Die Abgeordneten im Parlament in Jerusalem billigten am Sonntag mit 73 zu 46 Stimmen die auf drei Jahre angelegte Koalitionsregierung. Kurz vor dem Votum hatte Netanjahu erklärt, die neue Regierung solle einen Plan zur Annexion der jüdischen Siedlungen im besetzten Westjordanland vorantreiben.
Israel hatte seit mehr als einem Jahr keine voll funktionsfähige Regierung mehr, nachdem drei Parlamentswahlen keine klare Mehrheit brachten. Gantz hatte eine Koalition mit dem wegen Korruption angeklagten Netanjahu lange abgelehnt.
Vor zwei Wochen einigten sich der konservative Netanjahu und Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie dann doch auf eine Einheitsregierung. Die beiden Ex-Rivalen sollen nun nacheinander für je eineinhalb Jahre Ministerpräsident werden. Netanjahu bleibt zunächst Regierungschef, Gantz wird zunächst Vize-Regierungschef - ein neuer Posten in der israelischen Politik. Zugleich wird Gantz Verteidigungsminister.
Ursprünglich sollte die Vereidigung bereits am vergangenen Donnerstag stattfinden, doch hatte der konservative Netanjahu um drei zusätzliche Tage gebeten, um über Kabinettsposten für seine Likud-Politiker zu entscheiden.
Zu den erklärten Hauptzielen der neuen Regierung zählt der Kampf gegen die Corona-Pandemie und das Wiederhochfahren der durch die Krise angeschlagenen Wirtschaft. Zugleich dürfte die neue Regierung binnen weniger Wochen mit einer neuen Krise von internationalem Ausmaß konfrontiert werden, bei der es um das Westjordanland geht.
Netanjahu erklärte kurz vor der Vereidigung der neuen Regierung, diese sollte die jüdischen Siedlungen im Westjordanland annektieren. "Es ist Zeit, israelisches Recht anzuwenden und ein weiteres glorreiches Kapitel in der Geschichte des Zionismus aufzuschlagen", sagte Netanjahu. "Dies ist die Wahrheit: Diese Gebiete sind da, wo das jüdische Volk geboren ist und sich entwickelt hat."
Netanjahu hatte im Wahlkampf angekündigt, im Juli einen Plan zur Annexion vorzulegen. Dies wäre der erste Schritt zur Umsetzung des umstrittenen Nahost-Plans von US-Präsident Donald Trump. Weite Teile der Weltgemeinschaft sehen in einer möglichen Annexion einen Todesstoß für den Friedensprozess im Nahen Osten. Sollte die neue israelische Regierung den Plan umsetzen, dürfte dies international auf Empörung stoßen und zu neuen Spannungen im Westjordanland führen.
In dem Gebiet leben knapp drei Millionen Palästinenser sowie in den nach internationalem Recht illegalen jüdischen Siedlungen rund 400.000 Israelis. Netanjahu sagte im Parlament, dass eine Annexion "uns nicht vom Frieden entfernt, sondern ihn uns näher bringt".
Während die Trump-Regierung grünes Licht für eine Annexion gibt, warnen Experten, dass etwa Jordanien bei einem solchen Schritt den historischen Friedensvertrag mit Israel aufkündigen könnte. Jordaniens König Abdullah II. sagte dem "Spiegel", jüngst, dass es einen "massiven Konflikt" mit Jordanien geben werde, falls Israel "wirklich das Westjordantal annektiert". Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte gesagt, die EU werde alle diplomatischen Kapazitäten nutzen, um Israel von einer Annexion abzuhalten.
Gantz und der neue Außenminister Gabi Aschkenasi haben Vorbehalte gegenüber einer Annexion und den internationalen Folgen. Gantz ging im Parlament am Sonntag nicht auf das Thema ein. Stattdessen verteidigte er die Koalition mit Netanjahu, welche zu einer Spaltung seines Bündnisses Blau-Weiß geführt hatte.
Der 35. Regierung seit der Staatsgründung 1948 gehören Vertreter des gesamten politischen Spektrums an. Zudem verfügt sie über eine Rekordzahl von bis zu 36 Ministerposten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Netanjahu zur erfolgreichen Regierungsbildung und seiner erneuten Wahl. Deutschland werde "sich weiterhin mit aller Kraft für den Staat Israel und für den Frieden im Nahen Osten einsetzen", erklärte sie. Sie wünsche den Israelis Kraft und Erfolg bei der Eindämmung der Corona-Pandemie.
AFP.com
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