Nobelviertel-Anwohner wehrt sich gegen Vorwürfe

  11 April 2016    Gelesen: 860
Nobelviertel-Anwohner wehrt sich gegen Vorwürfe
Die Nachricht sorgte bundesweit für Aufsehen: Anwohner sollen mit rabiaten Mitteln den Bau einer Flüchtlingsunterkunft verhindert haben. Doch ein Betroffener sagt nun: Alles war ganz anders.
Seit einer Woche wird in Hamburg, aber auch überregional über den gescheiterten Versuch des Bezirksamts Altona gestritten, im Blankeneser Björnsonweg knapp 200 Flüchtlinge auf einer Fläche unterzubringen, auf der jetzt noch Bäume stehen. Verweigerungshaltung und Bonzenverhalten wurden den Anwohnern vorgeworfen, die über die öffentlichen Reaktionen erschrocken sind und darauf verweisen, seit eineinhalb Jahren mit dem Bezirksamt im Gespräch zu sein und selbst eine Unterkunft für 120 Flüchtlinge plus Sozialräume vorgeschlagen zu haben.

In einem Schreiben an die "Welt" schildert ein Anwohner auch den Ablauf der Aktion am vergangenen Dienstag anders als bisher dargestellt. Aus Sorge vor Angriffen möchte er anonym bleiben, die Redaktion hat mit den Verfassern aber gesprochen. Wir veröffentlichen den folgenden Brief als Diskussionsbeitrag.

"Ich war bei der morgendlichen Aktion dabei und kann nur berichten, dass das absolut friedlich verlief und die gern gebrauchte Titulierung `rabiat` völlig falsch ist.

Absolut falsch ist, dass die dort geparkten Autos effektiv die Fällarbeiten behindert hätten. Deren Lkw konnte im Wendehammer ungestört parken, die Arbeiter ihre Motorsägen abladen und zum vorgesehenen Tatort transportieren.

Falsch ist auch, dass die Autos dort nicht hätten parken dürfen. Es gab kein Halte- oder Parkverbot, die Polizisten bestätigten dies. Vielleicht war es die schlitzohrige Absicht einiger Anwohner zu behindern, aber wirksam umgesetzt wurde es überhaupt nicht.

Die Aktion mit den Farbklecksen war doch auch nur ein Versuch, Zeit zu gewinnen, bis das Gericht entscheidet, und hat in keiner Weise gegen Recht verstoßen, war übrigens auch nicht wirksam, weil die Fällarbeiter einen Lageplan und aufgelistet hatten, welche Bäume geholzt werden sollten.

Schuld an der Zuspitzung hatte alleine die Behörde

Schuld an dieser Zuspitzung hatte alleine die Behörde, die bei falscher Führung der Verfahrensabläufe durch Nacht-und-Nebel-Aktion vollendete Tatsachen schaffen wollte, bevor der ordentliche Rechtsweg abgeschlossen war und die Einsprüche gewertet.

Am Dienstagmorgen nun standen 5 bis 8 Einwohner in wechselnder Besetzung dort und unterhielten sich mit dem Gartenbauer sehr sachlich darüber, dass der Eilantrag bei Gericht abgegeben sei und unserer Meinung nach diese Entscheidung abzuwarten sei. Er telefonierte mit der Behörde, rief zur Abklärung die Polizei, die wir entsprechend unterrichteten, die dann wieder die vorgesetzte Stelle befragte und die Zeit sich zog. Wir kamen alle überein, dass der bestätigte Eingang bei Gericht abzuwarten sei, der dann auch zügig kam, die Behörde einlenkte und die Arbeiter wieder ihre Sägen einpackten und davonfuhren.

In all dieser Zeit fiel auch nicht ein einziges böses Wort zwischen Baumfällern, Anwohnern und Polizisten! Alle waren verständig und tauschten in völlig entspannter Atmosphäre Informationen und auch Smalltalk aus. Hier im Björnsonweg herrschen weder der Geist von Pegida noch AfD, und wir lassen uns nicht mit diesen Leuten gemein machen. Wir haben stets angeboten, eine den örtlichen Gegebenheiten angemessene Unterkunft aktiv zu unterstützen, und haben dafür detaillierte Konzepte erarbeitet. Das wurde ignorant abgebügelt und am Runden Tisch seinerzeit die Aussage getätigt, es wäre nett, wenn man unterstützt, die Stadt und deren Behörden könnten das aber auch alles alleine meistern.

Dass die Naturschutzverbände nun das überdimensionierte Vorhaben sehr kritisch und nicht mit geltendem nationalem und europäischem Recht als vereinbar ansehen, kommt unserem Verständnis entgegen, ist aber von allen Anwohnerinteressen getrennt zu sehen und eigenständig juristisch zu bewerten.

Hier ist von Seiten der Anwohner versucht worden, einen sehr sanften gewaltfreien Widerstand zu praktizieren, wobei aber lediglich das freundlich gesprochene Wort Wirkung zeigte und half, den das Recht verletzenden Überrumpelungsversuch der Behörden so lange zu verzögern, bis das Gericht gesprochen hat. Was ist daran falsch?"

Quelle : welt.de

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