Mit Frettchen im Kampf gegen Corona

  29 März 2020    Gelesen: 1192
  Mit Frettchen im Kampf gegen Corona

Auf der ganzen Welt suchen Forscher nach einem Weg aus der Corona-Krise. Es geht darum, möglichst schnell einen Impfstoff gegen das Coronavirus zu entwickeln. Eines der weltweit führenden Institute bei der Tierseuchenforschung ist das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Ostseeinsel Riems. Im Gespräch mit ntv.de klärt FLI-Präsident Thomas Mettenleiter über die Vorteile des kuriosen Standorts auf, warum das Institut den Spitznamen "Alcatraz der Viren" völlig zu Recht trägt und mit welchen Tieren am Coronavirus geforscht wird.

ntv.de: Das Friedrich-Loeffler-Institut hat eine lange Tradition auf Riems. Warum ist das FLI auf dieser kleinen Insel beheimatet?

Thomas Mettenleiter: Der Grund, auf die Insel zu gehen, war das Thema Biosicherheit, wie man heute sagen würde. Der Entdecker des Maul- und Klauenseuche-Virus als erstem tierischen Virus überhaupt, Friedrich Loeffler, unser Gründer und späterer Namensgeber des Instituts, hat seine Experimente damals in Greifswald durchgeführt. Durch die hohe Ansteckungsfähigkeit des Erregers ist es aber immer wieder zu Ausbrüchen der Seuche in der Nähe von Greifswald gekommen. Auf Anweisung des vorgesetzten Ministeriums musste Loeffler seine Experimente abbrechen, außer - Zitat - er findet einen sicheren Ort. Und dieser sichere Ort war für ihn dann relativ naheliegend: die Insel Riems. Hier wurde am 10. Oktober 1910 das Institut gegründet.

Welche Aufgabe hat das Friedrich-Loeffler-Institut?

Wir sind das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, wobei sich Tiergesundheit bei uns auf die Gesundheit Lebensmittel liefernder Tiere bezieht, also von der Honigbiene bis zum Rind. Und wir untersuchen alle Krankheiten und Infektionen, die mit diesen Tieren zu tun haben und die deren Gesundheit und damit natürlich auch indirekt den Menschen beeinträchtigen können. Das steht im Zentrum unserer Arbeit. Zweiter Schwerpunkt ist der Schutz des Menschen vor Erregern aus dem Tierreich, den sogenannten Zoonosen. Aktuell erleben wir auch eine Zoonose. Dieses Sars-Coronavirus-2 kommt ja ursprünglich aus einem tierischen Reservoir. Das Institut hat sich seit seiner Gründung zum Beispiel mit der Maul- und Klauenseuche beschäftigt. Das war damals sicherlich die wichtigste Tierseuche überhaupt. Sie kommt heutzutage glücklicherweise in Europa schon sehr lange nicht mehr vor.

Sie haben kürzlich mit Tierversuchen zum Coronavirus begonnen. Dafür wurden Schweine, Hühner, Frettchen und Nilflughunde ausgewählt. Warum genau diese Tiere?

Der Nilflughund ist eine Fledermausart und da das Coronavirus höchstwahrscheinlich aus einer Fledermaus in China stammt, wollen wir das genauer untersuchen. Es ist zwar nicht die gleiche Spezies, mit der wir testen, aber Fledermäuse haben generell eine besondere Art, mit solchen Viren umzugehen. Das Frettchen haben wir ausgewählt, weil es bei vielen Atemwegsinfektionen ein ganz gutes Modell für den Menschen darstellt, insbesondere was die Grippe betrifft. Händeringend wird weltweit nach Tieren gesucht, die nicht nur die Infektion, sondern auch den Krankheitsverlauf des Menschen widerspiegeln, sodass man auch die Möglichkeit hat, Impfstoffe oder Medikamente im Tierversuch belastbar zu testen. An Schweinen und Hühnern testen wir, um zu klären, ob landwirtschaftliche Nutztiere gefährdet sind.

Wie sehen diese Tierversuche aus?

Die Herangehensweisen bei den Tierversuchen sind weitgehend standardisiert. Zunächst wird in Zellkulturen der Erreger vermehrt und anschließend an die Tiere gegeben. Im Falle des Coronavirus geht das über die Atemwege. Danach sehen wir, was passiert.

Wann ist mit ersten belastbaren Ergebnissen zu rechnen?

Das dauert noch etwas, vermutlich bis Mitte oder Ende April. Es geht ja nicht nur darum, die Tiere zu infizieren und dann zu beobachten, sondern es werden umfangreiche Untersuchungen folgen. Zum Beispiel schauen wir, in welchen Organen der Erreger nachweisbar ist, in welcher Menge und wie häufig er ausgeschieden wird. Die komplette Auswertung wird dann sicherlich noch etwas Zeit in Anspruch nehmen.

Wie gefährlich ist die Arbeit mit solchen Viren?

Diese Arbeiten im Labor und im Tierstall sind in Schutzstufe drei eingruppiert. Das ist die zweithöchste Sicherheitsstufe. Es gibt in der Biosicherheit vier sogenannte Schutzstufen. Alle haben wir hier auf der Insel Riems vertreten. Ganz besonders bedeutsam ist sicherlich die höchste Schutzstufe vier. Dort wird mit den gefährlichsten Erregern gearbeitet. Dazu gehören hochpathogene humane Krankheitserreger, beispielsweise Ebola. Und auch mit diesen Viren können wir nicht nur im Labor arbeiten, wir führen auch Versuchsstudien mit Großtieren wie Schwein oder Rind durch.

Wie garantieren Sie, dass keine dieser Erreger die Insel verlassen?

Unsere Sicherheitsvorkehrungen sind extrem hoch. Die Bereiche der höheren Schutzstufen drei und vier werden unter Unterdruck gehalten, sodass also von innen nichts nach außen entweichen kann, selbst wenn Leckagen entstehen sollten. Die Zuluft wird entsprechend über erregerdichte Filter gefiltert, die Abluft über doppelte Filter. Alles, was das Gebäude verlässt, wird dekontaminiert, also desinfiziert, Abwasser wird aufgekocht und Tierkörper werden entsprechend bei hohem Druck und hoher Temperatur verarbeitet. Wissenschaftler und unterstützendes Personal müssen beim Reingehen in den Hochsicherheitsbereich komplett nackt durch eine Schleuse hindurch und beim Rausgehen eine Zwangsdusche über sich ergehen lassen.

Hat es denn mal größere Zwischenfälle gegeben?

In der über 100-jährigen Geschichte des Instituts hat es in den früheren Zeiten mal die eine oder andere Panne gegeben, als die technischen Möglichkeiten noch nicht so groß waren wie jetzt. Aber zumindest im letzten Vierteljahrhundert ist nichts passiert und wir strengen uns sehr an, dass es so bleibt. Wir nehmen diese Bezeichnung, das "Alcatraz der Viren" zu sein, sehr ernst.

Mit Thomas Mettenleiter sprach Kevin Schulte

Quelle: ntv.de


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