Die Jagd auf Donald Trump ist eröffnet. "Ich bin sicher, dass die Hälfte des Senats darüber nachdenkt", sagte der republikanische Senator Josh Hawley aus Missouri ungewöhnlich offen über eine Bewerbung um die kommende Präsidentschaftskandidatur der US-Republikaner: "Wenn sie das Gefühl haben, dass der Ex-Präsident wirklich verwundbar ist, sagen sie: warum nicht ich?"
Verwundet ist Trump spätestens, seit er die Verfassung der Vereinigten Staaten infrage gestellt hat, da diese seine persönlichen Ambitionen bremst - und könnte sich damit selbst ins Aus geschossen haben. Der Wahlverlierer von 2020 hatte erneut behauptet, er sei der rechtmäßige Sieger, und die Verfassung müsse ausgesetzt werden, damit er Staatschef werden könne. "Unsere Gründer würden keine betrügerischen Wahlen dulden", schrieb er.
Die Empörung war groß. Denn auch wenn die Verfassungsväter ein wichtiger Fixpunkt im konservativen Kosmos sind: Die Republikaner, so das Selbstverständnis, sind die Partei der Verfassungstreue. Dagegen dürfte auch Trump nicht ankommen. Er hat damit ein kleines Stück weit unwahrscheinlicher gemacht, was zwar viele seit zwei Jahren herbeireden wollen, aber noch längst nicht ausgemacht ist: dass Trump 2024 seine Revanche bekommt, eine Neuauflage des Duells gegen Biden.
Der eine war im Weißen Haus und will dorthin zurück, der andere hat ihn vertrieben und will offenbar trotz seines fortgeschrittenen Alters nicht ohne Weiteres aufhören. Ohnehin sind die politischen Schicksale des Ex-Präsidenten und des Präsidenten mehr miteinander verwoben, als ihnen lieb sein kann.
Außenseiter haben Vorteile
Trump verliert weiter an Unterstützung, spätestens seit den Kongresswahlen ist auch Republikanern deutlich geworden: Dieser Mann ist kein Gewinner mehr. Sein politischer Einfluss ist trotzdem weiterhin groß. So richtig traut sich bislang niemand aus der Deckung, um ihm das Zepter zu entreißen. Zu deutlich sind die Erinnerungen daran, wie Trump parteiinterne Gegner mehr als sieben Jahre lang bei jeder Gelegenheit erfolgreich gedemütigt hat.
Joe Biden käme eine Trump-Kandidatur dagegen vermutlich entgegen: Schließlich hatte er 2020 vor allem deshalb gewonnen, weil er der Anti-Trump war. Heute sind die Zustimmungswerte des Amtsinhabers schlecht. Gegen einen anderen republikanischen Kandidaten könnte er krachend scheitern. Nicht ohne Grund war Biden in seinen ersten Anläufen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur nie über das Anfangsstadium hinausgekommen, bis er 2020 schließlich Trump herausfordern durfte.
Zugleich gibt es genügend Beispiele für Kandidaten, die nicht als ideal galten und trotz dieser weit verbreiteten Skepsis in politischen Kreisen siegten. Man könnte auch sagen: Die Zeichen stehen günstig für einen unerwarteten Wechsel im Weißen Haus. Wer dieser Mister X sein wird, ist unklar. Es könnte einer der üblichen Verdächtigen sein, aber die Geschichte spricht eher für ein relativ neues Gesicht.
Bill Clinton etwa wurde 1992 Kandidat der Demokraten, weil etabliertere Parteikollegen abgewinkt hatten. Der republikanische Präsident George Bush schien nach dem Blitzsieg im ersten Golfkrieg nahezu unangreifbar zu sein. Niemand wollte sich gegen ihn die Karriere versauen. Clinton gewann. Am Anfang seiner Bewerbung 2008 war Barack Obama vermeintlich ohne echte Chance, Hillary Clinton galt als wesentlich geeigneter. Obama ritt auf seiner "Change"-Welle mit nie dagewesenem Kleinspender-Wahlkampf ins Weiße Haus und wurde der erste schwarze Präsident der USA.
