Prototypen-Testfahrt im Porsche Cayenne

  17 Januar 2023    Gelesen: 675
  Prototypen-Testfahrt im Porsche Cayenne

Im April wird Porsche den tiefgreifend überarbeiteten Cayenne vorstellen. Natürlich wieder mit V8 unter der Haube - sogar im nah am Grundmodell angesiedelten S. ntv.de hatte die Möglichkeit, erste Runden hinter dem Lenkrad ausgewählter Vorserien-Entwicklungsfahrzeuge zu drehen.

Nach langer Reise in die triste nordfinnische Dunkelheit dann endlich der Lichtblick: Quasi unmittelbar nach Landung in Rovaniemi wird der Journalistentrupp zu den Erprobungsfahrzeugen geleitet. Funkelnd stehen die allesamt schwarz lackierten und noch leicht getarnten SUV im Flutlicht des großen Parkplatzes in der Nähe des Flughafens. Erprobungsleiter Ralf Bosch lädt zum Einsteigen in den geräumigen Fond, dann startet er das Triebwerk.

Plötzlich ertappe ich mich und muss schmunzeln. Ich höre dezentes Achtzylinder-Brabbeln. Ich hatte das Auto vor dem Entern inspiziert, doch keinen Hinweis auf ein extrovertiertes Topmodell gefunden. Stimmt genau, erklärt Bosch. Es handele sich schlicht um den Cayenne S, führt er aus. Wer hätte bitte gedacht, dass Porsche den Spieß noch einmal umdrehen würde? Dass im Zeitalter fortschreitender Elektromobilität oder wenigstens Elektrifizierung ein weiter unten angesiedeltes Modell noch einmal einen V8 erhalten würde, das ja vor dem Facelift sogar bereits auf einen V6 heruntergesized wurde?

Damit keine Missverständnisse entstehen: Die Basis bekommt weiterhin einen Sechszylinder, der S rangiert eine Stufe darüber, ist aber weit entfernt von Highend. Ich werde zwar später noch ans Steuer dürfen, aber die nächsten 100 Kilometer soll ich auf der komfortabel-straffen Rückbank verbringen.

Cayenne bekommt überarbeiteten Achtzylinder EA825evo

Und während ich den sanften Nachschwung resultierend aus der neuen Zweikammer-Luftfederung genieße, erklärt Ingenieur Bosch, wie sein Team den Achtzylinder aufwendig modifiziert hat. So aufwendig gar, dass aus der internen Bezeichnung der Maschine "EA625" kurzerhand "EA625evo" wurde. Freilich ist damit zu rechnen, dass auch Modelle anderer Volkswagen-Marken in den Genuss dieses Vierliters kommen werden, er dürfte demnach nicht exklusiv für den Cayenne sein, jedenfalls nicht auf lange Sicht. Die überarbeitete Ausführung spritzt das Kraftstoff-Luft-Gemisch unter anderem jetzt mit 350 statt 250 Bar ein und aus dem Twin- wurde ein Monoscroll-Turbolader. Satte 475 statt 440 PS befeuern den Cayenne S künftig, damit sollte man hinkommen.

Noch ist der modifizierte Cayenne ja nicht enthüllt. Und wenn die Ingenieure die Entwicklungsfahrzeuge auf dem Parkplatz abstellen und sie verlassen, ist ihr erster Reflex: die Stofflappen zur Tarnung des Innenraums auf Instrumente und Konsole klappen. Doch jetzt, während der Fahrt, muss der Fahrer ja auf den Tacho blicken können und den Bildschirm einsehen. Ich spinkse also in Richtung Mittelkonsole und entdecke das schicke "curved" Display alias Kombiinstrument. Der Cayenne ist mittlerweile im Jetzt angekommen. Ein bisschen Retusche gönnten die Architekten auch der Mittelkonsole. Und Beifahrer, denen schnell langweilig wird, dürfen ab sofort auf einem eigenen Touchscreen herumklimpern.

PHEV wird leistungsfähiger in allen Belangen

Zwischen dem Genuss, sich im Fond des überarbeiteten Cayenne chauffieren zu lassen und dem Zeitpunkt, das Lenkrad selbst in die Hand nehmen zu dürfen, sollen noch etliche Stunden vergehen. Denn erst am nächsten Tag lassen die Ingenieure ihre Gäste ans Steuer. Und die dürfen auf keinen Fall allein fahren, denn die Autos entsprechen noch nicht dem Serienstand.

