, laut Wladislaw Below, Vizedirektor des Europa-Instituts in Moskau, durchaus angemessen. Er äußerte, dass das Infektionsschutzgesetz von 2001, welches das System der meldepflichtigen Krankheiten in Deutschland auf eine neue Basis gestellt habe, gut funktioniere. Es regelt unter anderem, welche Krankheiten bei Verdacht, Erkrankung oder Tod und welche labordiagnostischen Nachweise von Erregern meldepflichtig sind.

„Ungeachtet der Kritik an einer manchmal schlampigen Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes, wenn viele Krankenhäuser z.B. Infektionen durch etwa Krankenhauskeime vertuschen, trägt es zu einer effizienten Bekämpfung des Coronavirus bei“, so der Deutschland-Experte. „Dank diesem Gesetz werden alle Infizierten erfasst, selbst bei einem leichten bzw. symptomlosen Krankheitsverlauf“.

Below vergleicht die aktuelle Epidemie mit der Grippe, die im vergangenen Jahr weltweit 650.000 Opfer gefordert hatte. „Allein in Deutschland haben sich seit Ende Dezember rund 80.000 Personen die Grippe zugezogen. 161 davon sind daran gestorben. Jährlich erkranken bundesweit zwei bis 14 Millionen Menschen an Grippe.“ Fachleute für Virologie stellen jedoch fest, dass, während die Todesrate bei der Grippe 0,1 Prozent beträgt, beim Coronavirus 0,5 bis zwei Prozent der Infizierten sterben, obwohl beide Krankheiten zu den virusbedingten Atemwegserkrankungen gezählt werden.

Der Ökonom verwies darauf, dass die Weltwirtschaft mit einer harten Realität konfrontiert worden sei, als die Lieferungen aus China, dieser riesigen Weltwerkstatt, ausgeblieben seien. „In erster Linie wurden davon die Automobilindustrie und die Teilefertigung betroffen“, so Below. „China exportiert etwa Leiterplatten für die Autoelektronik. Allerdings kriselt die Produktion von Autos in Deutschland seit 2018 aus mehreren Gründen ohnehin, darunter wegen des Dieselfahrtverbots in Innenstädten. Allem Anschein nach werden die deutschen Autohersteller das erste Quartal mit einem Minus abschließen. Es wird auch ein weltweiter Rückgang der Nachfrage nach und der Produktion von Fahrzeugen prognostiziert.“

Zu starke Abhängigkeit der Weltwirtschaft von China
Als einen negativen Faktor stelltenTeilnehmer der Expertenrunde eine zu starke Abhängigkeit der Weltwirtschaft von China fest. Sie müsse gelockert werden, sagte Below, indem man die Zulieferunternehmen unmittelbar in Europa ansiedle. „Das haben Handelskammer-Repräsentanten längst zur Sprache gebracht.“ Eine ähnliche Meinung vertritt auch Nikolai Topornin von der Universität MGIMO.

„Bei der Wirtschaft darf man sich nicht an einem einzigen Land orientieren. So kommt es, dass die USA, Europa, aber auch Russland von der chinesischen Wirtschaft stark abhängig sind: Sie hatten dort viele Produktionen gestartet, Milliarden Dollar darin investiert, und als diese Krise ausbrach, zog sie immer breitere Kreise nach allen Ländern hin. Daraus folgt, dass man mehrere Bereiche daheim entwickeln und die Produktionsstätten gleichmäßiger auf die ganze Welt verteilen muss.“
Eine der am schwersten betroffenen Branchen ist der Tourismus, so Below. „Nach Expertenschätzung haben die Verluste 22 Milliarden Dollar betragen. Kaum besser geht es der Messebranche. Der Genfer Auto-Salon konnte nicht stattfinden, die Tourismus-Börse ITB in Berlin und die Leipziger Buchmesse wurden abgesagt. Auch Messen in Köln und Hannover werden verschoben.“

Der kommissarische Leiter des Instituts für geisteswissenschaftliche Information Alexej Kusnezow betonte, dass der Rückgang der Tourismusindustrie dem Verkehrswesen Verluste verursache. Als Beispiel führte er die russische Fluggesellschaft Aeroflot an, die vor ein paar Jahren auf die Beförderung chinesischer Touristen nach Europa gesetzt hatte. „Die Preise lagen unter denen der chinesischen Fluggesellschaften. Das Modell war aber sehr riskant. Nun muss sie Einbußen hinnehmen.“

Der Experte verwies auch darauf, dass die Abschwächung der BIP-Dynamik in China sich auf andere Länder auswirke. „Vor allem, weil auch die Schwankungen am Aktienmarkt dazu beitragen. Dies könnte dann die Weltwirtschaft in eine Rezession treiben, was in ein paar Monaten nicht auszuschließen ist. Um die Ausbreitung der Epidemie zu verhindern, werden kolossale Mittel bereitgestellt. Und obwohl diese Ausgaben gerechtfertigt sind, gereichen sie der Wirtschaft im Ganzen zum Nachteil.“

Müssen Großstädte abgeriegelt werden?
Vor dieser Frage steht nun Europa. Aus wirtschaftlicher Sicht würden Quarantänemaßnahmen laut Kusnezow einen rein negativen Effekt haben. „Die Globalisierung hat die Grenzen halb transparent, die Menschenströme intensiver und die Wirtschaften voneinander abhängiger gemacht.“ Topornin sagte dazu, die Grenzschließung würde der Freizügigkeit der Menschen zuwiderlaufen. „Sie würde keine greifbaren Ergebnisse zeitigen, außer dass sie die Panik, das Chaos und die Beunruhigung sowohl bei den Behörden als auch bei den Bürgern steigern würde.“ Die Experten einigten sich darauf, dass eine Grenzschließung in der frühesten Phase der Entwicklung hätte wirksam sein können. In einer Situation aber, in der es überall brenne, sei jedoch unklar, wogegen man sich abschotten wolle.

Ferner könne Europa die chinesischen Maßnahmen schwerlich umsetzen, urteilt der Experte. „Es hat eine andere Mentalität, auch sind die EU-Staaten anders organisiert.“ Dabei glaubt Topornin nicht, dass China das Coronavirus effizient bekämpfe. „Die Bekämpfung beschränkt sich dort auf eine strikte Quarantäne und harte Absperrung von Städten, Dörfern, Bezirken und Menschen. Informationen werden gefiltert, da alle Medien dem Staat gehören und von ihm kontrolliert werden. Um Panik zu vermeiden, bringt man die Informationen in ausgewogener Form bei.“

Wladimir Olentschenko vom Zentrum für Europäische Studien macht ferner auf die Gefahr einer Massenzuwanderung aufmerksam, die sich nicht kontrollieren ließe, gleich dem Umzug der militärischen Verbände der USA in Europa. „Woher sind soeben US-Armeeangehörige in Deutschland eingetroffen? Aus Südkorea etwa oder aus Italien oder von woanders her? Sie sind ja gegenüber den deutschen Behörden nicht rechenschaftspflichtig, so wie das, was auf der Air Base Ramstein geschieht.“

Das Coronavirus gehört inzwischen fest zu unserem Alltag, schlussfolgert Wladislaw Below. „Wenn aber die Lieferungen aus China im März oder April nicht wiederaufgenommen werden, kann es tatsächlich in einer Stilllegung vieler Produktionen und im Ruin von KMU münden. Erfreulich ist der Umstand, dass zurzeit immer mehr Unternehmen in China den Betrieb wiederaufnehmen, immer weniger Menschen angesteckt werden und immer mehr genesen. Also werden der März und der April für die Produktion entscheidend sein.“

sputniknews


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