Diese Ziele hat Putin in Syrien schon erreicht

  27 Oktober 2015    Gelesen: 522
Diese Ziele hat Putin in Syrien schon erreicht
Russlands Syrien-Feldzug wirft Fragen auf. Will Putin sich den Weg zurück auf die Weltbühne frei bomben? Was plant Russlands Präsident im Nahen Osten, und was hat das mit der Ukraine zu tun?
Die Regeln von Straßenschlägereien gelten auch für die internationale Politik. Das glaubt zumindest Wladimir Putin. Am Donnerstag enthüllte der russische Präsident in Sotschi die wichtigste Lektion seiner Kindheit. "Vor fünfzig Jahren hat mir die Leningrader Straße beigebracht: Wenn eine Schlägerei unvermeidbar ist, dann muss man als Erster zuschlagen."

Er meinte dabei die russischen Luftangriffe in Syrien. Mit raschen Handlungen seine Gegner zu übertölpeln ist eine bevorzugte Taktik des russischen Präsidenten.

Wie in der Ukraine will Putin mit der aggressiven Politik demonstrieren, dass er für seine Einflusssphäre kämpft. In Sotschi erinnerte er daran, dass die Ordnung der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen den Großmächten in der sowjetischen Stadt Jalta geregelt wurde.

Nach dem Kalten Krieg seien die ideologischen Spannungen geringer, nicht jedoch die geopolitischen Widersprüche. Jeder Staat habe seine Interessen. Das sei "natürlich", sagte Putin. Aber die Konkurrenz zwischen Staaten müsse im Rahmen von bestimmten "Normen und Regeln" stattfinden.

Was der russische Präsident langfristig vom Westen will, ist, dass seine Einflusssphäre anerkannt wird. Mit der Operation in Syrien zeigt er, dass diese Interessen über das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion hinausgehen.

Die Entscheidung über den russischen Militäreinsatz in Syrien wurde gleichsam in letzter Minute gefällt. Denn das günstige Zeitfenster drohte sich bereits zu schließen: Syriens Präsident Baschar al-Assad, den Russland seit Beginn des Krieges unterstützt hatte, erlitt eine Serie militärischer Niederlagen. Die Flüchtlingskrise, welche die Europäische Union überfordert, drängt diese zugleich zum Handeln.

Pläne von einer Flugverbotszone, welche die von den Vereinigten Staaten angeführte Koalition einrichten sollte, standen im Raum. Einmal eingerichtet, bestand das Risiko, dass über Syriens Zukunft bald ohne Assad – und ohne Putin – entschieden worden wäre.

Seit dem Besuch des amerikanischen Außenministers John Kerry in Sotschi im Mai wurden die Gespräche über Syrien zwischen Russland und den USA intensiver geführt. Auch der Außenminister Saudi-Arabiens kam im August nach Moskau, um zu prüfen, inwieweit Russland bereit wäre, sich auf eine Lösung ohne Assad einzulassen.

Russland warb für die Idee einer gemeinsamen Anti-Terror-Koalition, die jedoch bei den Verhandlungspartnern nicht auf Gegenliebe stieß. Was schon allein daran lag, dass zwischen Russland und den übrigen Mächten keine Einigkeit darüber besteht, wer überhaupt als Terrorist zu betrachten ist. Gruppen, die Amerikaner als gemäßigte Rebellen unterstützen, hält Putin auch für Terroristen. Schließlich beschloss er dann, die eigene Position am Verhandlungstisch mithilfe seiner Bomberflotte zu verbessern. So begann seine "Sonderoperation" in Syrien.

Mit Jagdbombern zu Rekord-Zustimmungswerten

In den Monaten davor haben vor allem drei Männer im Kreml die Idee eines Militäreinsatzes in Syrien vorangetragen. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, waren dies in vorderster Linie Sergej Iwanow, der Leiter der Präsidialverwaltung, und Nikolai Patruschew, Chef des russischen Sicherheitsrates. Beide kommen wie Putin aus den Geheimdiensten. Der Verteidigungsminister Sergej Schojgu musste dann sicherstellen, dass bei dieser riskanten Militäroperation nichts schiefläuft. Schojgu gilt in Russland als Mann, der seinem Boss die Wünsche von den Lippen lesen kann und stets loyal zu ihm ist. Der Chefredakteur des unabhängigen Fernsehsenders Doschd, Michail Sygar, beschreibt in seinem neusten Buch "Endspiel", wie Schojgu das Vertrauen des Präsidenten gewann.

Als Katastrophenschutzminister organisierte er jahrelang Putins exotische Ausflüge in die entferntesten Ecken Russlands, inklusive der zahlreichen Macho-Foto-Shootings in wilden Gebirgslandschaften und eiskalten sibirischen Flüssen. So wurde Schojgu Leiter eines "exklusiven Präsidentenreisebüros". Nun ist er der militärische Kopf hinter dem Syrien-Einsatz.

Für Beobachter im Westen mag der Plan absurd klingen, doch die Grundidee war offenbar die, dass der Einsatz von Jagdbombern und Soldaten in Syrien Russland helfen sollte, aus der internationalen Isolation herauszukommen, in die es durch die Annexion der Krim und den Krieg in der Ostukraine geraten ist. "Wenn eine strategische Überlegung hinter dem Syrien-Einsatz steht, dann ist es ein Signal an die USA: "Russland ist zu einem Spieler geworden, der Fragen der Weltordnung lösen kann", sagt Leonid Issajew, ein russischer Nahostexperte aus der Moskauer Higher School of Economics.

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