Der Ethikrat hat sich dagegen ausgesprochen, "besondere Regeln" für Geimpfte einzuführen, sie also schneller von den Freiheitsbeschränkungen zu befreien, die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie nötig waren und sind. Ein Wort in den Empfehlungen des Gremiums ist zentral: "derzeit". "Derzeit kommt eine individuelle Rücknahme staatlicher Freiheitsbeschränkungen für geimpfte Personen nicht in Betracht", sagte Alena Buyx, die Vorsitzende des Gremiums. Der Grund: Es ist einfach noch nicht klar, wie stark die Impfungen das Übertragungsrisiko vermindern.
Ihre Kollegin Sigrid Graumann wies darauf hin, dass die für eine entsprechende Einschätzung notwendigen Daten von Biontech/Pfizer und von Moderna im März kommen werden. Von Astrazeneca ist seit gestern bekannt, dass der Impfstoff die Übertragungen um gut zwei Drittel verringert.
In der aktuellen Lage ist das tatsächlich keine Basis, um Einschränkungen für Geimpfte aufzuheben. Doch eine generelle Absage an Sonderregeln für Geimpfte ist das nicht. "Eine vorherige individuelle Rücknahme von Freiheitsbeschränkungen nur für geimpfte Personen ließe sich allenfalls dann rechtfertigen, wenn hinreichend gesichert wäre, dass sie das Virus nicht mehr weiterverbreiten können", sagte auch Buyx.
Es kann sein, dass eine Aufhebung der Kontaktbeschränkungen für Geimpfte dauerhaft ein gewisses Risiko birgt. Doch je mehr Menschen geimpft sind, desto eher wird es möglich sein, dieses Risiko einzugehen.
Drosten-Szenario muss verhindert werden
Der Ethikrat plädiert dafür, die Isolationsmaßnahmen für Pflegeeinrichtungen "schnellstmöglich" aufzuheben, weil sie die Bewohner besonders hart treffen. Das ist sicherlich ein wichtiger Hinweis. Doch in ein paar Monaten werden auch viele Menschen geimpft sein, die nicht in Pflegeheimen leben oder arbeiten. Die Situation wird dann eine andere sein als jetzt. Das zentrale Argument, das der Ethikrat für seine Empfehlung heranzieht, wird dann vermutlich nicht mehr gültig sein.
Das heißt nicht, dass dann alles gut ist. Im Januar sagte der Virologe Christian Drosten dem "Spiegel", wenn die alten Menschen geimpft sein werden, "wird ein riesiger wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, politischer und vielleicht auch rechtlicher Druck entstehen, die Corona-Maßnahmen zu beenden". Dann würden sich "innerhalb kurzer Zeit noch viel mehr Leute infizieren, als wir uns das jetzt überhaupt vorstellen können". Drosten sprach von Fallzahlen "nicht mehr von 20.000 oder 30.000, sondern im schlimmsten Fall von 100.000 pro Tag".
Auch um ein solches Szenario zu verhindern, muss die Debatte über Sonderregeln für Geimpfte geführt werden - unter der klaren Maßgabe, dass sie eben nur für Geimpfte gelten können.
Quelle: ntv.de
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