“Der Marsianer“ im Realitäts-Check

  18 Februar 2016    Gelesen: 1088
“Der Marsianer“ im Realitäts-Check
Einsam auf dem Wüstenplaneten, kämpft Mark Watney aus "Der Marsianer" ums Überleben. Wie weit ist der Film von der Wirklichkeit entfernt? Für die Esa steht fest: Irgendwann wird die Realität den "Marsianer" einholen - und darüber hinaus gehen.
In einer Umgebung, die lebensfeindlicher kaum sein könnte, verletzt, mit einem begrenzten Vorrat an Lebensmitteln, ist Mark Watney völlig auf sich allein gestellt. Er sieht dem Tod ins Auge - und nimmt die Herausforderung an. Der Nasa-Astronaut ist ein Held, wie er im Buche steht. Und tatsächlich ist Mark Watney, der als "Marsianer" und einziger Mensch auf dem Wüstenplaneten bereits mehr als 1,4 Millionen Zuschauer in die Kinos gelockt hat, ursprünglich eine Romanfigur.

Kreiert hat ihn der Softwareentwickler Andy Weir, das Buch erschien 2014 in den USA. Kurze Zeit später machte sich Meisterregisseur Ridley Scott daran, das sorgfältig recherchierte Sci-Fi-Abenteuer mit Matt Damon in der Hauptrolle zu verfilmen. Scott, auf den auch "Alien", "Prometheus" und "Blade Runner" zurückgehen, hielt dabei häufig Rücksprache mit der Nasa. Nach der gelungenen Vorlage wollte nicht er derjenige sein, der Fehler einbaute. Und so loben Weltraumexperten den Film "Der Marsianer – Rettet Mark Watney" als wissenschaftlich akkurat.

Überlebenskampf auf dem Roten Planeten

"Die Ideen, die Watney entwickelt, um auf dem Mars zu überleben, sind alle sehr plausibel", urteilt Paolo Ferri von der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) in Darmstadt. "Er hat ungeheuer viel Wissen. Und das ist vielleicht etwas unrealistisch an der Geschichte: dass ein Mensch allein so viele gute Ideen hat und sie alle umsetzt." Watney ist Botaniker und weiß daher, wie es gelingen kann, auf dem Mars Kartoffeln anzubauen. Außerdem kennt er sich gut genug mit Chemie aus, um Wasser herstellen zu können. Auch seine Fähigkeiten als Ingenieur sind so ausgeklügelt, dass sie ihm das Überleben sichern. Und dann ist da noch sein medizinisches Geschick, das es ihm - zusammen mit einer großen Portion Selbstbeherrschung, Mut und starken Nerven - ermöglicht, sich selbst zu operieren. Watney, der Robinson Crusoe der Zukunft, gestrandet 200 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, ist Wissenschaftler, Techniker - und Superhero. Letzteres zeigt sich besonders im nicht ganz so wirklichkeitsnahen Finale des Films. Aber bleiben wir am Anfang.

Der ist schon im Buch, das gibt Weir unumwunden zu, etwas konstruiert. Nicht dass es auf dem Mars keine Sandstürme gäbe, ganz im Gegenteil. Mit Geschwindigkeiten bis zu 400 Kilometern in der Stunde fegen sie über den Planeten hinweg. Aber trotz dieses Tempos würden sie keine geparkte Landekapsel in Schieflage bringen. Sie würden nicht einmal einen Menschen umwehen. Der Grund: Die Mars-Atmosphäre ist dafür zu dünn. Ihr Druck beträgt weniger als ein Prozent des Drucks auf der Erde. Die ersten Minuten und Seiten des packenden Abenteuers sind also der Entwicklung der Geschichte geschuldet. Natur gegen Mensch - das ist das Motiv. Watneys Crew flüchtet und tritt im ISS-ähnlichen Raumschiff den Heimweg zur Erde an. Watney selbst bleibt - vom Sturm zu Boden gerissen und vermeintlich tot - zurück. Der Überlebenskampf beginnt. Er endet, wenn Watney abgeholt wird. Doch bis in vier Jahren die Aeres IV käme, wäre er längst gestorben.

"Mensch hat das Entdecker-Gen in sich"

Das Bonus-Material zu DVD und Blu-ray erzählt viel von der Aeres-III-Mission, mit der Watney zum Mars gelangte. Der erste Mensch, so heißt es da, betrat den Planeten im Jahr 2029. Das ist dann aber wohl doch ein wenig ambitioniert. Es ist eine Vorgabe, mit der unsere Wirklichkeit nicht wird mithalten können. Seit mehr als zehn Jahren bereitet die Nasa eine bemannte "Journey to Mars" vor. Und Esa-Generaldirektor Jan Wörner ist sich sicher: "Natürlich wird der Mensch zum Mars fliegen. Er ist neugierig. Mount Everest, Tiefsee, Amerika … Der Mensch hat das Entdecker-Gen in sich." Doch dass daraus schon 2029 etwas wird, darf bezweifelt werden. In 30 Jahren hingegen - das hält Esa-Missionsbetriebsleiter Ferri für denkbar. "Unmöglich ist das nicht", sagt er. "Man braucht Willen und Ressourcen. Technisch sind 30 Jahre viel." Politisch und finanziell allerdings, räumt er ein, würde auch diese Zeitspanne vielleicht nicht genügen.

Selbst unbemannte Mars-Missionen seien, betont Ferri, noch immer etwas Besonderes. Und so wird es in wenigen Wochen aufregend für die Esa: Mitte März fliegt nach Russland und den USA auch die Europäische Weltraumorganisation mit einem Orbiter zum Mars. 2018 folgt dann sogar ein Rover. Ziel der ExoMars-Mission ist die Erforschung der Mars-Atmosphäre. "Woher kommt das darin nachgewiesene Methan? Mit ExoMars wollen wir nach den Quellen suchen", sagt Ferri. Auf der Erde sind 90 Prozent des Methans organischen Ursprungs. Es wird von Bakterien erzeugt. Die restlichen 10 Prozent stammen aus geologischen Prozessen.

Boxenstopp auf dem Mond

Wenn es um Methan geht, ist damit also stets auch die Frage nach Leben auf unserem Nachbarplaneten verbunden. ExoMars soll danach suchen - nach vergangenen oder gar bestehenden Lebensformen auf dem Wüstenplaneten. Dass es dort aktuell Leben gibt, hält Ferri persönlich für wenig wahrscheinlich. "Bisher hat man nichts gefunden. Andererseits: Der Mars ist groß, und man hat nur Punktmessungen vorgenommen. Wissenschaftlich ist noch nichts auszuschließen. Aber ich habe das Gefühl, da ist alles schon lange tot", sagt er.

Das wird sich eines Tages ändern: dann, wenn die ersten Menschen auf dem Mars ankommen. Die Esa will dafür den Weg ebnen. Jan Wörner schwebt ein Mond-Dorf vor, eine permanente internationale Station auf dem Erdtrabanten. Sie soll ein Zwischenschritt für eine bemannte Marsmission sein. "Der Mond ist der Boxenstopp auf dem Weg zum Mars", so Wörner. Und selbst wenn der Rote Planet erreicht ist, wird die menschliche Entdeckerlust - folgt man dem Esa-Chef - nicht verebben: "Der Mensch wird weiter gehen als zum Mars", ist Wörner überzeugt. Stimmt das, dann hat die Realität den "Marsianer" irgendwann überholt.

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