Die Debatte um Verkehrswende und Elektromobilität spaltet die Menschen in Europa seit Jahren. Doch während in unseren Breitengeraden über den Sinn eines Verbrennerverbots weiter gestritten wird, scheint man in einigen Regionen Afrikas schon weiter zu sein - mit Chancen, die weit über eine wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Verkehrswende hinausreichen.
Elektrifizierte Fahrzeuge könnten individuelle Mobilität und öffentliche Verkehrssysteme in Afrika wirtschaftlicher und demokratischer machen. Längerfristig könnte sich dabei sogar eine eigene Fahrzeugindustrie entwickeln. Die neue Mobilität bietet zudem Chancen, den Klimaschutz voranzutreiben und die Abhängigkeit von teuren Ölimporten zu verringern.
Importverbot für Verbrenner-Autos in Äthiopien
Einer der spannendsten Märkte für Elektromobilität dürfte in den kommenden Jahren Äthiopien werden. Das Land mit fast 130 Millionen Einwohnern hat Anfang 2024 ein Importverbot für Verbrenner-Autos verhängt - und das, obwohl es bislang keine eigene Autoindustrie gibt. Damit kommt das Verbot einem rigorosen Verbrennerverbot gleich, mehr als ein Jahrzehnt bevor ein ähnlicher Schritt in Europa umgesetzt werden soll.
Die Regierung in Addis Abeba hat handfeste wirtschaftliche Gründe für diesen Schritt. Das Land ist auf kostspielige Treibstoffimporte angewiesen: 2023 summierten sich die Ausgaben für die Einfuhr fossiler Brennstoffe auf über sechs Milliarden Dollar - eine schwere Belastung für die knappen Devisenreserven. Deshalb investiert Äthiopien massiv in erneuerbare Energien, insbesondere in Wasserkraft. Bis Anfang der 2030er-Jahre will das Land die Produktion von Grünstrom deutlich erhöhen und so unabhängiger von Ölimporten werden.
Bis 2050 klimaneutral - so ist Äthiopiens Plan
Auch Umwelt- und Klimaschutz spielen eine Rolle: Bis 2050 will Äthiopien klimaneutral sein - ein ambitioniertes Ziel für das arme Land, das bereits heute stark unter dem Klimawandel leidet.
Doch die Antriebswende kommt mit Hürden. Öffentliche Ladestationen sind rar, Stromausfälle häufig. Viele E-Autobesitzer müssen zu Hause laden, was angesichts der instabilen Energieversorgung eine Herausforderung ist. Auch bei Wartung und Ersatzteilen hakt es. Eine Reportage der Nachrichtenagentur AP aus Addis Abeba zeigt: Die wachsende Community der E-Autofahrer ist keineswegs nur begeistert.
Förderung der Einfuhr von E-Autos
Dennoch hält die Regierung an ihrem Kurs fest, wie die französische Tageszeitung "Le Monde" berichtete. Importeure von E-Autos lockt die Regierung zudem mit großzügigen Steueranreizen. Laut der US-amerikanischen Kommission für internationalen Handel (USITC) beträgt der Einfuhrzoll auf E-Autos in Äthiopien nur noch 15 Prozent, während auf Verbrenner-Pkw 15 Prozent Mehrwertsteuer, bis zu 100 Prozent Verbrauchssteuer, 10 Prozent Zusatzsteuer und 3 Prozent Quellensteuer kommen. E-Autos sind damit die günstigere Alternative.
Die Rechnung scheint aufzugehen: Die Regierung prognostizierte ursprünglich 148.000 E-Autos bis 2032. Doch bereits im Sommer 2024 waren es rund 100.000 - die Prognose wurde mittlerweile auf 439.000 Fahrzeuge bis 2030 angehoben. Damit wäre in einigen Jahren ein Drittel der Pkw im Land elektrisch. Laut USITC gibt es aktuell lediglich 1,2 Millionen Autos in Äthiopien.
Partnerschaftsabkommen mit BYD
Auch ausländische Hersteller erkennen das Marktpotenzial. Hilina Legesse, Präsidentin der Addis Abeba E-Mobility Association, berichtet in einem kürzlich geführten Interview mit CNBC Africa von einem Partnerschaftsabkommen zwischen dem 1959 in Addis Abeba gegründeten Autoimporteur Moenco und dem chinesischen Autoriesen BYD.
Laut Legesse wird das Interesse von Investoren weiter zunehmen. Unter anderem will man dem Infrastrukturproblem mit dem Aufbau von 100 Batteriewechselstationen entgegnen. Verkehrsminister Bareo Hassen träumt sogar von einer eigenen Elektroauto-Produktion - bisher jedoch ohne Aussicht auf Erfolg. So scheiterte kürzlich ein geplantes Joint Venture mit Hyundai. Hoffnung gibt es noch auf den Aufbau einer eigenen Batteriefertigung.
