Dieser Blitz schlug mit Wucht ein, wilderte respektlos im Revier schneller BMW und Mercedes und brach mit allen Konventionen der bürgerlichen Mittelklasse. Opel Commodore (A) GS/E hieß der Provokateur zum Discountpreis, mit dem Deutschlands zweitgrößter Autobauer im Februar 1970 ein furioses Muscle Car nach US-Vorbild präsentierte. Als Luxusversion des volkstümlichen Millionenerfolgs Opel Rekord (C) kleidete sich der Commodore ebenfalls in schwungvolles Coke-Bottle-Design, aber unter der Haube des neuen Top-Typs Commodore GS/E (Grand Sport mit elektronischer Benzineinspritzung) lauerte ein 110 kW/150 PS starker 2,5-Liter-Sechszylinder.
Tatsächlich kratzte diese "Opel-6-Bombe" (Werbeslogan für den Commodore GS) an der 200-km/h-Schallmauer, die damals sogar Mercedes 280 SL, BMW 2800 CS oder Porsche 911 T nur knapp durchbrachen. Allerdings kosteten diese Luxus-Sportler fast doppelt so viel wie der Opel GS/E, den es übrigens nicht nur als flottes Coupé, sondern auch als zwei- und viertürige Limousine gab.
GSe gleich elektrischer Spaßmacher
Vom braven 120-PS-Commodore in Sierrabeige, wie ihn der Hochschulprofessor von nebenan fuhr, differenzierte sich der aufrührerische GS/E durch einen frechen Frontspoiler, Zusatzscheinwerfer, optionale Rallyestreifen und eine schwarze Motorhaube. Aufdringliche Sport-Insignien, die auch die 1972 lancierte Neuauflage des Commodore GS/E nutzte. Dagegen trug das elegante Oberklasse-Coupé Monza GSE ab 1984 lediglich dezente Sportabzeichen zum Nadelstreifenanzug. Dann war der GSE-Code vergessen - bis Opel mit einem elektrischen Manta im RestoMod-Dress die Submarke GSe kreierte: GSe gleich elektrischer Spaßmacher heißt es deshalb heute.
Genau genommen steht GSe für Grand Sport electric und tatsächlich sind es Performance-Attribute, die die GSE-Fraktion von den zivileren Typen trennen. Vollelektrisch wie das 2021 vorgestellte Concept Car Manta RestoMod ist vorläufig noch kein Opel GSe, aber mit den beiden Plug-in-Hybridmodellen Astra GSe und Grandland GSe demonstriert Opel bereits, wohin die schnelle Reise führt: Diese GSe-Protagonisten zitieren mit schwarz abgesetzten Karosserieteilen und markanter Front die coolen Typen der Vergangenheit. Tempohelden sind sie obendrein, denn 235 km/h Vmax übertrifft aktuell kein anderer Opel. Nur zwei Dinge sind vollkommen anders als früher: Der leise elektrische Vortrieb ohne sonoren Verbrennersound - und die stets fünftürigen Karosseriekonzepte.
Tatsächlich experimentierten sie in Rüsselsheim Anfang der 1970er kurz mit Commodore GS/E Kombis, aber im Schauraum des freundlichen Opel-Händlers warteten dann doch die bewährten Familien-Limousinen und Hardtop-Coupés mit jener optischen Aggressivität, die damals angesagt war. Während Ford den 20 M RS mit mattschwarzem Make-up auflegte, lancierte Opel erst den Commodore GS mit 130 PS, dann den GS/E mit 20 Extra-PS dank Einspritzung.
Kriegsbemalung gegen Aufpreis
Wer wollte, konnte mit dem schnellen Commodore (so heißen Geschwader-Kommandeure bei Marine und Luftwaffe) auch undercover unterwegs sein, denn bis auf den Spoiler kostete die Kriegsbemalung beim GS/E Aufpreis. So berechnete Opel 89 Mark für die seitlichen Rallyestreifen und die Position "Schwarze Zusatzlackierung auf Haube" schlug mit 128 Mark zu Buche: fast schon symbolisch kleine Beträge. Viel Wert legte Opel auf das "Wirbelblech", wie manche Medien eine neue Maßnahme gegen Auftrieb am Vorderwagen nannten. "Als erster europäischer Wagen hat er serienmäßig einen 'Spoiler'", erklärte dazu die Pressemappe. Allerdings betonten einige Testberichte dennoch, dass ein sehr schnell gefahrener GS/E viel Aufmerksamkeit verlange, insbesondere bei Seitenwind.
