Über eine einzelne Runde war es Charles Leclerc gelungen, die übermächtigen Red-Bull-Piloten hinter sich zu lassen. Gleich zweimal sogar, weil beim Großen Preis von Aserbaidschan das neue Sprint-Format seine Premiere feierte: Sowohl im traditionellen Qualifying als auch im erstmals ausgetragenen Sprint-Shootout pilotierte der Vize-Weltmeister seinen Ferrari auf Rang eins des Tableaus. Am vierten Rennwochenende dieser Formel-1-Saison ging die Pole Position erstmals nicht an Red Bull - doch schon kurz nach Erlöschen der Startampeln rauschten Sergio Perez und Max Verstappen in den engen Straßen von Baku am Monegassen vorbei.
"Wir haben alles gemacht, alles versucht", sagte Leclerc anschließend, "aber die Wahrheit ist: Wir sind nicht schnell genug. Wir haben einfach nicht genug Leistung." Im Grand Prix hatte er zwar als Dritter den ersten Podestplatz der Scuderia in diesem Jahr eingefahren, allerdings mit gewaltigem Abstand zu den Red Bulls. 21 Sekunden fehlten auf Sieger Perez, 19 Sekunden auf den Zweiten Verstappen. Was die italienische "Gazzetta dello Sport" als "neue harte Lektion vom Weltmeisterteam" einordnete: "Es braucht ein Wunder, um den Unterschied zwischen Ferrari und den Weltmeistern zu überbrücken." Denn, dieser Eindruck verfestigt sich nach den ersten vier von 23 geplanten Rennen: Red Bull fährt in einer eigenen Liga.
"Wir sind vielleicht ein bisschen näher gekommen", beschrieb Leclerc seine Sicht der Dinge, "aber wir sind immer noch ziemlich weit hintendran bei der Renngeschwindigkeit." Im samstäglichen Sprint über 17 Runden war er als Zweiter hinter Perez, aber vor Verstappen ins Ziel gekommen, wobei der Niederländer nach einer Kollision mit einem Loch im Seitenkasten unterwegs war. Am Sonntag jedoch stürmte Verstappen in Runde drei an Leclerc, Perez folgte in Runde sechs und beide legten sofort mehrere Sekunden zwischen sich und den Ferrari. "Über 51 Runden können wir nichts machen", resümierte Leclerc: "Wir hätten einfach nichts besser machen können."
Wette von Mercedes-Pilot geht bislang auf
Im vergangenen Jahr war Ferrari der einzige ernsthafte Konkurrent Red Bulls gewesen, jetzt freute sich Leclerc schon darüber, "ein paar Punkte zu holen". Nach schwachem Saisonstart liegt der 25-Jährige mit 28 Punkten aktuell nur auf Rang sechs der Fahrerwertung. Verstappen hat bereits 93 gesammelt, Perez 87, Dritter ist überraschend der als Nachfolger von Sebastian Vettel zu Aston Martin gewechselte Fernando Alonso mit 60 Punkten vor Rekordweltmeister Lewis Hamilton mit 48.
Dessen Mercedes-Teamkollege George Russell hatte schon nach dem Saisonauftakt in Bahrain kapituliert, er "würde sogar wetten, dass sie jedes einzelne Rennen gewinnen." Bislang siegten Verstappen und Perez je zweimal, in drei von vier Grands Prix gelang ihnen sogar der Doppelsieg. Teamchef Toto Wolff sagte gar schonungslos: "Red Bull ist auf einem anderen Planeten." In Baku fehlten Hamilton als bestem Silberpfeil auf Platz sechs mehr als 46 Sekunden zu Perez - wobei er weniger als Sekunde hinter dem fünftplatzierten Sainz im zweiten Ferrari ins Ziel kam.
"Wir haben noch sehr viel Arbeit vor uns, was die Geschwindigkeit angeht", sagte Leclerc, der von den beiden Red-Bull-Fahrern jeweils am Ende einer langen Geraden überholt worden war - jeweils chancenlos aufgrund des überlegenen Topspeed des RB19. "Wir müssen extrem hart arbeiten, um wieder mit diesen Jungs kämpfen zu können."
Viel Zeit bleibt dafür allerdings nicht: Schon am kommenden Wochenende gastiert die Formel 1 in Miami, dann folgt eine rennfreie Woche, ehe der erste "Triple Header" dieser Saison ansteht: Drei Rennen an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden. Erst im italienischen Imola in der Nähe der Ferrari-Zentrale in Maranello, dann in Monaco und schließlich der Große Preis von Spanien in Barcelona. Danach könnte angesichts der Red-Bull-Übermacht die ersten Vorentscheidungen schon nach gerade einmal einem Drittel der Saison gefallen sein.
Quelle: ntv.de
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