Sechs Profis, die Joachim Löw enttäuscht

  19 Mai 2021    Gelesen: 468
  Sechs Profis, die Joachim Löw enttäuscht

26 Plätze, aber rund 40 Kandidaten. Die Nachfrage nach Nominierungen für den deutschen EM-Kader ist deutlich größer als Angebot. Bundestrainer Joachim Löw muss daher einige Fußballer enttäuschen. Wir schauen voraus, welche sechs Profis eine Absage bekommen.

26 Plätze, aber rund 40 Kandidaten: Die Nachfrage nach Nominierungen für den deutschen EM-Kader ist deutlich größer als das Angebot, das Bundestrainer Joachim Löw, denen machen kann, die ab dem 11. Juni den vierten DFB-Titel bei einer Europameisterschaft einspielen sollen. Nun hat sich mit Marc-André ter Stegen zwar ein fest eingeplanter Torwart bereits mit einer unausweichlichen Knieoperation abgemeldet. Das führt aber nur dazu, dass die Frage, ob denn Kevin Trapp oder Bernd Leno mit zum Turnier fahren, entfällt. Sie müssen nur noch klären, wer hinter Manuel Neuer als erster Ersatzkeeper auf der Bank sitzen darf.

Dennoch ist es so, das machen schon die oben genannten Zahlen deutlich: Es führt kein Weg daran vorbei, dass Löw ein paar Profis enttäuschen muss, die sich Hoffnungen auf eine Berufung gemacht haben. Wir haben uns die Kandidaten mal angeschaut und schauen voraus, welche sechs Fußballer nicht am 28. Mai mit ins Trainingslager fahren dürfen, sondern wesentlich mehr Sommerfreizeit bekommen als erhofft.

Julian Draxler (27 Jahre, Paris St. Germain): Seine großen Momente für Deutschland sind schon eine Weile her: Er war einst der Kapitän des Teams und das sehr erfolgreich. Mit einem Perspektiv-Kader gewann er 2017 den Confederations Cup. Elegante Bewegungen am Ball, ein starker Schuss und eine überdurchschnittliche Spielintelligenz, das sind seine Qualitäten. Wohl wenige aktuelle Nationalspieler bringen mehr Talent mit als Draxler. Sein Problem ist: Konstant kann's Draxler nicht.

Zwar hat sich seine Lage in Paris nach dem Trainerwechsel von Thomas Tuchel zu Mauricio Pochettino verbessert, er spielt mehr, auch häufiger von Beginn an. Aber unumstrittener Stammspieler ist er weiter nicht. Tatsächlich fallen einem auch keine Heldentaten für die Nationalmannschaft seit 2017 ein. Im September 2020 wurde seine Situation von Löw angemahnt. Mehr Spielzeit bräuchte er. Mitte März, beim letzten Lehrgang, brach er überraschend auch mit seiner eisernen Loyalität und nominierte Draxler nicht. Sollte er nun auch die EM verpassen, wäre er DER größte deutsche Verlierer.

Kevin Volland (28 Jahre, AS Monaco): 16 Tore und 8 Vorlagen in einer der fünf besten Ligen Europas. Hand aufs Herz, klingt das nicht nach einem Top-Stürmer für die EM? Trotz seiner stabilen Leistungen in der französischen Ligue 1 fliegt Kevin Volland - wie so oft in der Vergangenheit - unter dem Radar und das auch beim Bundestrainer. Mit seinen 24 Scorer-Punkten liegt Volland in Frankreich immerhin auf Rang vier, nicht allzu weit hinter Stars wie Kylian Mbappé oder Memphis Depay. Die AS Monaco führte er auf Platz drei der Liga, dicht hinter PSG. Damit ist die Elf aus dem Fürstentum voll auf Kurs Champions-League-Qualifikation. Auch in den vorangegangenen drei Jahren bei Bayer Leverkusen kam er stets auf eine zweistellige Trefferzahl und ist damit wohl einer der konstantesten Mittelstürmer, die Deutschland zu bieten hat.

Vollands großes Problem: In der Nationalmannschaft sieht das System einen solchen klassischen "Neuner" nicht wirklich vor. Und mit dem wohl sicheren Comeback von Thomas Müller und dem schnellen Timo Werner in der Spitze ist der Bedarf an weiteren Angreifern auch schon gedeckt. Im Nationalteam gelang dem 28-Jährigen nie der Durchbruch, es bleibt wohl weiter bei einem Tor in zehn Spielen. Seine vorerst letzte Partie absolvierte er im November 2016. Allerdings könnte es für Volland im Sommer doch noch eine DFB-Belohnung geben: U21-Coach Stefan Kuntz schwärmte zuletzt von dem Stürmer und nannte ihn als Kandidaten für die Auswahl bei einem anderen großen Turnier: den Olympischen Spielen in Tokio.

Mario Götze (28 Jahre, PSV Eindhoven): Die Geschichte von Mario Götze ist hinlänglich bekannt. Riesentalent, erste Titel mit dem BVB, entscheidendes Tor im WM-Finale. Damals war Götze gerade 22 Jahre alt geworden und galt als eines der größten Versprechen des Weltfußballs. Endlos erscheinende Ausfallzeiten verhinderten die Karriere, die viele ihm prophezeit hatten und Verletzungen sind es wohl auch, die seine Nominierung verhindern. Denn der Wechsel nach Eindhoven und damit der Abschied aus der aufgeregten deutschen Fußballöffentlichkeit schien ihm gutzutun, für die PSV erzielte er in seinen ersten fünf Ligaspielen drei Tore und bereitete zwei weitere vor.

