Ob die Pläne überhaupt die Chance auf eine Umsetzung haben, ist noch unklar. Mit neuen Vorschlägen für eine effiziente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber will die EU-Kommission Bewegung in die seit Jahren blockierten Verhandlungen über eine Asylreform bringen.
Ein jetzt in Brüssel präsentierter Vorschlag sieht vor, Mitgliedstaaten wie Griechenland und Italien vor allem mit einer starken Unterstützung bei der Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht zu entlasten. Zur Aufnahme von Migranten sollen Länder wie Ungarn und Polen demnach nur in absoluten Ausnahmefällen verpflichtet werden. Außerdem fordert die EU-Kommission, dass alle EU-Staaten in Krisen ihren Beitrag zur gemeinsamen Migrationspolitik leisten.
Das Konzept der EU-Kommission sieht unter anderem drei Szenarien vor:
In normalen Zeiten können die EU-Staaten einander freiwillig helfen.
Gerät ein Land unter Druck, kann es jedoch einen sogenannten Mechanismus für verpflichtende Solidarität auslösen. Die EU-Länder müssten dann entweder Migranten aufnehmen oder anderweitig helfen, etwa durch Abschiebungen.
Tritt eine Krise wie 2015 ein, greift ein Krisenmechanismus. Dann wird die Auswahl der Hilfsmöglichkeiten geringer: Entweder werden Migranten aufgenommen oder die Abschiebung einer bestimmten Anzahl abgelehnter Asylbewerber wird übernommen. Diese Abschiebung muss innerhalb von acht Monaten erfolgen. Gelingt das nicht, muss das Land sie selbst aufnehmen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen appellierte an die EU-Staaten, das Konzept als Basis für einen neuen Anlauf für eine Einigung zu nehmen. "Es ist an der Zeit, sich der Herausforderung zu stellen, Migration gemeinsam zu gestalten - mit der richtigen Balance von Solidarität und Verantwortung", sagte sie. Es gehe auch darum, das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen.
Bevor ein Migrant ins Land kommt, soll der betroffene Staat nach Vorstellung der EU-Kommission künftig an der Grenze eine Vorüberprüfung vornehmen, die deutlich umfangreicher als bisherige Prüfungen ist: Der Migrant wird registriert, Fingerabdrücke werden genommen, Gesundheits- und Sicherheitschecks durchgeführt. Kommt der Asylbewerber aus einem Land mit geringerer Anerkennungsrate - Tunesien oder Marokko etwa - soll innerhalb von zwölf Wochen ein Grenzverfahren durchgeführt werden.
Dies soll sowohl Schmuggler als auch die Menschen selbst abschrecken, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Gelingt das Verfahren nicht innerhalb von zwölf Wochen, müsste ein normales Asylverfahren durchgeführt werden. "Ich möchte, dass wir schnelle Entscheidungen und schnelle Rückführungen haben", sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Zugleich müsse das Recht auf Asyl verteidigt werden.
Dublin-Regeln
An den derzeit gültigen Dublin-Regeln hält die EU-Kommission grundsätzlich fest. Demnach ist meist jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig, auf dessen Boden der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat. Bestimmte Menschen sollen allerdings schon zuvor auf andere EU-Staaten verteilt werden - etwa, wenn sie dort Geschwister haben oder dort in der Vergangenheit studiert oder gearbeitet haben. Gleiches gilt, wenn der Asylbewerber zuvor legal mit einem Visum in ein EU-Land gereist ist. Dann soll der Staat zuständig sein, der das Visum ausgestellt hat. Dies soll die sogenannte sekundäre Migration verhindern, also das Weiterziehen von einem EU-Land in das nächste. Griechenland und andere Südstaaten hatten mehrfach die Abkehr vom Dublin-System gefordert. Es werde Enttäuschungen in allen EU-Staaten geben, sagte Johansson. "Es gibt keine perfekte Lösung. Es geht darum, eine ausgewogene Lösung zu finden."
Schnellere Abschiebungen und stärkerer Außengrenzschutz
Zum einen soll es nach Vorstellung der EU-Kommission die sogenannten Abschiebe-Patenschaften geben. Wenn ein Land in Krisensituationen keine Migranten aus einem anderen EU-Staat aufnehmen will, kann es also die Abschiebung einer bestimmten Anzahl nicht Schutzberechtigter übernehmen. Die EU-Kommission will Rückführungen aber auch anders beschleunigen. Als Hebel soll auch die Visum-Politik der EU eingesetzt werden. Zudem soll ein "EU-Koordinator für Rückführungen" ernannt werden, der mit Fachleuten der EU-Staaten zusammenarbeitet. Auch der Außengrenzschutz solle verbessert werden. Die EU-Kommission sieht eine stärkere Rolle für die die Grenzschutzagentur Frontex vor.
Seenotrettung ist eine Pflicht
Die Rettung von in Seenot geratenen Migranten ist nach Ansicht der EU-Kommission eine Pflicht. Die EU-Kommission will nun, dass der "Mechanismus für verpflichtende Solidarität" auch hier Anwendung findet. Entweder die EU-Länder nehmen Gerettete auf, oder sie helfen anderweitig - etwa bei der Abschiebung.
Zusammenarbeit mit Drittstaaten
Die EU soll nach Ansicht der EU-Kommission an Abkommen mit anderen Ländern arbeiten, die beiden Seiten helfen. Dadurch solle etwa Menschenschmuggel bekämpft werden, aber auch legale Wege in die EU sollten geschaffen werden. Um passende Arbeitskräfte zu finden, sollten Talent-Partnerschaften mit Nicht-EU-Ländern gestartet werden. Zudem plant die Behörde einen Plan für Integration und Inklusion.
Nach dem Brand im griechischen Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos wird sich die EU an der Verwaltung eines neuen Lagers beteiligen. Die EU-Kommission werde "ein gemeinsames Pilotprojekt mit der griechischen Regierung auf Lesbos" starten, sagte von der Leyen. Moria sei eine "nachdrückliche Erinnerung", dass alle in der EU mehr im Bereich der Migration tun müssten. Ziel sei es, die Lebensbedingungen für die Menschen zu verbessern.
Griechenlands größtes Flüchtlingslager auf der Insel Lesbos war vor zwei Wochen durch mehrere Brände vollständig zerstört worden. Tausende Menschen verloren ihre Unterkunft.
spiegel
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