Acht Jahre später überzeugte Obama seinen Vize Joe Biden, sich nicht um die Kandidatur zu bewerben. Vermeintlich war diesmal Hillary Clinton an der Reihe und die logische nächste Präsidentin. Deren Umfragewerte waren exzellent, selbst viele Republikaner hatten sich 2016 schon mit einer Niederlage abgefunden. Doch es gewann knapp der Außenseiter: Donald Trump.
Der wurde vier Jahre später von Biden herausgefordert und besiegt, obwohl noch im Februar 2020 sich viele gegen ihn ausgesprochen hatten: wegen seiner vorherigen Vorwahlniederlagen, seinem Alter, seiner Farblosigkeit. Es gab auch diese Statistik, dass seit Einführung der Zwei-Amtszeiten-Grenze 1951 nur ein Präsident vorzeitig abgewählt worden war. Doch Biden setzte sich in den Vorwahlen durch und gewann. Auch deshalb, weil er einen ungewöhnlichen Wahlkampf betrieben hatte: Trump sei ein untragbarer Unfall, mit ihm selbst als Präsident komme alles wieder in die alte Ordnung, es werde alles ruhiger.
Demokraten wollen Biden nicht
Ruhiger ist es nicht unbedingt geworden in der Welt, aber innenpolitisch schon. Doch die Zahlen zeigen, dass insbesondere die jungen Wähler, die in Scharen für Biden stimmten, eigentlich jüngere Köpfe und nicht die alten Gesichter der vergangenen Jahrzehnte sehen wollen. Im Juli wollten 94 Prozent (!) der Wähler unter 30 Jahren im Jahr 2024 einen anderen Kandidaten als Biden sehen. Unter Demokraten insgesamt war es ebenfalls eine überwältigende Mehrheit.
Eine große Veränderung dieser Werte wäre überraschend. Biden hat seine Schuldigkeit für die Wähler womöglich bereits getan: Trump vertrieben, den vorherigen Status Quo einigermaßen wieder hergestellt und mit seinen Gesetzespaketen zudem erste Weichen in Richtung Zukunft gestellt. Junge Wähler sehen Biden eher als Torwächter gegen etwas Schlimmeres, sind aber mehrheitlich unzufrieden mit ihm.
In der Parteiführung der Demokraten und den Büros von Washington sieht es anders aus. Der Erfolg bei den Kongresswahlen, bei denen der Senat gehalten wurde, und die wesentlich geringeren Verluste im Repräsentantenhaus als befürchtet, haben Biden den Rücken gestärkt, obwohl er gar nicht selbst zur Wahl stand. Schließlich beeinflusst die Regierungsarbeit auch das Abschneiden anderer Kandidaten. Sind die schlechten persönlichen Beliebtheitswerte womöglich weniger wichtig als gedacht?
Diese Überlegung wird im Hinblick auf 2024 wichtig sein. Zudem könnte ein amtierender Präsident laut einer politischen Weisheit in Washington durch offene parteiinterne Konkurrenz geschwächt werden. Aber tauchen Gegenbewerber nicht deshalb auf, weil sie schon vorhandene Schwäche erkennen und für sich selbst darin eine Erfolgschance? Ein möglicher parteiinterner Herausforderer der Demokraten wird sich hüten, jetzt schon aus der Deckung zu kommen.
Was machen die anderen? Bei der Opposition erklären die Bewerber üblicherweise im Jahr vor der Wahl ihre Absicht, antreten zu wollen. Biden etwa hatte seine Bewerbung um die Kandidatur im April 2019 verkündet, Bernie Sanders sogar schon im Februar. Zumindest bei den Republikanern könnten sich also früh im kommenden Jahr die ersten Herausforderer präsentieren. Irgendwann werden sich die Demokraten entscheiden müssen, ob es für Biden reichen wird, nicht der Gegner zu sein, und zwar unabhängig von Trump. Denn der Generationswechsel wird kommen, so oder so.
Quelle: ntv.de
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