Wer kennt ihn nicht, den Ford Transit. Dieser Modellname steht bereits seit Mitte der 1960er Jahre für solide Transporter-Kompetenz. An dieser Stelle jedoch wird es Zeit, einmal die Nomenklatur aufzudröseln. Während es sich beim bis heute gebauten Ford Transit (ohne Zusatzbezeichnung) um den klassischen, großen Transporter handelt, sind die hier besprochenen Custom-Modelle nicht zwingend Transit-Ausführungen. Der Transit steht in diesem Fall für die geschlossenen Cargo-Varianten, während "Tourneo" die Personenwagen-Ausführung mit Fenstern im Fond statt verblechten Flächen bezeichnet. Und der Zusatz "Custom" definiert die Eintonnen-Klasse. Klein ist der jetzt völlig neu entwickelte Custom übrigens nicht, die "L2"-Ausgaben (3,50 Meter Radstand) sind mit 5,45 Metern schon ziemlich ausladend. Und selbst die Basis (L1) mit 3,10 Metern Radstand misst immer noch stattliche 5,05 Meter.
Dass Transporter eine längere Halbwertszeit haben, merkt man an der Laufzeit des Vorgängers von zehn Jahren. Und so wundert es nicht, dass die taufrische Custom-Ausgabe einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht hat. Doch gemach, äußerlich hat sich der Ford nur evolutionär entwickelt. Sanft in der Gestaltung veränderte Frontscheinwerfer (auf Wunsch jetzt auch mit adaptiver Matrix-Technologie) dürften nur Experten identifizieren. Da fällt die durchgehende, schimmernde Leiste oberhalb des Kühlergrills schon eher auf. Leicht futuristisch wirkende Schlussleuchten mit flächiger Lichtverteilung unterstreichen ebenfalls den moderaten Kurs.
Neue Custom-Modelle innen weiterentwickelt
Mehr Veränderung hingegen gibt es im Cockpit: Man sitzt noch nicht ganz im Fahrzeug, da springen einen die beiden Monitore bereits förmlich an. Allerdings halten sich die Innenarchitekten mit übertriebener Multimedia-Eskalation zurück. Jedenfalls setzen sie ihren Infotainment-Anspruch nicht so szenisch um mit einem etwaigen Designer-Riesenscreen, sondern installieren eine eher konservativ gehaltene Armaturenlandschaft inklusive zweier unterschiedlich großer Bildschirme (rechts hockt das Kombiinstrument). Wenig Display ist das trotzdem nicht - 13 Zoll bietet der mittlere Touchscreen. Und es gibt jede Menge Finessen für Digital-Natives wie den integrierten 5G-Standard, um schnell Updates "over the air" fahren zu können.
Außerdem bietet ein auf Googles Sprachassistent "Alexa" basierendes System seine Dienste an, eine drahtlose Smartphone-Integration ist ebenso verfügbar. Wie einfach sich der Custom bedienen lässt, muss sich mit der Zeit noch herausstellen. Der dauerpiepende Tempolimitwarner jedenfalls lässt sich mit einem fünf Sekunden langen Druck auf die entsprechende Lenkradtaste deaktivieren.
Aber wenn nach zehn Jahren ein neuer Custom auf den Markt kommt, erwarte ich auch frische Hardware. Und zu der gehören vor allem neue Antriebe. Ford hat seine Hausaufgaben freilich erledigt: Modifizierte BEV- und PHEV-Varianten sind bereits in der Pipeline. Aber die ersten Runden werden ganz klassisch im Selbstzünder gedreht. Deren zwei bietet Ford hier und heute an - und zwar Vierzylinder mit zwei Litern Hubraum. Der hier vor Ort fahrbare Einstieg leistet 150 PS (lieferbare Basis: 136 PS) und reicht seine 360 Newtonmeter Drehmoment an ein Sechsgang-Schaltgetriebe. Die stärkere Ausführung bringt 170 PS und gibt 390 Newtonmeter an eine achtstufige Wandlerautomatik.
Spritzige und kultivierte Diesel erfreuen
Asthmatische Fortbewegung kann man keinem der beiden Modelle vorwerfen (auf die Angabe von Beschleunigungswerten verzichtet Ford allerdings), zumal die Neukonstruktion des Chassis den Custom rund 100 Kilogramm leichter macht; sie wiegen nun etwas weniger als 2,4 Tonnen leer. Trotz immer noch reichlich Masse reißen beide Versionen bissig an, selbst die schwächere wirkt geradezu spritzig dank recht kurz übersetzter sechs Gänge. Die klassische Box lässt sich außerdem leichtgängig bedienen. Allerdings besteht beim Lastwechsel eine leichte Tendenz zur ruckelnden Gangart, wenn man nicht behutsam schaltet.
Aus der Komfort-Perspektive wäre die 170 PS starke Variante freilich die bessere Wahl, die es übrigens ausschließlich mit dem zügig und gleichermaßen geschmeidig agierenden Achtgang-Wandler (Neuentwicklung) gibt. Dieser ist höchstens mit einem äußerst nervösen Gasfuß aus der Ruhe zu bringen und wird dann hektisch im Schaltverhalten. Im moderaten Fahrbetrieb erledigt er seinen Job allerdings fein.
Die Stärke der neuen Custom-Generation liegt im spürbar verbesserten Fahrkomfort. Der große Ford besticht durch leise Innenraumgeräusche. Weder Diesellärm noch Windrauschen dringen über Gebühr aufdringlich in das Innenleben. Auch die Art und Weise, mit der die Federung die Auswirkung von Bodenwellen eliminiert, dürfte auf das Wohlwollen der Passagiere stoßen.
Und wer als Fahrgast des Neunsitzers hinten mitreist, freut sich über verbesserte Platzverhältnisse. Zu den praktischen Gadgets gehören optional elektrisch angetriebene Schiebetüren (beidseitig), die per Kickbewegung öffnen. Das ist vor allem dann hilfreich, wenn man gerade mit vollen Händen einsteigen möchte. Zahlreiche Sitzkonfigurationen sorgen für ein bisschen Qual durch Auswahl, aber eben auch für entsprechende Individualität. USB-Slots in der zweiten Reihe halten außerdem mobile Endgeräte flott.
Motorenangebot der Custom-Modelle ist reichhaltig
Und sonst? Viele Assistenten wie ein adaptiver Tempomat steigern Komfort und Sicherheit. Letztere soll ein neuartiger Dachairbag weiter erhöhen, der sich im Falle eines Falles oberhalb der Köpfe in der Fahrerkabine entfaltet. Ach ja, und dann ist über die vielen Antriebsversionen zu sprechen, zwischen denen nutzwertorientierte Kunden wählen können. Das wird ein langes Studium der Prospekte respektive der PDF-Dokumente zur Folge haben.
Unter den Optionen sind ein Plug-in-Hybrid mit 12 kWh großer Batterie, 56 Kilometern Reichweite und 232 PS plus zwei vollelektrische Ausgaben mit 64 kWh großem Akku, wahlweise 136 oder 218 PS sowie 125 Kilowatt Ladeleistung. Letztere werden serienmäßig über eine Wärmepumpe verfügen. Abstriche sind dann bei der Anhängelast hinzunehmen. Denn während die (auf Wunsch auch als Allradler lieferbaren) Verbrenner bis zu 2,8 Tonnen an den Haken nehmen dürfen, sind es bei den Voll- und Teilzeitstromern bloß 2,3. Mit über 5000 Litern Laderaumvolumen und bis zu knapp 1,4 Tonnen Nutzlast sowie einem reichhaltigen Angebot an Cargoausführungen (Transit) plus den ganzen Motorenvarianten bleibt die Custom-Baureihe eine starke Offerte im Segment der Utilities.
Vor allem der Tourneo ist aber kein Sonderangebot und bewegt sich mit Tarifen zwischen 50.991 und 69.317 Euro auf preislich exponiertem Level. Die Transit-Versionen dürften geringfügig darunter liegen und erfreuen, wenn man möchte, mit neuartiger Assistenz: Beim kurzzeitigen Anhalten können bestimmte automatisch wiederkehrende Vorgänge erfolgen wie das Abstellen des Motors, das Einschalten des Warnblinkers oder das Schließen der Fenster (praktisch für Kuriere). Und es gibt wieder den Camper namens Nugget. Während die Auslieferung der Diesel jetzt erfolgt, werden die Ausführungen mit alternativen Antrieben ab dem Frühjahr 2024 starten.
Quelle: ntv.de
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