Russland-Analyse: „Islamischer Staat“ in Dagestan und die fragwürdige Politik lokaler Autoritäten

  19 März 2016    Gelesen: 2835
Russland-Analyse: „Islamischer Staat“ in Dagestan und die fragwürdige Politik lokaler Autoritäten
Der Nordkaukasus will nicht zur Ruhe kommen. Nach dem Tschetschenienkriegen in den 1990er Jahren brodelt es seit Jahren verstärkt in Dagestan. Dort soll sich inzwischen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ eingenistet haben. Die lokalen politischen Führer nutzen das sicherheitspolitische Vakuum jedoch lieber aus, um politische Widersacher auszuschalten.
Von Viktoria Benzel

Am 29. Dezember 2015 wurden mehrere Angehörige der russischen Sicherheitskräfte in der Stadt Derbent, Dagestan, während eines Terroranschlages angegriffen. Elf Menschen wurden dabei verletzt, ein Grenzsoldat getötet. Der IS selbst hat sich zu den Anschlägen bekannt. Ramazan Abdulatipov, der Präsident von Dagestan, bezichtigt jedoch lokale militante Gruppen des Anschlages.

Der offiziellen Version der Regierung in Dagestan zufolge sei davon auszugehen, dass der Anschlag von dem 31 Jahre alten Abutdin Khanmagomedov aus Derbent verübt wurde, einem Mitglied des Kaukasischen Emirates. Seit den 1990er Jahren war das Kaukasus-Emirat die größte und einflussreichste radikal-islamische Bewegung im Kaukasus. Besonderen Zulauf erhielt sie vor allem infolge des Tschetschenienkriegs.

Doch seit dem Tod der beiden bedeutendsten Führer – welche den IS ablehnten – verlor das Kaukasus-Emirat an Bedeutung. 2014 verpflichteten sich zwei dagestanische Kommandeure des Kaukasus Emirats sogar dem IS. Im Juni 2015 unterstellte sich dann der tschetschenische Kommandeur Aslan Byutykayev der ursprünglich im Irak gegründeten Terrormiliz. Inwieweit der IS sich aber gegenüber dem Kaukasus-Emirat durchsetzen kann, bleibt fraglich. Zwar bedeutet eine Unterstützung durch den IS vor allem mehr Geld und mehr Prestige – doch dürften die Anhänger eines unabhängigen Kaukasus-Emirates nicht bereit sein, sich leichtfertig unter ausländische Führung zu stellen.

Die kaukasischen föderalen Regierungen hingegen versuchen, den Anschein zu erwecken, das Problem unter Kontrolle zu haben. Tatsächlich setzen sie jedoch ein größeres Augenmerk darauf, im Namen der Terrorismusbekämpfung oppositionelle Kräfte zu unterdrücken, als wirkliche Anstrengungen zur Beseitigung des Terrorismus selbst zu unternehmen. Dies kann man auch am Verhalten Ramsan Kadyrows beobachten: Der Präsident der Teilrepublik Tschetschenien setzt sich vor allem mit extremen Aussagen gegen Oppositionelle in Szene, weniger mit einer wirklichen Strategie gegen den Terrorismus. Seine Aussagen gehen manchmal sogar soweit, dass sich der Kreml genötigt sieht, sich von dessen Aussagen zu distanzieren.

Doch solange die föderalen Präsidenten es schaffen die Terrorismus-Frage auf den Kaukasus zu beschränken, schaut die Moskauer Regierung offenbar weg und gewährt ihnen freie Hand. Es stellt sich die Frage, was passiert, wenn der Syrienkonflikt zu Ende geht und die Kämpfer aus Syrien in den Kaukasus zurückkehren. Russische Analysten schätzen, dass alleine zwischen 600 und 900 dagestanische Dschihadisten im Nahen Osten kämpfen.

Quelle - eurasianews.de

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