Sofort war von einer Rückkehr zu alter Stärke die Rede, wenn auch langsam. Und von der Verbindung zum Bundestrainer, der ihn damals 2014 in Rio de Janeiro einwechselte, um Geschichte zu schreiben. Auf den guten Start aber folgten Muskelprobleme, dann eine Leistenverletzung und dann wieder Muskelprobleme, wegen derer Götze insgesamt 15 Partien lang ausfiel. "Wir haben aber ein Auge auf ihn", sagte Löw jüngst dem "Kicker" über den Offensivspieler, der zuletzt im November 2017 für den DFB auflief. Allerdings wählte der Bundestrainer zuvor den Satz, der auch für die EM gelten dürfte: "Im Moment ist Mario nicht im engeren Kreis."

Maximilian Arnold (26 Jahre, VfL Wolfsburg): Drei Tore und sechs Vorlagen in 29 Einsätzen - die Bundesliga-Saisonstatistik von Maximilian Arnold klingt nicht sonderlich spektakulär. Der Mittelfeldspieler erlebt beim VfL Wolfsburg derzeit allerdings die beste Phase seiner Karriere. Zum einen, weil sich die Niedersachsen souverän für die Champions League qualifiziert haben und zum anderen, weil der 26-Jährige ganz elementar zu diesem Erfolg beigetragen hat. Drittmeiste Ballkontakte pro Spiel, drittmeiste Pässe, jeweils nach den beiden Innenverteidigern, dazu die meisten gelaufenen Kilometer unter den Startelf-Spielern.

Keine allumfassenden Zahlen, ja, aber doch Indizien, dass Arnold beim drittbesten deutschen Klub dieser Saison eine entscheidende, eine zentrale Rolle einnimmt. Das Problem: die zentrale Rolle, bezogen auf die Aufstellung. Denn im Zentrum ist die DFB-Elf nun einmal außerordentlich gut besetzt und selbst der positive Corona-Test verbunden mit ungewisser Ausfallzeit bei Toni Kroos reißt keine Lücke, die so groß erscheint, dass Arnolds Nominierung unabdingbar wäre.

Julian Brandt (25 Jahre, Borussia Dortmund): Er trägt nicht nur denselben Vornamen wie Draxler, sondern teilt auch dessen Schicksal: hoch- bis höchstbegabt, aber fernab jeglicher Konstanz. Das gilt zumindest für die vergangenen anderthalb Jahre. Nach seinem Wechsel von Bayer Leverkusen, wo er im Zusammenspiel mit Kai Havertz regelmäßig faszinierte, zu Borussia Dortmund ist Brandt ganz viel von seiner Selbstverständlichkeit verloren gegangen. Seine Kreativität und sein Mut im Passspiel sind zu einem Risikofaktor fürs Team geworden.

Löw sagte zuletzt: "Julian hat so viel Können. An der Konstanz muss er arbeiten. Er ist ein bisschen schwankend in den Leistungen. Er muss noch die nächste Hürde überspringen. Wir müssen schauen, dass wir dran bleiben und er den nächsten Schritt macht." Der bleibt beim BVB weiter aus. Sowohl beim Pokalsieg als auch bei der spektakulären und erfolgreichen Aufholjagd zur Qualifikation für die Champions League in den vergangenen Wochen wurde er meistens nur eingewechselt und konnte kaum für sich werben.

Thilo Kehrer (24 Jahre, Paris St. Germain): Der Defensivmann hat eine steile Karriere hingelegt. Vom SSV Reutlingen ging es hinaus in die "Knappenschmiede" des FC Schalke und anschließend für stattliche 37 Millionen Euro zum Welt- und Glamour-Club Paris Saint-Germain. Unter Trainer Thomas Tuchel beackerte er dort als Stammkraft die rechte Seite oder wahlweise die Innenverteidiger-Position. Allein diese Situation machte Kehrer nach geltenden Fußball-Gesetzen schon zu einem aussichtsreichen Kandidaten für die DFB-Elf. Zumal die rechte Abwehrseite eher eine Dauer-Baustelle in der Kaderplanung ist.

Unter Neu-Trainer Mauricio Pochettino hat Kehrer allerdings nicht mehr einen Stammplatz sicher. Zudem warfen Verletzungen, unter anderem an den Adduktoren, den 24-Jährigen zurück. Auch den letzten "Triple-Header" des DFB-Teams verpasste er. Eigenwerbung? Fehlanzeige. Zuletzt (im September 2020) setzte Löw den Außenspieler allerdings auf der rechten Seite eher offensiver ein.

Angesichts des dichten Gedränges im deutschen Mittelfeld dürfte es dort aber nur wenig Platz für Kehrer geben. Und hinten rechts kämpft der Frankreich-Legionär gegen etablierte Kräfte wie Lukas Klostermann oder Matthias Ginter. Oder auch Ridle Baku.

Quelle: ntv.de


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