Wenn Essen zur Sucht wird

  09 Oktober 2015    Gelesen: 1229
Wenn Essen zur Sucht wird
Seit ihrer Schulzeit hatte Jana regelmäßig Essanfälle – bis sie irgendwann 160 Kilo wog. In CLOSER spricht sie über ihre gefährliche Essstörung „Binge Eating".
In der Öffentlichkeit kaut Jana Crämer (33), Managerin der Band Luxuslärm, oft nur auf einem Salatblatt herum.Zu Hause hingegen hat sie Fress-Anfälle und nimmt bis zu 7.000 Kalorien zu sich. „Binge Eating“ (engl.Binge = Gelage, Eating = Essen) heißt die Essstörung, unter der Jana leidet, seit sie ein Teenager ist. Im CLOSER Interview spricht die junge Frau offen über den Kampf gegen sich selbst.

Was ist der Unterschied zwischen Binge Eating und Bulimie?

" Bulimiker kotzen alles, was sie essen,wieder aus. Beim Binge Eating hat man diese Fress-Gelage auch, versucht aber, auf verschiedene Art und Weise zu kompensieren, was man sich damit angetan hat. Sei es, dass man sich den Finger in den Hals steckt – oder bis zu 14 Tagen einfach nichts isst …"

Was passiert in deinem Kopf, wenn du eine Fress-Attacke bekommst?

"Es gibt bei mir keinen emotionalen Auslöser. Das kann auch passieren, wenn ich glücklich bin. Das Schlimme ist, dass ich in der Öffentlichkeit nicht normal essen kann. Wenn wir essen gehen, dann nehme ich einen Salat. Ich bilde mir ein,wenn ich etwas anderes esse, denken die Leute: `Ja, friss doch noch mehr.`"

Planst du deine Fress-Gelage?

"Ab dem Moment, wo es im Kopf klick macht, plane ich, wann ich das nächste Mal allein bin und wann ich die Möglichkeit habe, mir so viele Lebensmittel zu besorgen. Ansonsten habe ich einen genauen Kalorienplanund versuche, nur 700 Kalorien am Tag zu mir zu nehmen."

Wird dann bewusst auf diesen Moment hin eingekauft?

"Genau. Ich plane dann nicht nur das Essen, sondern auch direkt das Kotzen. Ich kaufe strategisch ein: etwa so viel Eis, dass ich zwischen jedem Bissen Pizza oder Chips ein bisschen Eis essen kann, damit es hinterher besser rausgeht."

Hast du durchgerechnet, wie viele Kalorien du zu dir nimmst?

"Wenn es rundgeht, sind das bis zu 7.000 Kalorien. Ich kriege Schuldgefühle beim Gedanken, dass andere Menschen nichts zu essen haben und ich mein Essen wieder ausspucke …"

Bist du mittlerweile eher Bulimikerin?

"Es hängt von der Situation ab. Wenn man sich anstrengen muss beim Übergeben, bekommt man diese Augensprenkler. Damit es optisch nicht so auffällt, creme ich die Augen vorher ein. Aber ganz vertuschen kann man es nicht, man sieht dann einfach verkotzt aus. Es kommt drauf an, was in der Woche anliegt."

Wann war der Moment, indem du erkannt hast, dass du ein Problem hast?

"Das erste Mal, als ich über der Toilette hing. Ich habe gefühlt, dass es unnatürlich ist. Da habe ich einfach so viel gegessen, dass mir übel war. Danach dachte ich, das ist ja eigentlich cool. Du bist es los, und die Kalorien sind auch weg."

Du hast schon enorm viel abgenommen. Was wäre dein Wohlfühlgewicht, damit du dich öffnen kannst?

"Mein Wunschgewicht sind 65 Kilo. Da müsste ich noch knapp über 20 Kilo abnehmen. Man sieht aber, wie eklig die Haut hängt und wie zerrissen alles ist. Das ist widerlich. Es müsste da erst ein Chirurg Hand anlegen. Wenn ich es nicht einmal selbst ertragen kann, wie soll das jemand anderes ertragen können?"

Bist oder warst du in einer Therapie?

"Das Ganze kostet enorm viel Zeit, die ich mir nie genommen habe. Jetzt habe ich ein Buch darüber geschrieben und bin so mit vielen Beratungsstellen in Kontakt gekommen. Ich denke, ich werde noch einen Versuch wagen …"

Glaubst du, dass du irgendwann von deinen Essstörungen geheilt bist?

"Ich glaube, das ist wie bei Alkoholikern: Du kannst es im Griff haben, aber wahrscheinlich werde ich den Rest meines Lebens Kalorien zählen. Ich habe aber die Hoffnung, irgendwann essen zu gehen, ohne darüber nachzudenken, wann ich das nächste Mal kotzen kann. Das wäre schön … "

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