Ehemalige verfolgte Mitarbeiter von Volkswagen entschädigt in Millionenhöhe

  24 September 2020    Gelesen: 485
Ehemalige verfolgte Mitarbeiter von Volkswagen entschädigt in Millionenhöhe

Während der 21 Jahre Militärdiktatur in Brasilien arbeitete Volkswagen mit dem Regime zusammen und verriet Mitarbeiter. Nun zahlt der Autobauer Entschädigungen.

35 Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur in Brasilien entschädigt Volkswagen verfolgte ehemalige Mitarbeiter in Millionenhöhe. Das sieht ein Vergleich mit Justizbehörden des Landes vor, den der Konzern nach eigenen Angaben unterzeichnete. Der Autohersteller soll mit dem damaligen Regime kollaboriert und Beschäftigte an das Militär verraten haben.

"Es ist wichtig, mit diesem negativen Kapitel in der Geschichte Brasiliens verantwortungsbewusst umzugehen und für Transparenz zu sorgen", erklärte VW-Rechtschefin Hiltrud Werner in einer Stellungnahme.

Hintergrund sind die Ergebnisse einer von der Regierung eingesetzten Kommission, die die Rolle von Unternehmen während der Militärdiktatur von 1964 bis 1985 untersucht hatte. Die Experten fanden heraus, dass Volkswagen und andere Firmen dem Militär im Geheimen geholfen hatten, sogenannte Staatsfeinde sowie Gewerkschaftsaktivisten in der Belegschaft ausfindig zu machen.

Viele dieser Beschäftigten wurden entlassen, festgenommen oder von der Polizei schikaniert, wie Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters im Jahr 2014 ergaben. Sie fanden über Jahre keine neue Anstellung.

Vergleich über etwa 5,5 Millionen Euro
Über den nun geschlossenen Vergleich hatten zuerst die Sender NDR und SWR sowie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Nach VW-Angaben sieht er eine Zahlung von insgesamt rund 36 Millionen Real (etwa 5,5 Millionen Euro) vor. Davon gehen 16,8 Millionen Real an einen Opferverband von ehemaligen Mitarbeitern und deren Hinterbliebenen. Der Rest wird an Menschenrechtsinitiativen gespendet. Die brasilianische Staatsanwaltschaft gab bekannt, mit dem Vergleich würden drei seit 2015 laufende Ermittlungsverfahren beendet.

Der von Volkswagen mit der Angelegenheit betraute Historiker Christopher Kopper von der Universität Bielefeld bezeichnete den Vergleich als historisch wegweisend. "Es wäre das erste Mal, dass ein deutsches Unternehmen Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen an den eigenen Arbeitern im Werk annimmt für Vorgänge, die nach dem Ende des Nationalsozialismus passiert sind", wird Kopper von NDR, SWR und "Süddeutscher Zeitung" zitiert.

Kopper hatte 2017 einen von VW in Auftrag gegebenen Bericht veröffentlicht. Darin hieß es unter anderem, dass der VW-Werkschutz oppositionelle Aktivitäten seiner Beschäftigten überwacht und durch sein Verhalten die Verhaftung von mindestens sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erleichtert habe. Kopper stützte seine Untersuchung auf die Unternehmensarchive von Volkswagen in Wolfsburg und der Tochter Volkswagen do Brasil, zudem wurden brasilianische Archive konsultiert und Befragungen von Zeitzeugen durchgeführt. "Die Korrespondenz mit dem Vorstand in Wolfsburg zeigt bis 1979 eine uneingeschränkte Billigung der Militärregierung", schrieb der Historiker.

20.000 Beschäftigte in Brasilien
Volkswagen do Brasil ist seit 1953 im fünftgrößten Land der Welt aktiv und beschäftigt dort rund 20.000 Menschen. Auf dem Gelände des Werks in São Bernardo do Campo wurde eine Gedenktafel für die Opfer des Regimes enthüllt. Die 21-jährige Diktatur in Brasilien startete 1964 mit einem Militärputsch; nach Angaben einer Wahrheitskommission wurden in der Folge rund 440 Menschen aus politischen Gründen getötet, Hunderte weitere inhaftiert und gefoltert.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hatte 2019 gesagt, dass er die Ereignisse nicht als Militärputsch betrachte. Vielmehr hätten sich "Zivilisten und Soldaten" in unruhigen Zeiten zusammengeschlossen, um das Land wieder auf die richtige Spur zu führen, sagte er. Eine vom rechtspopulistischen Präsidenten initiierte Gedenkfeierlichkeit zum 55. Jahrestag des Putsches war im vergangenen Jahr von einem Gericht untersagt worden. Die Feiern seien nicht mit dem in der Verfassung von 1988 verankerten "Prozess des demokratischen Wiederaufbaus" vereinbar, hatte Richterin Ivani Silva da Luz begründet.

  spiegel


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