Erdogan ernennt Kritiker der USA zum Innenminister

  01 September 2016    Gelesen: 827
Erdogan ernennt Kritiker der USA zum Innenminister
Der türkische Präsident Erdogan hat den bisherigen Arbeitsminister Süleyman Soylu zum neuen Innenminister ernannt. Die Personalie ist bemerkenswert: Soylu hatte als erster Minister die USA beschuldigt, hinter dem gescheiterten Putsch-Versuch zu stecken. US-Präsident Obama hat die Anschuldigungen energisch zurückgewiesen.
Der türkische Innenminister Efkan Ala ist am Mittwoch überraschend zurückgetreten. Sein Nachfolger werde der bisherige Arbeitsminister Süleyman Soylu, teilte Regierungschef Binali Yildirim am Abend im Fernsehen mit. Gründe für den Rücktritt des Ministers wurden nicht angegeben. Die Ernennung ist auch ein Zeichen, dass sich der türkische Präsident offenbar nicht sicher ist, dass es keine weiteren Putschversuche gibt: Das Innenministerium ist ein Schlüssel-Ressort für die innere Sicherheit. Soylu hatte als erster Minister die USA öffentlich beschuldigt, hinter dem Putschversuch zu stecken.

Süleyman Soylu, der Arbeitsminister der Türkei, hatte im TV-Sender Haberturk gesagt: „Hinter diesem Putsch stecken die USA.“. Er war zuvor bei der DYP Mitglied. Er kommt aus einer eingesessenen Bürokratenfamilie der Mitte-Rechts-Parteien – also Demokratische Partei unter Menderes und Gerechtigskeitspartei unter Demirel. Soylu ist eigentlich ein ziemlich korrekter und ruhiger Politiker und gilt als unideologisch und realpolitisch orientiert.

Der Wechsel ist auch ein Signal in Richtung der USA, mit denen die Türkei im Clinch liegt. Wie angespannt das Verhältnis ist, zeigen auch die Wortmeldungen zum Konflikt in Syrien. Die Türkei verfolgt einen eigenen Kurs und hat eine Militär-Aktion gestartet – welche von den USA unmissverständlich kritisiert wurde.

Die Türkei hat den US-Botschafter in der Türkei, John Bass, ins Außenministerium zitiert, um den Protest gegen die „völlig inakzeptablen“ amerikanischen Äußerungen zum Militäreinsatz der Türkei in Syrien auszudrücken: US-Verteidigungsminister Ash Carter hatte die Türkei aufgefordert, nicht gegen die Kurden zu kämpfen. Besonders empört ist man in Ankara über die Aussage Carters, es gäbe eine lose Vereinbarung über einen Waffenstillstand zwischen der Türkei un den Kurden: Einen Waffenstillstand mit der syrischen Kurdenpartei PYD gebe es nicht. Die Türkei verbat sich die Darstellung, dass ein souveräner Staat wie die Türkei auf eine Stufe mit einer kämpfenden Miliz gestellt werde. Ankara akzeptiere „unter keinen Umständen“ einen Kompromiss oder eine Waffenruhe zwischen der Türkei und „kurdischen Elementen“, sagte Europaminister Ömer Celik am Mittwoch der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Die USA hatten die Waffenruhe am Dienstag verkündet.

Die Türkei sei ein „souveräner, legitimer Staat“ und könne nicht mit einer „Terrororganisation“ auf eine Stufe gestellt werden, sagte Celik. Der Minister bezog sich dabei auf die syrisch-kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) und ihren bewaffneten Arm, die Volksverteidigungseinheiten (YPG). Diese sieht Ankara – so wie in der Türkei die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – als „Terrororganisationen“ an.

Die Türkei will trotz Kritik des Nato-Partners USA ihre Offensive gegen kurdische Kämpfer in Nordsyrien fortsetzen. Der Einsatz werde vorangetrieben, bis alle Bedrohungen beseitigt und die nationale Sicherheit gewährleistet sei, sagte Regierungschef Binali Yildirim am Mittwoch. Vor einer Woche war die türkische Armee in Syrien eingerückt, um nach eigenen Angaben die Extremistenmiliz IS sowie die Kurdenmilizen dort zu bekämpfen. Dem Präsidialamt zufolge soll entlang der türkisch-syrischen Grenze ein 90 Kilometer breiter Streifen geschaffen werden, in dem es keine IS-Kämpfer mehr gibt.

Die türkischen Streitkräfte und verbündete syrische Rebellen kämpfen gegen den Islamischen Staat (IS) und kurdische Einheiten, die ebenfalls verfeindet sind. Der Nato-Staat wird seit dem vergangenen Jahr immer wieder von Anschlägen erschüttert, für die der IS verantwortlich sein soll. Zudem will die Regierung mit der Operation „Schutzschild Euphrat“ verhindern, dass die Kurden in Nordsyrien weitere Gebiete erobern. Sie kämpft auch im eigenen Land gegen kurdische Rebellen.

Ein Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte, im Syrien-Konflikt seien kurdische Einheiten Ziele, solange sie sich westlich des Euphrat aufhielten.

Das Vorgehen der Türkei ist heikel, weil der militärische Arm der PYD, die YPG, ein wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen den IS ist. So hatte das Verteidigungsministerium in Washington kritisiert, die Offensive spiele den Islamisten in die Hände. Erdogans Sprecher entgegnete nun, es sei ein Mythos, dass nur die YPG im Kampf gegen den IS effektiv sei. Es sei nicht hinnehmbar, dass sein Land beim Anti-IS-Kampf mit der Miliz verglichen werde.

In den vergangenen Jahren sind Tausende ausländische Kämpfer – darunter viele aus Westeuropa – über die Türkei nach Irak und Syrien gereist, um sich dem IS anzuschließen. Die Regierung in Ankara geht inzwischen verstärkt gegen Helfer der radikalen Islamisten vor. Allein seit Anfang des Jahres seien 865 Verdächtige wegen mutmaßlicher Verbindungen zum IS verhaftet worden, sagte Innenminister Efkan Ala. Über die Hälfte von ihnen seien Ausländer.

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