Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind für Selbstständige wesentlich härter als für abhängig Beschäftigte. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die am Freitag erscheint und dem SPIEGEL vorab vorlag. Sie beruht auf der Langzeitbefragung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP), die um eine aktuelle Umfrage ergänzt wurde.
Demnach berichten rund 60 Prozent der Selbstständigen von Einkommensverlusten, während es bei Angestellten nur etwa 15 Prozent sind. Die Einkommensverluste der betroffenen Angestellten betrugen im Schnitt rund 400 Euro brutto. Der mittlere Einkommensverlust der Selbstständigen lag hingegen mehr als dreimal so hoch.
Der Unterschied erklärt sich insbesondere durch die unterschiedlichen Formen der staatlichen Unterstützung. Abhängig Beschäftigte sind bei einer Verkürzung ihrer Arbeitszeit infolge von Corona durch das Kurzarbeitergeld abgesichert, das bis zu 67 Prozent des Nettoverdienstes ersetzt. Selbstständigen zahlt der Bund Soforthilfen zur Deckung der Betriebsausgaben, darüber hinaus sind sie auf die Grundsicherung angewiesen.
Fast die Hälfte der Selbstständigen, deren Umsätze einbrachen, verfügen den SOEP-Daten zufolge nur noch über Liquiditätsreserven bis zu drei Monaten, um ihren Betrieb aufrecht zu erhalten. Entsprechend macht sich inzwischen jeder sechste Selbstständige "große Sorgen" um die eigene wirtschaftliche Situation. In den Jahren 2015 bis 2019 hatte dieser Anteil hingegen ähnlich wie bei den Angestellten noch bei rund zehn Prozent gelegen. Auch die Zufriedenheit mit dem mit dem eigenen Leben und dem Familienleben ist bei Selbstständigen im Gegensatz zu Angestellten deutlich gesunken.
Gefahr für die Gründerkultur?
"Offenbar konnten Bund, Länder und Kommunen mit den Hilfspaketen die Sorgen der Selbstständigen nicht hinreichend auffangen", schreiben die Autoren um den DIW-Professor Alexander Kritikos. "Bei den abhängig Beschäftigten scheint dies besser gelungen zu sein". Dadurch drohe "die zuletzt positive Einstellung in Deutschland zu Gründungen und Selbstständigkeit Schaden zu nehmen – gerade, weil die Selbstständigen den Einbruch in der Nachfrage nicht selbst zu verantworten haben und sich vom Staat weniger unterstützt fühlen als abhängig Beschäftigte".
Die Autoren begrüßen, dass die Koalition als Teil ihres Konjunkturpakets auch Überbrückungshilfen beschlossen hat, die den krisenbedingten Ausfall von Umsätzen abmildern sollen. Auch diese seien jedoch auf fixe Betriebskosten beschränkt und damit unzureichend. Eine mögliche Alternative könnten Modelle europäischer Nachbarländer seien, wonach Selbstständige über die Finanzämter eine Unterstützung zur Deckung privater Lebenskosten erhalten.
spiegel
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