Interessant wird es aber allenfalls beim Hybrid, wo man vielleicht noch Abstimmungsbedarf wittern könnte. Daher geht es gleich am nächsten Morgen in den Plug-in-Hybrid - jetzt bin ich Fahrer und darf meinen Begleiter zur Rechten mit Fragen überziehen. Projektleiter Gesamtfahrzeug Christoph Oerleke ist natürlich gebrieft, er ist ja schließlich mit Journalisten unterwegs und lässt sich nur wenige Infos entlocken. Aber ich darf das bisherige Ergebnis ja herausfahren.

Die Leistung der Doppelmotor-Ausführung klettert von 462 auf 470 PS. Entscheidend sind aber nicht die 8 Mehr-PS, sondern die erhebliche Vergrößerung des Akkus. Knapp 26 kWh fasst die Batterie jetzt, ist damit beinahe doppelt so groß wie bisher und lädt mit 11 statt maximal 7,2 kW wie früher. Somit dürfen sich künftige Cayenne-PHEV-Fahrer darauf freuen, deutlich länger elektrisch fahren zu können. Außerdem steigt die elektrische Motorleistung von 136 auf 177 PS, was mehr Souveränität im Elektromodus bedeuten dürfte. Hier im Schnee, wo Traktion Mangelware ist, stoßen die Reifen deutlich schwächerer Autos schon an ihre Haftreibgrenze.

Möchte man überhaupt so viel elektrisch fahren? Der sahnige Turbo-V6, immerhin auch Part des Antriebsstrangs, hat zumindest das Zeug, glücklich zu machen mit seiner sonor-samtigen Tonart. Aber dafür hat man ja schließlich die Wahl. Ich achte jedenfalls akribisch darauf, ob die Betriebsstrategie einen schlüssigen Eindruck macht beziehungsweise ob die Antriebsübergänge zwischen E-Maschine und Verbrenner geschmeidig vonstattengehen. Um wirklich sicherzugehen, dass der Verbrenner läuft, sollte also der traditionell mittige Drehzahlmesser fest im Blick gehalten werden.

Schon Vorserien-Entwickler machen exzellenten Eindruck

Großartig angegast oder angestromt werden kann auf der öffentlichen Straße ohnehin nicht, denn die winterlichen Fahrbahnbeläge Nordfinnlands lassen keine schnellen Runden zu - die Traktion tendiert demnach gegen null. So lotst das Programm später noch in Richtung abgesperrte Eisbahn, um verschiedene Fahrdynamik-Übungen auf rutschiger Bahn absolvieren zu können. Ein bisschen driften üben oder das Gefühl dafür bekommen, wie ein über zwei Tonnen schweres SUV auf glitschigem Terrain bremst und lenkt, ist ja schließlich auch nicht falsch.

Warum erproben die Techniker überhaupt auch in kalten Ländern, wenn es sich doch nur um ein Facelift-Modell handelt? Es gibt eben viele neue Komponenten unter dem Blech, deren Test in der Computersimulation keine belastbaren Ergebnisse liefern würde. Das kann auch so eine Banalität sein, zu schauen, wie der Hybrid nach einer eiskalten Nacht anspringt und wie schnell die Passagierzelle dann auf Temperatur kommt. Zumindest während der Testfahrten gab weder Aus- noch Zwischenfälle. Auch das Finish der Materialien macht bereits einen soliden Eindruck, soweit man unter den tarnenden Stofflappen erkennen kann.

Lange dauert es nicht mehr, dann werden auch die Serienversionen bereitstehen, um auf Herz und Nieren geprüft werden zu können. Bis dahin dürfen sich die Cayenne-Fans freuen, wieder mit einem Achtzylinder bedacht zu werden, und zwar schon bei der "S"-Variante. Und während das Grundmodell ein reiner Benziner mit sechs Zylindern sein wird, hat Porsche schon durchblicken lassen, am oberen Ende der Nahrungskette leistungsstarke Plug-in-Hybride zu platzieren. Natürlich auch mit acht Töpfen unter der Haube, versteht sich.

Quelle: ntv.de


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