Eine sanfte Kritik, die den Absatzerfolg des bis Ende 1971 gebauten Commodore (A) nicht schmälerte, denn das Opel-Marketing trumpfte mit einer selbstbewussten Feststellung auf: "Noch nie wurde in dieser Preisklasse ein Modell mit einer derartigen Leistung angeboten". Der zweite Commodore GS/E fuhr 1972 auf Basis des Rekord (D) vor, diesmal mit 118 kW/160 PS aus 2,8 Liter Hubraum. In nur 9,3 Sekunden erreichte der GS/E das damals neu eingeführte Landstraßen-Tempolimit von 100 km/h, aber auch das Fahrwerk der viertürigen Limousine und des Coupés wurden von Fachmedien nachdrücklich gelobt.
Aber da ging noch mehr, wie Rallye-Legende Walter Röhrl bewies: Auf der Monte Carlo 1973 fuhr Röhrl mit einem von Irmscher getunten giftig-gelben Commodore (von Röhrl liebevoll "Die Kommode" genannt) im Team mit Jochen Berger einen Klassensieg heraus. Tuner Steinmetz bestückte sogar einen GS/E mit 510 PS starkem 6,0-Liter-V8-Monster für die Interserie.
Im Motorsport eine Macht
Opel war im Motorsport eine Macht und in den Zulassungscharts Volkswagen auf den Fersen, so lag es 1973 nahe, auch den bezahlbaren Traumwagen junger Familienväter nachzuschärfen. Heute wäre dies wahrscheinlich ein hochgelegter Crossover-Typ, damals waren Coupés wie der Manta (A) angesagt. Unter der langen Motorhaube des nach einem Flügelrochen benannten Sportlers arbeiteten harmlose Vierzylinder mit Leistungswerten zwischen 50 kW/68 PS und 66 kW/90 PS. Zu wenig im Duell mit dem Ford Capri. Deshalb musste das Opel-Coupé zusätzliche Attribute eines Hardcore-Männerautos aufnehmen.
So wurde der Manta im Herbst 1973 als 185 km/h schneller GT/E mit dem ersten Vierzylinder-Einspritzmotor von Opel gezeigt, kurz vor der Ölkrise. Eine lange Karriere war diesem 77 kW/105 PS starken Rallyestreifen-Renner deshalb nicht vergönnt. Aber in die Herzen der Opel-Community hat sich dieser rare Zweitürer eingebrannt. Kein Wunder, dass der elektrische Manta GSe RestoMod auf Basis eines 1973er Manta entstand und Merkmale des Manta GT/E aufgriff.
Versuche der Wiederbelebung
Die GS/E-Idee neu zu beleben, das gelang dem RestoMod-Manta. Opels letztes Oberklasse-Coupé schaffte das in den 1980ern nicht. Mit dem formvollendeten Monza zeigten die Hessen damals, dass Gran Turismo in schönen und schnellen Linien nicht nur aus italienischen Designateliers kommen. Ein 132 kW/180 PS starker 3,0-Liter-Sechszylinder machte den Opel Monza 215 km/h flott. Aber weder das gelungene Design noch günstige Preise gaben genügend Schub für die Verkaufszahlen. Deshalb legten die Opel-Strategen 1983 einen Monza GSE auf. Vergeblich, es gab keinen GSE-Effekt. Vielleicht, weil GSE diesmal nur eine zu teuer geratene Ausstattungslinie war, ohne Extra-Power.
Welche Bedeutung frühe Opel GS/E Modelle für die Klassikerszene haben, erklärt Experte Nicolas Ziegler von der Oldtimer-Bewertungsorganisation Classic Analytics: "Beim Kürzel GS/E denkt man automatisch an schwarze Rallyestreifen, tiefgeschüsselte Lenkräder und gut sichtbare Drehzahlmesser. Damit wurden die gutbürgerlichen Commodore Limousinen und Coupés optisch auf Sportlichkeit getrimmt. Kombiniert mit einem für die damalige Zeit leistungsstarken Motor sind immer noch ordentliche Fahrleistungen möglich, die, durch das Fahrwerkkonzept bedingt, allerdings auch ihre Grenzen haben. Heute gehören die Topmodelle zu den begehrtesten Varianten. Für ein Commodore A GS/E Coupé zahlt man heute im guten Zustand mindestens 28.000 Euro."
