Hessens Landespolizeipräsident Udo Münch tritt zurück

  15 Juli 2020    Gelesen: 830
Hessens Landespolizeipräsident Udo Münch tritt zurück

Die Affäre um Drohmails, die von hessischen Polizeicomputern verschickt worden sein sollen, hat Konsequenzen. Der Landespolizeichef hat um Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gebeten.

Der hessische Landespolizeipräsident Udo Münch ist im Zusammenhang mit der Affäre um Drohmails und ein mögliches rechtes Netzwerk in der Polizei zurückgetreten. Münch sei frühzeitig darüber informiert worden, dass Drohmails an die Linkenpolitikerin Janine Wissler in Verbindung mit einer Abfrage an einem Polizeicomputer stehen könnten, berichtet der "Wiesbadener Kurier". Münch soll sich vorwerfen, diese Information nicht weitergegeben zu haben.

Der Rechner, von dem die unberechtigte Abfrage ausgegangen sein soll, habe in einem Polizeirevier in Wiesbaden gestanden, heißt es in dem Zeitungsbericht. Welcher Polizist die Daten von Wissler abgefragt habe, sei unklar.

Im März sei Münch in einer Videokonferenz von einer unerlaubten Abfrage berichtet worden, sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Der Polizeipräsident habe das Gesprächsprotokoll und den Sachverhalt nicht bewusst wahrgenommen. Aus diesem Grund sei er nicht informiert worden, sagte Beuth. Er sei sich mit Münch einig, "dass eine derart herausragende Information - sowohl für die Ermittlungen als auch für die politische Bewertung dieser Drohungen, unmittelbar hätte erfolgen müssen".
Münch habe glaubhaft dargelegt, die Spitze des Ministeriums nicht bewusst über die Dimensionen der Ermittlungen im Unklaren gelassen zu haben, so Beuth. Dennoch übernehme Münch "als oberster Polizist Verantwortung für Versäumnisse, die er nicht allein zu vertreten hat". Von dem zweiten Datenabruf, der im Februar von einem Polizeirechner ausgegangen sein soll, habe er erst am vergangenen Mittwoch von Münch erfahren, sagte Beuth.

Wissler hatte bereits im Februar zwei Drohschreiben mit der Unterschrift "NSU 2.0" erhalten. Anfang Juli wurde nach Angaben von Beuth erneut eine Drohmail an die stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken sowie weitere Adressaten des hessischen Landtags verschickt. Auch Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und er selbst hätten diese Mail erhalten, berichtete der Innenminister. Wissler hatte nach Erhalt der ersten Mails von einer Todesdrohung gesprochen. Auch von zahlreichen rechtsextremen Bezügen war die Rede.

Inzwischen gibt es offenbar einen weiteren Fall unberechtigter Datenabfrage bei der hessischen Polizei. Die Kabarettistin Idil Baydar berichtet ebenfalls von Droh- und Schmähschreiben. Die 45-Jährige machte der Polizei in dem Zusammenhang schwere Vorwürfe. Sie würde sich gern wieder sicher fühlen, "und nicht das Gefühl haben, dass ich vor der Polizei Angst haben muss", sagte sie dem ARD-"Mittagsmagazin". "Das ist eine obskure Situation. Und da wünsche ich mir schon, dass die Polizei von ihrem Standpunkt aus auch auf mich zukommt."

spiegel


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