Kontroverse um die Asylreform der EU-Kommission

  24 September 2020    Gelesen: 459
Kontroverse um die Asylreform der EU-Kommission

Mit neuen Plänen für eine effiziente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber will die EU-Kommission Bewegung in die seit Jahren stockenden Verhandlungen über eine Asylreform bringen. Länder wie Ungarn und Polen werden nur in Ausnahmenfällen verpflichtet, Schutzsuchende aufzunehmen. Aber bietet die Reform Hilfe Ländern an den Außengrenzen?

Der am Mittwoch in Brüssel präsentierte Vorschlag sieht vor, Länder wie Griechenland und Italien vor allem mit einer starken Unterstützung bei der Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht zu entlasten. Zur Aufnahme von Migranten sollen Länder wie Ungarn und Polen demnach nur in absoluten Ausnahmefällen verpflichtet werden. Zugleich will die EU-Kommission, dass alle EU-Staaten in Krisen ihren Beitrag zur gemeinsamen Migrationspolitik leisten.

Ob der Plan eine Chance auf Umsetzung hat, ist offen. Ähnliche Versuche waren in den vergangenen Jahren gescheitert. Die EU-Staaten streiten seit Jahren über die gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik. Knackpunkt war stets die verpflichtende Verteilung Schutzsuchender auf alle EU-Staaten.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen appellierte an die EU-Staaten, das Konzept als Basis für einen neuen Anlauf für eine Einigung zu nehmen. „Es ist an der Zeit, sich der Herausforderung zu stellen, Migration gemeinsam zu gestalten - mit der richtigen Balance von Solidarität und Verantwortung“, betonte sie.

Drei Szenarien für Migrantenaufnahme
Das Konzept der EU-Kommission sieht unter anderem drei Szenarien vor. In normalen Zeiten können die EU-Staaten einander freiwillig helfen. Gerät ein Land unter Druck, kann es jedoch einen sogenannten Mechanismus für verpflichtende Solidarität auslösen. Die EU-Länder müssten dann entweder Migranten aufnehmen oder anderweitig helfen, etwa durch Abschiebungen. Tritt eine Krise wie 2015 ein, greift ein Krisen-Mechanismus. Dann wird die Auswahl der Hilfsmöglichkeiten geringer: Entweder werden Migranten aufgenommen oder die Abschiebung einer bestimmten Anzahl abgelehnter Asylbewerber wird übernommen. Diese Abschiebung muss innerhalb von acht Monaten erfolgen. Gelingt das nicht, muss das Land sie selbst aufnehmen.

Barley sieht die Reform skeptisch
Die Europa-Abgeordnete Katarina Barley (SPD) sieht die Reform kontrovers. Migration in all ihren Formen zu betrachten, sei zwar der richtige Ansatz, lobt Barley. „Dass nicht alle Mitgliedsstaaten Geflüchtete aufnehmen wollen, wird berücksichtigt - Entgegenkommen an Orbán und Ko. Diese Länder können bei der Rückführung mitwirken - gut für das Image.“

Gleichzeitig bemängelt sie die Frist von acht Monaten, die der neue „Krisen-Mechanismus“ vorsieht und befürchtet ein „brachiales Vorgehen“ der betroffenen Länder.

„Grundsätzlich bleibt es bei der Zuständigkeit des Ankunftsstaates für die Durchführung des Verfahrens. Ob das genug Entlastung für Länder wie Griechenland bringt?“, fragt die SPD-Politikerin und ehemalige Bundesjustizministerin.

Meuthen: „Kampfansage an unsere Lebensweise“
Die AfD lehnt die Vorschläge der EU-Kommission für ein neues europäisches Asylrecht strikt ab. „Der neue EU-Migrationspakt ist eine Kampfansage an unsere Lebensweise, an unseren Sozialstaat, unsere innere Sicherheit, unsere freiheitliche Gesellschaft und unsere christlich-abendländisch geprägte Kultur“, sagte der Parteivorsitzende Jörg Meuthen am Mittwoch. Hinter den Vorschlägen stehe die Absicht, illegale Migration zu legalisieren und Schlepperbanden zu entkriminalisieren. Meuthen, der für die AfD im Europaparlament sitzt, erklärte: „Europa muss geschützt werden - vor illegaler Migration, vor dem Migrationspakt, vor der Politik dieser EU.“

„wieder nur Abwehr, Abschreckung und Abschiebungen“
Aus anderen Gründen kritisiert die Pläne Cornelia Ernst, die asylpolitische Sprecherin der Delegation im Europarlament (Die Linke). „Diese Vorschläge widersprechen schon der Idee und dem Sinn von Asylrecht an sich. Anstatt sich darum zu kümmern, wie wir ein EU-weites System schaffen, das Katastrophen wie in Moria verhindert, das das Tausendfache Sterben auf dem Mittelmeer beendet und das in der Lage ist, einige Hunderttausend Asylsuchende ordentlich, anständig und fair in Europa aufzunehmen, geht es wieder nur um Abwehr, Abschreckung und vor allem um Abschiebungen.“

​„Aus der Asche von Moria“ müsse ein faires und humanitäres Asylsystem wachsen, meint der EU-Politiker Erik Marquardt (Die Grünen). Die Schwachstelle des Kommissionsvorschlags sei, dass weiterhin viele Menschen in Lagern an den Außengrenzen leiden würden. „Moria soll offenbar zum EU-Gesetz und nicht verhindert werden.“

sputniknews


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