Chronik vom Opel GS/E zum GSe
1967: Opel präsentiert im Frühjahr den Commodore (A) als luxuriöse Sechszylinder-Version des Rekord (C)
1970: Schon im Januar gibt es Presse-Informationen über die bevorstehende Premiere des Commodore GS mit elektronischer Benzineinspritzung. Ende Februar wird das neue sportive Spitzenmodell der Baureihe Opel Commodore (A) auf dem Genfer Automobilsalon vorgestellt. Dieser Commodore GS/E ist mit einem 2,5-Liter-Motor mit elektronischer Benzineinspritzung vom Typ Bosch D-Jetronic ausgestattet, der Motor leistet 110 kW/150 PS und ist an ein Vierganggetriebe gekoppelt, optional ist eine Dreigang-Automatik verfügbar. Der Commodore GS/E steht wahlweise als zweitürige Limousine (ab 13.092 Mark) bzw. viertürige Limousine (ab 13.409 Mark) und als Coupé (ab 13.564 Mark) im Angebot. In der Ausstattung entspricht der GS/E weitgehend dem Commodore GS mit 130 PS Leistung, allerdings gibt es als Sonderausstattung "Schwarze Doppelstreifen seitlich" für 89 Mark und "Schwarze Zusatzlackierung auf Haube" für 128 Mark. Außerdem betont Opel, dass "der GS/E an den Radfelgen mit mattschwarzen Speichen und silberfarbenem Felgenkörper zu erkennen ist. Als erster europäischer Wagen hat er serienmäßig einen 'Spoiler', montiert an der Unterseite des Wagenbugs." Opel kündigt eine Homologation des Commodore GS/E für den Motorsport in Gruppe 2 und Gruppe 1 (Serientourenwagen) an, nachdem der Commodore GS bereits seit 1968 viele Rallyesiege erzielt hat
1971: Der Commodore GS/E kostet im zweiten und letzten Produktionsjahr als zweitürige Limousine ab 14.397 Mark, als viertürige Limousine ab 14.737 Mark und als Coupé ab 15.007 Mark; der Aufpreis gegenüber dem Commodore GS ohne Einspritzung beträgt je nach Karosserieform bis zu 1300 Mark. Im Dezember endet die Fertigung des Opel Commodore (A)
1972: Im März wird eine neue Generation des Commodore (B) eingeführt. Die Spitzenmotorisierung bietet wieder der Commodore GS/E, diesmal als 2,8-Liter-Reihen-Sechszylinder mit elektronischer Einspritzung Bosch D-Jetronic und 118 kW/160 PS Leistung und prestigeträchtiger Vmax von 200 km/h. Als Karosserieversionen stehen wieder eine viertürige Limousine und ein Coupé zur Wahl. Im Commodore-Programm ist nur die Ausstattung GS/E serienmäßig mit Servolenkung und Verbundglasfrontscheibe ausgestattet, auch der Spoiler ist charakteristisch für den GS/E. Als Einzelstücke und Prototypen entstanden ein fünftüriger Commodore GS/E Caravan und ein dreitüriger Commodore GS/E Caravan Lieferwagen
1973: Eine Attraktion der IAA in Frankfurt ist im September das neue Topmodell des seit drei Jahren gebauten Sportcoupés Manta (A), der Opel Manta GT/E mit elektronisch geregelter Bosch-L-Jetronic-Einspritzung und 77 kW/105 PS Leistung
1974: Im März wird nach dem Ende von Ölkrise und Autobahn-Tempolimit (100 km/h) der Manta GT/E zu Preisen ab 12.526 Mark eingeführt. Der 1,9-Liter-Motor leistet 77 kW/105 PS, genug für 188 km/h. Optische Kennzeichen des Manta GT/E sind serienmäßige, breite schwarze Seitenstreifen, schwarze Fenstereinfassungen, mattschwarze Motorhaube sowie ein markanter Frontspoiler. Die Preis für den viertürigen Commodore GS/E beginnen bei 18.223 Mark, für das GS/E Coupé bei 18.588 Mark
