Weil frühere und aktuelle Vorstände und Aufsichtsräte der Bank einem Irrtum aufgesessen sind. Vor zwanzig Jahren entschloss sich die Deutsche Bank, zu den führenden Investmentbanken der Welt gehören zu wollen, koste es, was es wolle. Hierfür kaufte sie in London und New York für viel Geld angelsächsische Investmentbanken. Die smarten amerikanischen, schweizerischen oder indisch-britischen Boni-Banker übernahmen im Lauf der Jahre das Ruder auch in Frankfurt. Für kurze Zeit wähnten sich die Finanzsöldner am Ziel, die Deutsche Bank zählte bis zur Bankenkrise zur Elite im Hochfinanzgeschäft. Aber der Preis dafür war hoch, nicht nur wegen der irrsinnigen Kosten.
Die Deutsche Bank galt als größter Hedgefonds der Welt
Bezahlt wurde der Kulturkampf in der Deutschen Bank auch mit dem Verlust von Ethik und Moral. Wie Hohn klingt heute ein Spruch vom ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann, es gebe kein Geschäft, das es wert sei, den eigenen Ruf zu ruinieren. Wegen Betrug, Manipulation und Geldwäsche drohen Strafen in Milliardenhöhe. Fielen diese deutlich niedriger aus als kolportiert, wird sich der Aktienkurs erholen.
In der Jagd nach dem nächsten Deal türmte die Deutsche Bank unvorstellbare Risiken auf, sie galt als größter Hedgefonds der Welt. Trotz Schrumpfung umfasst das Derivatebuch der Bank noch heute ein Volumen von etwa 35 Billionen Euro. Niemand weiß, wie groß die Gefahren sind, die dort lauern. Gering sind sie jedenfalls nicht. Sonst hätten nicht New Yorker Hedgefonds erst Deutsche-Bank-Aktien auf Termin verkauft, danach ihre Positionen glattgestellt, um das anschließend Finanzagenturen zu erzählen, woraufhin der Aktienkurs auf ein Tief von weniger als zehn Euro stürzte. Wie auch immer: Die Gegenparteien von Derivategeschäften trauen der Deutschen Bank immer weniger, die Versicherungsprämien sind nach oben geschossen.
Ist mein Geld noch sicher?
Inzwischen sind auch ganz normale Privat- und Firmenkunden verunsichert. Die bange Frage lautet: Ist mein Geld auf dem Konto noch sicher? Die ehrliche Antwort lautet: nur bis zu einem Betrag von 100.000 Euro. Denn nach den neuen Regeln der Europäischen Bankenunion könnten darüber hinausgehende Guthaben im Fall der Fälle rasiert werden, weil nicht nur Anleihebesitzer, sondern auch Großkunden als Gläubiger der Bank in Haftung genommen werden sollen. Nur wenn das Kapital in Form von Geldmarktfonds oder Anleihe- und Aktiendepots in einem Sondervermögen liegt, ist es dem Zugriff entzogen.
Diese Regeln führte die EU ein, um das Versprechen der Staatschefs nach der Finanzkrise einzulösen, wonach angeblich nie wieder eine Bank mit Steuergeld gerettet werden dürfe. Doch bei der ersten Anwendung – wie es in der EU mittlerweile schon Tradition ist – wurde die Regel umgangen, indem Rom eine Gläubigergruppe von Monte dei Paschi „entschädigte“. Natürlich will Bundeskanzlerin Merkel für die Deutsche Bank kein Staatsgeld geben, wie von angelsächsischen Spekulanten gefordert wird. Sie kann sich das außenpolitisch nicht leisten, weil Berlin in der italienischen Bankenrettung auf Härte drang, was die Häme aus Rom erklärt. Sie kann sich das auch innenpolitisch nicht leisten, wenn die CDU die nächste Wahl gewinnen will. Kein anderes Institut ist global stärker vernetzt als die Deutsche Bank, der Währungsfonds nannte sie die gefährlichste Bank der Welt. Deshalb müsste im Zweifelsfall die Deutsche Bank doch vom Staat gerettet werden, weshalb man fragen darf, warum die richtigen Lehren aus der Weltfinanzkrise noch immer nicht gezogen wurden.
Jetzt geht es darum, Zeit zu gewinnen. Aber wie macht man das, wenn das Vertrauen zerstört und die Bank ein Spielball von Spekulanten ist? Der Wunsch nach einem Verbot von Leerverkäufen, mit denen Spekulanten den Aktienkurs nach unten prügeln, ist ein Armutszeugnis, weil die Bank mit solchen Geschäften gut verdiente. Dasselbe gilt für die Furcht vor einer Kapitalerhöhung, die nach den großen Strafzahlungen sowieso nötig wird, selbst wenn die Preise im Keller und die Eigentümer gerupft sind.
Zum Glück verfügt die Bank über 215 Milliarden Euro Liquidität. Aber sie wird Investoren erst dann wieder überzeugen können, wenn sie ihren Irrtum eingesteht und zu einem verständlichen Geschäftsmodell zurückkehrt. Es stimmt nicht, dass deutsche Unternehmen eine deutsche Investmentbank brauchen. Das hat Bayer mit der Übernahme von Monsanto bewiesen, bei der die Deutsche Bank nicht gefragt wurde. Die Boni-Banker nahmen die Bank aus wie eine Weihnachtsgans, sie vernichteten mehr Kapital, als das Institut an der Börse wert ist, und sie sahen nicht, wie die neuen Aufsichtsregeln ihr Geschäft austrocknen. Der Abschied vom Investmentbanking braucht nicht mehr Zeit, sondern mehr Entschlusskraft.
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