Wenn die Finger weiß und kalt werden

  12 November 2015    Gelesen: 788
Wenn die Finger weiß und kalt werden
Kalte Hände sind im Winter nichts Besonderes. Doch wenn die Finger nicht nur kalt, sondern auch taub und blutleer werden, könnte das Raynaud-Syndrom dahinter stecken, auch als Leichenfinger- oder Weißfingerkrankheit bekannt.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin sind in Europa bis zu 20 Prozent der Bevölkerung betroffen, 90 Prozent davon sind Frauen. In der Regel ist das Raynaud-Syndrom harmlos, es kann aber auch auf eine ernsthafte Erkrankung hindeuten.

Blut fließt nicht mehr richtig

Meist ist ein Kältereiz der Auslöser: eisiger Wind, kaltes Wasser aus dem Wasserhahn oder Minustemperaturen in der Tiefkühltruhe. "Dieser Reiz führt dazu, dass sich die Gefäße in den Fingern, seltener auch in den Zehen, zusammenziehen und die Blutzirkulation zum Stillstand kommt", sagt Clemens Fahrig, ärztlicher Direktor des Evangelischen Krankenhauses Hubertus in Berlin und Leiter des Gefäßzentrums Berlin-Brandenburg.

Seinen Namen hat das Raynaud-Syndrom von dem französischen Arzt Maurice Raynaud, der die Krankheit im 19. Jahrhundert erstmals beschrieb. Oft verfärben sich nicht die ganzen Finger, sondern nur die Fingerkuppen. Daumen und Handflächen sind meist nicht betroffen. Manchmal dauert der Gefäßkrampf nur wenige Minuten, manchmal löst er sich erst nach Stunden. Dem Gewebe schade selbst so eine lange Unterversorgung nicht, sagt Gefäßspezialist Fahrig.

Sehr unangenehm können jedoch die Begleiterscheinungen sein: Zunächst sind die Finger weiß bis bläulich, kalt und taub. Kehrt das Blut in die feinen Äderchen zurück, werden die Finger rot, können kribbeln und schmerzen.

Zwei Formen des Raynaud-Phänomens

Bislang weiß die Forschung wenig über das Raynaud-Phänomen. Unterschieden werden zwei Formen: Es kann primär auftreten, also als direkte Krankheit, oder sekundär als Folge einer anderen Krankheit. Die primäre Form tritt häufiger auf und betrifft vor allem junge Frauen in oder nach der Pubertät. Mit zunehmendem Lebensalter steigt oft der Blutdruck und die Beschwerden werden nach den Wechseljahren seltener oder verschwinden ganz.

Symptome vom Arzt abklären lassen

Das sekundäre Raynaud-Syndrom macht sich hingegen meist erst nach dem 40. Lebensjahr bemerkbar. Dann können rheumatische Erkrankungen wie Arthritis der Auslöser sein oder eine Sklerodermie dahinterstecken. Diese entzündliche Autoimmunerkrankung führt zu Verhärtungen der Haut und kann auch innere Organe angreifen. Dabei können die tauben Finger auftreten, bevor die auslösende Krankheit ausgebrochen ist.

Auch Medikamente können das Raynaud-Syndrom beeinflussen, zum Beispiel Blutdruckmittel oder Antidepressiva. Beim ersten Auftreten der Symptome sollten Betroffene sie deshalb unbedingt zu einem Arzt.

Hände sorgfältig vor Kälte schützen

Heilen kann man das Raynaud-Syndrom nicht – aber die Beschwerden lindern. Patienten sollten Kälte und Feuchtigkeit meiden, die Hände dürfen gar nicht erst kalt werden. Schon bei relativ hohen Temperaturen um die zehn Grad Celsius brauchen sie Handschuhe. Am besten eignen sich Fäustlinge, damit sich die Finger gegenseitig wärmen können. Hier ist wichtig, dass sie auch gute Nähte haben, die die Kälte nicht hereinlassen. Gefäßmediziner Fahrig empfiehlt das Zwiebelprinzip: Über dünne Seidenhandschuhe, die am besten auf der Heizung aufgewärmt werden, kommen winddichte Modelle mit Klimamembran.

Auch der Rest des Körpers muss warm gehalten werden. Bei der Hausarbeit schützen Gummihandschuhe die Hände vor Nässe. Denn das Verdunsten des Wassers auf der Haut entzieht dem Körper Wärme – das kann einen Raynaud-Anfall auslösen.

Im Akutfall Finger vorsichtig wärmen

Hat der Gefäßkrampf schon eingesetzt und sind die Finger kalt und blutleer, ist die Versuchung groß, sie unter warmes Wasser zu halten. Doch mit dem Blut ist auch die Hitzeempfindlichkeit aus den Fingern gewichen: "Es drohen deshalb Verbrühungen durch zu heißes Wasser", warnt Fahrig. Sicherer sind kleine Wärmekissen. Sie sind mit einem Gel gefüllt, das sich erwärmt, sobald ein kleines Metallplättchen gedrückt wird.

Sport und Zigaretten können Beschwerden verschlimmern

Sinnvoll ist auch Muskeltraining für die Finger, um die Durchblutung zu fördern. Dafür gibt es spezielle Geräte. Ausdauersport wie Joggen oder Radfahren hilft hingegen nicht, im Gegenteil: Häufig treten Raynaud-Anfälle gerade wegen des Sports auf. Denn bei den meisten Sportarten verengen sich die Blutgefäße in den Fingern, damit das Blut dahin fließt, wo es gerade dringender gebraucht wird – zum Beispiel in den Beinen. Da Stress ein möglicher Auslöser des Raynaud-Syndroms ist, kann man mit Entspannungstechniken wie Yoga vorbeugen.

Auch Zigaretten sind für Raynaud-Patienten tabu, denn Rauchen beeinträchtigt die Durchblutung und führt deshalb zu häufigeren und schwereren Anfällen.

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