1975: Der Manta GT/E kostet im Modelljahr 1975 ab 13.957 Mark. Eingestellt wird der Manta GT/E (A) nach nur 5.252 Einheiten, die neu vorgestellte zweite Generation des Manta (B) gibt es nicht in GT/E Spezifikation. Der Opel Commodore GS/E (B) leistet nur noch 114 kW/155 PS
1977: Im Sommer Produktionsauslauf für den Commodore (B), beim 1978 eingeführten Nachfolger Commodore (C) verzichtet Opel auf schnelle GS/E-Versionen und die Karosserievariante Coupé. Sportcoupé-Fans soll künftig der Opel Monza (A) bedienen, der als seriennahe Studie auf der IAA im September 1977 debütiert
1978: Im Mai Serienstart des Opel Monza (A) mit bis zu 180 PS starkem 3,0-Liter-Sechszylinder
1983: Nach einer Modellpflege für den Opel Monza (A2) gibt es als neuen Spitzentyp den Monza GSE mit 3,0-Liter-Sechszylinder und 132 kW/180 PS Leistung. "GSE" ist nur noch eine Ausstattungslinie, der Motor ist auch mit anderer, einfacherer Ausstattung kombinierbar
1984: Optional ist eine neue Viergang-Automatik zum Aufpreis von 2.175 Mark für den Monza GSE erhältlich, gegenüber der früheren Dreigang-Automatik verspricht Opel einen Verbrauchsvorteil von einem Liter Benzin pro 100 Kilometer
1985: Der Monza GSE kostet ab 45.940 Mark, mit dem gleichen 3,0-Liter-Sechszylinder kostet der Monza in Basisausstattung nur 39.335 Mark. Kennzeichen der GSE-Ausstattung sind u.a. die Serienfeatures Vier-Speichen-Lenkrad, anthrazitfarbene Leichtmetallfelgen, Halogen-Fernscheinwerfer, Recaro-Sitze vorn, elektrisch betätigte und beheizbare Außenspiegel und Heckspoiler in Wagenfarbe. Alle Positionen können auch für andere Monza als Option gebucht werden, Alleinstellungsmerkmal ist für den GSE, dass der Heckspoiler in Wagenfarbe geliefert wird
1986: Produktionsende für den Opel Monza nach 27.218 Einheiten der Serie A und 16.594 Einheiten der Serie A2
2016: Das Produktionsende des Opel Monza GSE liegt 30 Jahre zurück, damit sind nun alle Opel GS/E- bzw. GSE-Modelle Kandidaten für ein H-Kennzeichen
2021: Opel präsentiert den Prototyp Manta GSe als modernisierte, elektrifizierte Version des klassischen Sportcoupés Manta (A) von 1970. Der als sogenannter RestoMod aufgebaute Manta GSe ElektroMod (Basisfahrzeug ist ein Manta von 1973) zeigt, wie zeitlos die sportliche Linienführung von einst auch heute noch ist. Allerdings verfügt der Manta GSe nicht über eine klassische Vierzylinder-Motorisierung, sondern über einen vollelektrischen Antriebsstrang, der die Kraft an die Hinterräder liefert und an ein Vierganggetriebe mit Automatikmodus gekoppelt ist. Der Manta GSe soll in die elektrische Zukunft für alle Opel-Modelle weisen, und er trägt als erstes Modell der Rüsselsheimer Marke das neu erdachte GSe-Signet
2022: Opel kündigt eine Rückkehr der Typenkürzels GS/E an, nun allerdings in der Schreibweise GSe. Bedeutete die Abkürzung GS/E einst Grand Sport mit elektronischer Einspritzung, so steht GSe heute für Grand Sport electric und eine neue sportliche Submarke von Opel
2023: Auf dem Autosalon in Brüssel präsentiert Opel neben dem vollelektrischen Astra auch die neue Submarke GSe mit den Plug-in-Hybridmodellen Astra GSe und Grandland GSe. Weitere GSe-Modelle sind angekündigt. Vorerst stärkster Vertreter der GSe-Familie ist der Grandland GSe mit einer Systemleistung von 221 kW/300 PS
Quelle: ntv.de, Wolfram Nickel, sp-x
Tags: