Die Opfer schweigen oft Jahre, wenn nicht sogar für immer über das, was ihnen widerfahren ist. Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs will auf das Tabuthema aufmerksam machen und Ausmaß, Art und Folgen der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche aufzeigen. Dazu führt sie ihr erstes öffentliches Hearing durch. Unter dem Motto "Geschichten, die zählen" hört sie Betroffene, Angehörige und Experten zum Schwerpunktthema Kindesmissbrauch in der Familie an.
Sexuelle Gewalt findet am häufigsten innerhalb der engsten Familie sowie im weiteren Umfeld der Familie statt. Fremdtäter sind eher die Ausnahme. Das spiegelten auch die Anmeldungen für vertrauliche Anhörungen bei der Kommission wider, sagt Sabine Andresen, Vorsitzende der Kommission. Von den rund 590 Anmeldungen für vertrauliche Anhörungen betreffen etwa 370 den familiären Kontext und das soziale Umfeld. In der Mehrzahl der Fälle findet der Missbrauch durch den Vater statt, doch auch andere männliche Familienmitglieder werden als Täter genannt. In einigen Berichten geben Betroffene die Mutter als Mittäterin an.
Sexuelle Gewalt ist keine "Privatsache"
"Die Erkenntnisse aus den Gesprächen mit Betroffenen führen uns vor Augen: sexuelle Gewalt in Familien geht uns alle an. Die Familie ist ein wichtiger Teil unseres gesellschaftlichen Lebens. Dass Mädchen und Jungen gerade dort sexuelle Gewalt erleben, wo sie Liebe und Fürsorge erwarten und benötigen, ist keine `Privatsache`", appellierte Andresen. Betroffenen Kindern und Jugendlichen werde es schwer gemacht, Hilfe zu bekommen.
Sexueller Kindesmissbrauch ist von Geheimhaltung geprägt. Oft ist es den Opfern peinlich, über das Erlebte zu sprechen und nicht selten wird vom Täter Druck ausgeübt: "Das ist unser Geheimnis!" oder "Die Mama wird ganz böse auf dich sein, wenn du ihr so etwas erzählst." Hinzu kommt, dass kindliche Opfer versuchen, den Missbrauch vor sich selbst geheim zu halten, indem sie in eine Scheinwelt flüchten. Wenn sie doch über den Missbrauch sprechen, stoßen sie oft auf Unverständnis in ihrer Familie und auch im gesellschaftlichen Umfeld.
Dabei brauchen die kindlichen Opfer Menschen, die ihnen zur Seite stehen und ihnen Glauben schenken, mahnt Tamara Luding. Luding ist Mitglied im Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. "Gerade für Mädchen und Jungen, die im familiären Kontext Missbrauch erleben, bricht häufig ihre Welt zusammen: Sie verlieren den Ort, an dem sie aufgewachsen sind, schlafen, essen, trinken und wahrscheinlich auch Liebe und Geborgenheit erfahren haben – sie verlieren schlicht ihr Zuhause. Das ist eine existenzielle Erfahrung. Hier braucht es Menschen, auf die sich Betroffene hundertprozentig verlassen können."
Noch in diesem Jahr will die Kommission ein weiteres Hearing mit dem Schwerpunkt sexueller Missbrauch in der DDR ausrichten. Die Arbeit des Gremiums ist bis 2019 angesetzt.
Quelle: n-tv.de
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