E-Mobilität boomt in Kenia
In Kenia, dem südlichen Nachbar Äthiopiens, boomt die E-Mobilität ebenfalls. Allerdings nicht aufgrund staatlicher Verbote, sondern vielmehr als Folge pragmatischer Lösungen. Das Land erzeugt bereits heute über 90 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen. Photovoltaik spielt dabei eine zunehmend wichtige Rolle.
In der Hauptstadt Nairobi gibt es mittlerweile eine Community von Solaranlagen-Betreibern, die sich mit immer besseren Installationen überbieten, wie Joseph Gakuru, Chef der Firma Qtron, in einem Interview mit dem Youtube-Kanal The China-Global South Project berichtet. Die zunehmende Eigenversorgung mit Sonnenstrom eröffnet Chancen für die E-Mobilität, trotz fehlender Ladeinfrastruktur.
Unternehmen wie Qtron haben das erkannt und setzen auf Elektro-Umbauten: Alte Land Rover Defender, betagte Mercedes-Modelle oder ein VW-Bus wurden bereits auf Elektroantrieb umgerüstet. Der Kunde kann wählen, ob die Umrüsttechnik aus Deutschland, China oder von Tesla kommt. Besonders gefragt sind chinesische Komponenten - sie sind erschwinglich, zuverlässig und schnell verfügbar.
Die Preise für eine Umrüstung variieren stark: Ein aufwendiges Premium-Projekt kann bis zu 40.000 Dollar kosten. Trotzdem ist das oft günstiger als ein importierter Neuwagen, denn Kenia erhebt hohe Steuern auf neue E-Autos, bei denen sich der Endpreis verdoppeln kann.
Kenianische Firma Roam produziert E-Motorräder und E-Busse
Während Retrofit-Anbieter wie Qtron in der Nische agieren, geht das kenianische Unternehmen Roam einen Schritt weiter. 2017 begann es ebenfalls mit der Elektrifizierung von Toyota Land Cruisern, heute produziert es eigene E-Motorräder und Elektrobusse. Das erste Modell, das E-Moped Air, wurde in Kenia entwickelt und kostet rund 2200 Dollar. Es wurde speziell für den afrikanischen Markt konzipiert: einfach, robust und vielseitig nutzbar. Das Moped fährt bis zu 90 km/h schnell und hat eine Reichweite von 140 Kilometern. Laden lässt es sich an jeder Steckdose. Roam betreibt mittlerweile außerdem mobile Batterietauschstationen in umgebauten Schiffscontainern mit Solarpanelen.
Das Unternehmen will jedoch nicht nur Motorräder elektrifizieren, sondern auch den Nahverkehr revolutionieren. Die Roam-Busse, die bis zu 90 Passagiere befördern und eine Reichweite von 360 Kilometern haben, sollen Dieselbusse ersetzen. Bis 2026 plant Roam die Produktion von 200 E-Bussen. Die Rechnung ist einfach: Niedrigere Betriebskosten machen Elektrobusse langfristig wirtschaftlicher als Dieselmodelle.
Afrikas Elektromobilitäts-Revolution ist zumindest in einigen Ländern also in vollem Gange - mit unterschiedlichen Ansätzen. Während Äthiopien mit staatlichen Vorgaben den Wandel erzwingt, entsteht in Kenia ganz von selbst ein florierender Markt für E-Mobilität. Denn Kenia hat das, was es dafür braucht: viel Sonne, eine wachsende Unternehmerkultur - und den Willen, sich technologisch zu emanzipieren.
Burkina Fasos E-Automarke Itaoua: wie Dongfeng Nammi
Dieser Wille treibt auch andere Länder Afrikas dazu, auf die E-Mobilität zu setzen und sich von der wirtschaftlichen und technologischen Dominanz Europas zu emanzipieren. Doch könnte dies dazu führen, sich in neue Abhängigkeiten zu verstricken. Anfang 2025 hat zum Beispiel der Staat Burkina Faso die neue E-Automarke Itaoua vorgestellt.
Angeblich handelt es sich um den ersten 100 Prozent afrikanischen E-Autohersteller, wie die 2022 an die Macht geputschte Militärregierung in der Hauptstadt Ouagadougou im Rahmen einer propagandistisch inszenierten Präsentation glauben machen will. Das Modell Native entspricht allerdings 1:1 dem Dongfeng Nammi aus China.
Quelle: ntv.de, Mario Hommen, sp-x
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