Herr Gauland macht sich nackig

  31 Juli 2020    Gelesen: 534
Herr Gauland macht sich nackig

Der am Rauswurf des Rechtsaußen-Politikers Kalbitz entbrannte Richtungsstreit in der AfD läuft auf sein Finale zu: Niemand kann sich entziehen, jeder muss Farbe bekennen - auch Alexander Gauland: Der Co-Fraktionschef entscheidet sich für braun.

Der Machtkampf in der AfD hat das Stadium erreicht, in dem offenbar niemand mehr über den Lagern stehen kann. Jeder muss sich jetzt bekennen, denn es geht um die Macht. Für oder gegen den Parteiausschluss des brandenburgischen AfD-Chefs Andreas Kalbitz mitsamt seiner Vergangenheit im Neonazi-Milieu - das heißt für oder gegen den mächtigen Rechtsaußen-"Flügel", mithin für die eine Hälfte der Partei oder eben für die andere. Es riecht nach Endspiel in der AfD. Und nach Angst.

"Die Wahrheit is' auf'm Platz", heißt nicht nur unter Fußballern. Allein: Keiner weiß sicher vorherzusagen, welche der besagten Partei-Hälften gerade in welchem Gremium die Mehrheit hat und damit das Sagen. Das bringt Opportunisten in eine ebenso widrige wie ungewohnte Lage und die AfD ist voll von Opportunisten, die sich bislang stets auf die Seite der Stärkeren geschlagen haben, sobald nur klar war, wer gerade die Stärkeren sind. An der Spitze der Bundestagsfraktion stehen gleich zwei von diesem Schlag: Alexander Gauland und Alice Weidel.

Abschied von der bürgerlichen Fassade

Vielleicht wegen seines fortgeschrittenen Alters hatte nun Alexander Gauland den Vortritt und musste sich als Erster nackig machen. Kein schöner Anblick, kann man sagen. Aber immerhin einer, der Bände spricht.

Zum einen ist nun klar, dass Gauland nicht mehr Herr der Lage ist. Der "Grandseigneur" und Fraktionschef der AfD vermag den Machtkampf nicht zu entscheiden, er kann sich nur noch auf jene Seite schlagen, von der er glaubt, dass sie obsiegen wird. Das ist in den Augen des vermeintlichen Tweedjacket-Konservativen derzeit also der Rechtsaußen-"Flügel" mitsamt seines fließenden Übergangs zur Neonazi-Szene. Gaulands Entscheidung ist der politische wie charakterliche Offenbarungseid jenes Mannes, der die AfD mit Landadel-Charme und CDU-Herkunft besonders im Bürgertum salonfähig machen wollte. Jetzt kann er die Jagdhund-Krawatte getrost ablegen, denn dort, wo er innerparteilich angekommen ist, sind nicht Langbinder angesagt, sondern Armbinden.

Mit den Rechtsaußen paktiert hatte Alexander Gauland in der Vergangenheit immer wieder einmal, wenn es ihm als Chef machtpolitisch zupasskam. Das war schlimm genug, aber jetzt ist er nur noch der Büttel der Extremen. Das ist politisch noch schlimmer. Aber zugleich auch sehr traurig anzusehen.

Bild eines traurigen Verlierers

Zum anderen spricht aus Gaulands Kritik am Spruch des AfD-Schiedsgerichts in seltener Klarheit jene Weinerlichkeit, die gerade die "Männer-Partei" AfD kennzeichnet. Weil das Spiel nicht wie gewünscht ausging, werden nach Abpfiff wahlweise die Bespielbarkeit des Platzes, bestimmte Regeln oder die Unparteilichkeit des Schiedsrichters infrage gestellt. Das ist lächerlich und beschämend, selbst Thekenmannschaften verlieren mit Anstand. Von Polit-Profis, die ganz vorn im Bundestag sitzen, darf man das allemal erwarten.

Es sei beim Schiedsgericht "offensichtlich um politische Interessen gegangen", klagte Herr Gauland hinterher. "Ja, und?", möchte man zurückfragen. Natürlich werden beim möglichen Parteiausschluss eines top-prominenten Vertreters des Rechtsaußen-"Flügels" auch "politische Interessen" mit verhandelt. Dass ihm, Gauland, aus dem anderen Parteilager wegen seiner Kritik nun "befremdliches Rechtsstaatsverständnis" vorgeworfen wird, ist hingegen nur eine erheiternde Zugabe. Mit dem Rechtsstaat, den AfD-Bonzen gern "Merkel-Diktatur" nennen, hat es die Partei sonst nicht so sehr.

Ein Gutes könnte die ganze Schlacht um den braunen Helden Kalbitz immerhin haben. Keine der beiden Seiten kann noch zurück, wie es scheint. Eitle Egos, Machtwillen und Ideologie haben die Sinne aller Beteiligten benebelt. Es geht geradewegs in den Showdown zwischen Rechtsaußen-"Flügel" und dem Lager um Parteichef Meuthen, der sich um ein gemäßigteres Image bemüht. Die AfD Brandenburg will Kalbitz als ihren Chef gegen alle Regeln behalten, doch Meuthen das demonstrativ verhindern. Heißt: Nur einer kann gewinnen. Es gab schon Sommertheater, auf die hat man sich weniger gefreut.

Quelle: ntv.de


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